Wolfgang Würfel über das Bücher machen

Werner Klemke war ein vielseitiger und einflussreicher Illustrator, dessen Arbeit weit über die klassische Kinderbuchillustration hinausging. Bekannt wurde er durch seine Illustrationen für Werke wie Hirsch Heinrich, Mauz und Hoppel oder Ferdinand der Stier, aber seine Karriere umfasste weit mehr. Klemke war ein leidenschaftlicher Leser und illustrierte über 800 literarische Werke, was ihn zu einem der produktivsten Künstler seiner Zeit machte. Zu seiner persönlichen Bibliothek gehörten rund 20.000 Bände, und als „Ehrenleser“ der Berliner Staatsbibliothek hatte er freien Zugang zu den wertvollen Magazinen der Bibliothek.

Neben seiner Tätigkeit als Illustrator übernahm Klemke auch die Gestaltung ganzer Bücher. Er war ein Meister des Buchhandwerks und kümmerte sich selbst um die Auswahl von Papier, Lettern, Satzanordnung und Buchschmuck. Klemke betrachtete das Festlegen des Formats als eine künstlerische Verantwortung und war darauf bedacht, nicht nur bibliophile Ausgaben für wenige zu schaffen, sondern auch Massenauflagen, die sowohl ästhetisch als auch technisch anspruchsvoll waren.

In einer Serie von Artikeln, die 1966/67 in der Zeitschrift Sibylle veröffentlicht wurden, schrieb er: „Schönheit ist kein Luxus – Schönheit ist lebensnotwendig.“ Diese Haltung spiegelte sich in all seinen Arbeiten wider, von den Kinderbuchillustrationen bis zu seinen anspruchsvolleren literarischen Ausgaben.

Ein bemerkenswertes Beispiel für Klemkes Arbeit als Buchkünstler ist die 1972 im Aufbau-Verlag erschienene Ausgabe der Ilias, die er illustrierte. Diese Ausgabe, die auf einer Prosa-Übersetzung von Gerhard Scheibner basierte, besticht durch Klemkes charakteristischen Stil, der für seine Skizzenhaftigkeit und Ausdruckskraft bekannt ist. In den 137 Illustrationen dieser Ausgabe, die in Ölkreide ausgeführt sind, zeigt sich Klemkes tiefes Verständnis für die Dramatik des antiken Epos. Die Figuren der Ilias sind in einer außergewöhnlichen Weise dargestellt: Die griechischen und trojanischen Krieger sind oft halbnackt und gezeichnet von Kampf und Alter. Die Götter erscheinen ebenfalls menschlich und leidend, was eine sehr persönliche und emotionale Sicht auf die antike Erzählung vermittelt.

Klemkes Stil, der von seiner Autodidaktenschaft und seiner Beherrschung verschiedener Techniken, insbesondere des Holzschnitts, geprägt war, hebt sich in dieser Ausgabe der Ilias von seinen früheren Arbeiten für Kinderbücher ab. Die Darstellung von Gewalt und Leid, die er in den Szenen des Krieges einfließen ließ, zeugt von seiner eigenen Erfahrung als Soldat und von seiner Sensibilität für das menschliche Elend und das Leiden.

Die Sorgfalt, die Klemke in die Herstellung der zweibändigen Ilias-Ausgabe steckte, zeigt sich in der Auswahl des Papiers und der Qualität der Buchbindung. Das Papier stammte von der VEB Druck- und Spezialpapiere Nossen, und die Bindung wurde vom Karl-Marx-Werk Pößneck übernommen. Trotz des hohen Aufwands war die Ausgabe in antiquarischen Buchhandlungen günstig zu finden, was die Wertschätzung für Klemkes Arbeit noch verstärkt.

Werner Klemke bleibt ein herausragendes Beispiel für einen Künstler, der in seiner Vielseitigkeit und in seiner Hingabe an die Kunst des Buches bleibende Spuren hinterlassen hat.