Chih-Yuan Chen | Gui-Gui das kleine Entodil

Ein Ei kullert in ein Nest mit Enteneiern. Obwohl dieses „verirrte“ Ei nicht nur viel größer ist als ihre eigenen ist, sondern auch noch ganz anders aussieht, nimmt die Entenmutter es als eines der ihren auf und brütet es aus. Was Chen übrigens wunderbar darstellt mit einer vorlesenden Entenmutter, die mit dem Buch auf dem übergroßen Ei tront.

Als vier kleine Küken aus den Eiern schlüpfen, lässt uns Chih-Yuan Chen an der Vielfalt des Lebens teilhaben: Die Entschlüpften unterscheiden sich in ihrem Aussehen deutlich. Eines hat blaue Tupfen und bekommt den Namen Buntstift. Das zweite Küken hat Streifen und wird Zebra getauft. Dem dritten Ei entschlüpft ein gelbes Küken namens Mondschein. Und aus dem „KuckucksEi“ schlüpft ein kleines blaugraues Krokodil, das unaufhörlich „gui-gui“ spricht. Deshalb wird es auch einfach Gui-Gui gerufen.

Chih-Yuan Chen – Gui-Gui

Die Entenmama kümmert sich rührend um ihre Kleinen und macht keinen Unterschied im Hinblick auf Größe, Farbe oder sonstige Besonderheiten. Zusammen erkunden sie die Welt, haben Spaß und ergänzen sich wunderbar.

Eines Tages wird diese Idylle dann doch empfindlich gestört; wie es sich für Gleichnisse gehört. Drei ausgewachsene Krokodile betreten die Bühne und reden auf Gui-Gui ein: er sei ein Krokodil und solle sich auch als solches verhalten. Daher verlangen sie von ihm, dass er ihnen hilft, die köstlich zarten, saftigen, fetten Enten zu ohne großen Aufwand fressen zu können. Die drei garstigen Krokodile schlagen also vor, dass Gui-Gui seine „Geschwister im Geiste“ am nächsten Tag zur Brück zu führen um dort „ins-Wasser-springen“ zu spielen. Nur dass die Enten statt des Wasser die offenen Mäuler der drei Garstigen erwartet.

Gui-Gui ist verwirrt und sehr traurig, er fühlt sich nicht wie ein garstiges Krokodil; er muss sich aber auch eingestehen, dass er keine Ente ist. Doch beim Anblick seines Spiegelbildes auf der Wasseroberfläche eines kleinen Teiches findet Gui-Gui seinen Humor wieder: „;Ich bin gar kein Krokodil, aber ich bin auch keine Ente. Ich bin ein Entodil.“ Gui-Gui betrachtet laut lachend sein verzerrtes Spiegelbild und tatsächlich: Es sieht aus wie eine Mischung aus Krokodil und Ente.

Nach langem hin und her kommt ihm schließlich eine gute Idee, wie er seine Entenfamilie retten kann. Die drei garstigen Krokodile lauern bereits unter der Brücke und warten darauf, dass ihnen die Enten in den Schlund springen, aber sie warten vergebens. Stattdessen wirft Gui-Gui ihnen riesige Steine ins Maul, an denen sie sich ihre Zähne abbrechen. Die Krokodile suchen das Weite und sind seither spurlos verschwunden. Er hat seine Familie gerettet und Gui-Gui, das Entodil, lebt mit ihnen glücklich und zufrieden.

Der Autor und Illustrator Chih-Yuan Chen, geboren 1975, lebt und arbeitet in Taiwan. Er wurde mehrfach mit dem renommierten Hsin Yi Picture Book Award ausgezeichnet. Sein Bilderbuch über „;Gui-Gui, das kleine Entodil“ eroberte seit seinem Erscheinen 2003 die internationalen Bestsellerlisten.

Inspiriert wurde der Künstler durch die Adoptionsgeschichte eines asiatischen Freundes, der von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde.

Chen’s Geschichte über Liebe, Akzeptanz und Selbstentdeckung hat alle Zutaten auch hier ein Lieblingsbuch zu werden.

Die schlichte, kluge Geschichte ist illustratorisch, aussergewöhnlich umgesetzt – mit einer MischTechnik aus Tinte und Wasserfarbe – und überzeugt durch seine Originalität. Chen hat ein wunderbares Gespür für Farben und Formen. Selbst für Erwachsene eignet sich diese Lektüre wunderbar, denn es macht Spaß die Feinheiten und „versteckten“ Andeutungen, Zeichen zu erkunden. Dabei büßen die Hauptfiguren von Chih-Yuan Chen ihren „Niedlichkeitsfaktor“ ganz und gar nicht ein. Im Gegenteil: Irgendwie schafft er es, sie gerade wegen ihrer fein herausgearbeiten Eigenheiten so liebenswert erscheinen zu lassen. Besonders fällt die lebendige Mimik von dem kleinen Gui-Gui auf; durch seine kindliche Körpersprache noch unterstützt. Seine kleine beräderte Holzente ist bei seinen Abenteuern immer dabei – niedlich. Als Gui-Guis Stimmung auf dem Tiefpunkt ist, wirkt auch die kleine Holzente mit ihrem abgefallenen Holzrädchen ein wenig derangiert. Eine stimmig dargestellte Atmosphäre.

Seine Farbwahl wirkt ruhig und vermittelt Ausgeglichenheit. Überwiegend benutzt Chen gedämpfte Farben wie grün, braun, und unterschiedliche Grautöne, die mit blauen, orangen und roten Details hervorgehoben werden. Die Hintergründe sind abwechselnd in weiß, schwarz und grau gehalten, was den wechselnden Rhythmus in der Geschichte fein widerspiegelt. Dabei fällt auf: wann immer die garstigen Krokodile auftauchen, wird der Hintergrund matt-dunkel und schwarze Vögel tauchen auf. So verdeutlicht Chen das bedrohliche Szenario so, dass die garstigen Krokodile über ihr Aussehen hinaus, den Stempel des Bösen bekommen.

Dass der Grundtenor der Geschichte jedoch so humorvoll ist, ist dem vordergründig so leichtgängigen,lebensklugen Erzählbogen zu verdanken, sowie den humorvollen, vielschichtigen Illustrationen.

Besonders schön ist auch die Illustration, wo die Mutter ihren Sprösslingen im Schwimmen, Tauchen und Watschelgang unterrichtet. Alle Enten halten ihre Schnäbel stolz in die Luft, während Gui-Gui größer und stärker als seine Geschwister, die ganze Entenfamilie mit dem Fahrrad heimfährt.

Mein Fazit || Gui-Gui das kleine Entodil ist ein wunderschönes Bilderbuch über das Anderssein, die Liebe und Toleranz. Es ist ausdrucksstark, mitreißend und funktioniert für Eltern und Kinder. Dieses Bildwerk kann man x mal zur Hand nehmen und entdeckt immer wieder neue Kleinigkeiten.

Der Autor || Chih-Yuan Chen wurde 1975 geboren und ist freischaffender Kinderbuchillustrator. Er hat in seiner Heimat Taiwan zahlreiche Bilderbücher veröffentlicht und ist dreimaliger Gewinner des begehrten Hsin Yi Picture Book Award. Viele seiner Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Chih-Yuan Chen lebt mit seiner Frau und Zwillingskindern im Süden Taiwans. Er liebt es, spazieren zu gehen, mag keine Anzüge, ist groß und dünn.

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Geeignet ab 3 Jahren
Übersetzung: Barbara Wang

Gebundene Ausgabe: 40 Seiten
Verlag: Fischer Schatzinsel, Frankfurt am Main; Auflage: 1., Aufl. (5. Februar 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596852838
ISBN-13: 978-3596852833

Die zur Rezension genutzte Ausgabe der Büchergilde Gutenberg ist beim Verlag leider vergriffen.

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