Steine sind keine stumme Zeugen der Zeit. Sie tragen Jahrtausende in ihren Adern, flüstern von vergangenen Welten und bergen Energien, die uns mit der Erde verbinden. In dieser Rubrik meines Literaturblogs möchte ich dem Konzept der Lithopoesie Leben einhauchen – einer Idee, die sich aus den griechischen Wörtern lithos (Stein) und poiesis (Dichtung) zusammensetzt. Hier geht es darum, Steine nicht nur als Fundstücke zu sammeln, sondern sie als Träger von Geschichten zu begreifen: durch literarische Verknüpfungen, eigene Texte und das bewusste Lesen ihrer Formen, Farben und Spuren.
Meine Spaziergänge führen mich oft zu Hünengräbern, jenen uralten Steinen, die wie Tore zur Vergangenheit wirken. Jeder mitgebrachte Stein wird hier zum Protagonisten – mal inspiriert er ein Gedicht, mal verwebt er sich mit Zitaten aus meinen Büchern, mal erzählt er von mythischen Orten. Lithopoesie ist für mich ein Dialog zwischen Natur, Literatur und innerer Welt.
Wie du Lithopoesie entdecken (und selbst gestalten) kannst:
- Dokumentiere deine Steine
Fotografiere sie, notiere Fundort und -zeit. Diese Details werden später Teil der Erzählung – etwa wenn ein kantiger Kiesel vom Gletschervorfeld plötzlich in einem Nature-Gedicht von Wordsworth mitschwingt. - Jagd nach literarischen Echos
Durchstöbere deine Bücher nach Stein-Motiven: ob Thomas Manns beschriebener Bernsteinschmuck, die menhire in Celans Lyrik oder die mineralischen Metaphern bei Rilke. Selbst ein scheinbar beiläufiges Wort wie „Fels“ kann Funken schlagen. - Freies Assoziieren – Schreiben ohne Filter
Halte einen Stein in der Hand. Ist er glatt wie ein Flussmythos? Schimmert er wie die Scherbe aus Kafkas Der Bau? Oder erinnert seine Maserung an eine ungeschriebene Sage? Probiere Mini-Formate: Haiku, Kurzprosa, Dialoge zwischen Stein und Finder. - Hünengräber als Resonanzräume
Nutze deine Besuche an diesen Kraftorten, um Steine zu finden, die archaische Energien spiegeln. Vergleiche sie mit literarischen Megalithen – etwa den Symbolsteinen in T.S. Eliots The Waste Land. - Präsentiere deine Lithopoesie
- Ein Steintagebuch mit Fotos, Fundnotizen und Texten.
- Eine literarische Landkarte, die Fundorte mit Zitaten verknüpft.
- Stein-Lesungen – ob digital im Blog oder analog bei Spaziergängen mit Gleichgesinnten.
Lithopoesie ist keine Methode, sondern eine Haltung: das Staunen über das Ungesehene im Alltäglichen. Hier geht es nicht um Gelehrsamkeit, sondern darum, Steine als Mittler zwischen Erdgeschichte und persönlicher Imagination zu begreifen. Vielleicht entsteht so etwas Neues – ein Gedicht, das wie ein Fossil aus der Tiefe bricht, oder eine Prosaskizze, die den Stein vom Wegrand mit dem Bücherregal verschmilzt.
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