Akzente LiteraturZeitschrift

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Akzente Literaturzeitschrift

Als ich mir eine Ausgabe der Akzente bestellt habe, wollte ich mir eigentlich nur einen Eindruck verschaffen: Was macht dieses traditionsreiche Literaturmagazin heute aus? Was ist sein Ton, sein Anspruch? Ich schlug das Heft auf – und blieb bei der Einleitung von Florian Kessler hängen. Unter dem Titel „Die Frage“ schreibt er: Wozu? Was kann Literatur bewirken – und wann ist sie gut?
Ein schlichtes, leider nicht entwaffnendes Nachdenken über die Relevanz von Literatur, verfasst im Frühjahr 2022, während anderswo Krieg herrscht.

Die Heftstruktur macht deutlich, dass es hier nicht um Antworten im klassischen Sinn geht, sondern um eine große, vielstimmige Sammlung: Unter der Überschrift „Die Antworten“ sind weit über hundert Namen versammelt – bekannte wie Daniel Kehlmann, Sharon Dodua Otoo, Juli Zeh, Saša Stanišić, Olga Grjasnowa, Carolin Emcke, Franzobel, Judith Schalansky, Denis Scheck, aber auch viele weniger prominente. Ein ganzes Panorama der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur scheint hier aufgerufen zu werden – Stimmen aus Feuilleton, Verlag, Kritik, Bühne, Redaktion, Essayistik.

Doch genau darin liegt (für mein Anliegen) auch das Problem: Die Ausgabe ist ein Stimmenmeer ohne Kompass. Jede Antwort verweist auf ein anderes Verständnis von „guter Literatur“, auf andere Maßstäbe und Empfindlichkeiten. Für jemanden, der einen konkreten Zugang sucht – ein Gespräch, eine Haltung, vielleicht sogar eine Richtung – bleibt das Heft verschlossen. Die Stimmen sind zu fremd, zu verstreut, zu kurz, um in Resonanz zu treten.

Was also tun mit dieser Ausgabe?
Vielleicht genau das, was Kessler vorschlägt: innehalten, die eigene Antwort suchen. Wann war Literatur für mich das letzte Mal wesentlich? Wann hatte sie Gewicht? – Es sind dieselben Fragen, die mich dazu gebracht haben, ersatzgestalt zu beginnen.
Wie etwas Bedeutung bekommt. Wann Sprache trägt. Und was bleibt, wenn man den Moment des Fragens einfach stehen lässt. Vielleicht kann ich mit meinen Antworten irgendwann mit den hier abgedruckten in einen Dialog treten.

Vielleicht liegt genau darin der Reiz: Die Stimmen dieser Autorinnen und Autoren bleiben für mich meist an der Oberfläche – egal welchem Rahmen geschuldet. Es sind Splitter, Momente, Gedanken aus deren Leben. Und vielleicht ist das das eigentliche Geheimnis guter Literatur: dass man ins Erzählen kommt, von gelesenen Geschichten weiterträgt, was hängen bleibt – und daraus neue Geschichten entstehen.
So entsteht ein Austausch, direkt und indirekt, bewusst oder zufällig. Die kurzen Schilderungen dieser Ausgabe wirken wie unvollständige Kurzprosa, die – ob beabsichtigt oder nicht – einlädt, sie weiterzuerzählen, ihr eine eigene Note zu geben. Das führt oft weg vom Ausgangspunkt, vom ursprünglich gelesenen Text. Aber ist das schlimm?
Ich habe beschlossen, genau das zu tun: die Antworten aufzugreifen und daraus eigene Geschichten entstehen zu lassen. Und wenn daraus wieder jemand eine neue Geschichte spinnt oder mir antwortet – umso besser.


Ich sortiere diese Ausgabe vorerst ins Regal, zu den anderen LiteraturMagazinen. Ich bestelle mir eine andere Ausgabe – und schaue diesmal genauer hin.

Kurzporträt der LiteraturZeitschrift Akzente

Die Zeitschrift Akzente gehört zu den traditionsreichsten Literaturzeitschriften im deutschsprachigen Raum. Sie wurde 1953 von Walter Höllerer und Hans Bender gegründet – mit dem Anspruch, neue Stimmen und Strömungen sichtbar zu machen, Literatur als gegenwärtige Kunstform ernst zu nehmen und zugleich kritisch zu begleiten.
Über Jahrzehnte hinweg war sie ein Ort der literarischen Erstveröffentlichung: Hier erschienen frühe Texte von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Günter Grass oder Peter Handke. Herausgegeben wird sie heute vom Carl Hanser Verlag, der ihr seit den Anfangsjahren verbunden ist.

Im Laufe ihrer Geschichte hat sich die Zeitschrift mehrfach gewandelt – von einem Forum junger Autor:innen der Nachkriegszeit zu einem Spiegel der literarischen und kulturellen Debatten der Gegenwart. Jede Ausgabe ist thematisch konzipiert, oft essayistisch durchzogen, immer mit einem starken kuratorischen Moment: Akzente versteht sich weniger als Magazin zum Durchblättern, sondern als literarisches Labor, in dem Denken und Sprache erprobt werden.


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