In der ›Verbeugung des Riesen‹ verwandelt Ransmayr Gefährten und Freunde in Gestalten seiner Erzählungen – unter ihnen der Dichter Hans Magnus Enzensberger, der Philosoph Karl Markus Michel, der Theaterdirektor Claus Peymann und – als Weggefährte im Tiefschnee des westlichen Himalaya – auch der Nomade Reinhold Messner. Virtuos und mit manchmal verblüffender Ironie führt Ransmayr dabei vor, wie sich das Nachdenken über Literatur wieder in Geschichten verwandelt.
»Die Verbeugung des Riesen? wiederholte eine der beiden Dichterinnen aus Chung Wan und sah meinem Freund in die Augen, kreuzte die Arme vor der Brust und verbeugte sich – lächelnd, anmutig, leicht.«
Christoph Ransmayr hat in den Jahren der Arbeit an seinen Romanen auch mit anderen Formen des Erzählens meisterhaft gespielt: ›Die Verbeugung des Riesen. Vom Erzählen‹ setzt diese Reihe der »Spielformen des Erzählens« fort, in der unter anderem eine »Tirade«, ein »Verhör«, eine »Bildergeschichte«, ein »Duett« und »Ansprachen« erschienen sind.

Unter dem geheimnisvoll klingenden Titel *Die Verbeugung des Riesen* sind zehn „Geschichten vom Erzählen“ versammelt. Dabei handelt es sich um Texte, die anlässlich von Preisverleihungen und Geburts- oder Todestagen bedeutender Freunde entstanden, virtuose Texte meisterlicher Erzählkunst. Eine innige Motiv-Verflechtung von Erzählen und Reisen weist Christoph Ransmayr dabei als Schriftsteller aus, der in exotischen und oft einsamen Welten zu sich findet.
Einerseits nun bieten gemeinsame Reiseerlebnisse mit Freunden Anlass für Erzählungen, die über den intimen Charakter von Unternehmungen mit guten Freunden weit hinausführen: ein Fußmarsch mit Reinhold Messner auf den Himalaya wird zur Reflexion über das Glück, Wanderungen mit Claus Peymann auf den Wiener Hausbergen Rax und Schneealpe zur Verlagerung des Theaters in die Welt, eine Ausflugs-Seereise mit Hans Magnus Enzensberger auf dem südchinesischen Meer zur Wallfahrt.
Andererseits verlangen offizielle Anlässe wie Literaturpreise dem freien Schriftsteller Rede und Antwort ab und zwingen zur Erläuterung des eigenen Werkes. Ransmayr wählt auch hier das Bild der Reise, um in die Freiheit des Schreibens zu entkommen. „Natürlich führt der Weg ins Innere einer Geschichte manchmal weit fort aus aller Geborgenheit und manchmal in quälende Verlassenheit. … Tief im Inneren seiner Geschichte ist er (der Erzähler) zugleich in der Mitte der Welt.“
In der *Verbeugung des Riesen* spielt Ransmayr mit dem aus der Wahrnehmungsvielfalt resultierenden Missverständnis zwischen Autor und Publikum, das auch positive Überraschungen für beide Seiten beinhalten mag. Immerhin bietet er uns hier über den Umweg von zutiefst poetischen Gleichnissen den Schlüssel für sein eindrucksvolles Werk an. Insofern ist das schmale Buch eine aufschlussreiche Ergänzung zu seinen großen Romanen, wie etwa *Die Schrecken des Eises und der Finsternis* oder *Die letzte Welt* und verkürzt außerdem die Wartezeit auf den nächsten großen Wurf. *–Beatrice Simonsen*
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