Paul Klee | Wäre ich ein Gott, zu dem man betet

Wäre ich ein Gott, zu dem man betet,
ich käme in die größte Verlegenheit,
von einem Tonfall des Bittenden irgendwo gerührt zu werden.
Sobald das Bessere nur leise anklänge,
würde ich gleich Ja sagen,
«stärkend das Bessere mit einem Tropfen von meinem Tau».
Somit würde von mir ein Teilchen gewährt,
und immer wieder nur ein Teilchen,
denn ich weiß ja sehr wohl,
daß das Gute in erster Linie bestehen muß,
aber doch ohne das Böse nicht leben kann.
Ich würde also in jedem einzelnen
die Gewichtsverhältnisse der beiden Teile ordnen,
bis zu einem gewissen Grad der Erträglichkeit.
Revolution würde ich nicht dulden,
wohl aber zu ihrer Zeit selbst machen.
Daran sehe ich, dass ich noch kein Gott bin.

Ich wäre auch leicht, und mir dessen bewusst, zu überlisten.
Ich wäre rasch im Verleihen eines Ja, einem kurzen
Tone im Gebet gegönnt, welcher rührte.

Gleich darauf wär ich imstande,
sehr inkonsequent zu handeln,
und mich zu verwandeln
in das Ungeheuer Schauer,
welcher liegt auf solcher Lauer,
daß es dann gibt Trauer
in Familien, wo sein Gift
gerade trifft.

Viel historisches Theater wollte ich auch machen,
die Zeiten würden losgebunden von ihrem Alter,
das wäre ein Durcheinander zum Lachen.
Aber mancher wäre entzückt,
– hätt ich zum Beispiel je einen irrenden Ritter
draußen im Busch gefunden,
ich war beglückt! –.

Ein bisschen narren würd ich die Leutchen auch zuweilen
und gäbe ihnen in der Labung Ätzung,
in der Nahrung Zersetzung –
und Schmerz in der Paarung.
Ich stiftete einen Orden,
im Banner die lustig hüpfende Träne.

***

Aus: Paul Klee – Gedichte / Neue erweiterte Ausgabe 1980
Verlag der Arche – Zürich
Isbn: 3-7160-1650-0