„Herbst“ (Das letzte Gedicht im Zündblättchen 21) widmet sich der Platane, die ich häufig mit dem Ahorn verwechsle. Diese Verwechslung beruht auf der Ähnlichkeit der Blätter, doch die Platane (Platanus ×hispanica) ist eine eigenständige Kreuzung aus Morgenländischer und Amerikanischer Platane. Ihre Blätter sind handförmig geteilt, enthalten jedoch keinen Milchsaft in den stielen, wie beim Ahorn.
Das Gedicht bringt als Metapher das Herzwurzelsystem der Platane ein. Es besteht aus senkrechten und waagerechten Wurzeln, die der Baum tief in den Boden treibt. Dadurch ist er widerstandsfähig gegenüber Stürmen sowie städtischen Einflüssen wie Bodenverdichtung und Luftverschmutzung.
Historisch wurde die Platane medizinisch genutzt: Ihre Früchte als Wein getrunken halfen gegen Schlangenbisse, die Rinde bei Zahnschmerzen und die Blätter bei Augenleiden. Aktuell wird die Rinde auf krebshemmende Inhaltsstoffe untersucht.
Die Poesie der „Lebenslinien“ – Die Schlussstrophe des Gedichts spiegelt für mich zwei Realitäten:
Die Borke, die in Platten abblättert und mosaikartige Muster hinterlässt sowie
die Blattadern verwelkter Herbstblätter, die wie gealterte Hände wirken.
„nun lese ich
die Lebenslinien
von ehemals grünen
Händen des Lichts“
Kennen Sie übrigens An die Platane von Paul Valery?
Die Platane galt aufgrund ihrer imposanten Erscheinung und ihres schattenspendenden Laubs als Baum der Weisheit und des Schutzes. Ihr „Flüstern“ im Wind wurde oft als göttliche Stimme gedeutet, ähnlich wie bei Eichen (Dodona) oder Lorbeerbäumen (Delphi).
Herodot – Historien (7. Buch) | Herodot erwähnt eine große Platane in Kleinasien (Lydien), die von den Einheimischen als heilig verehrt wurde. Der persische König Xerxes soll ihr sogar goldenen Schmuck und einen Wächter zugewiesen haben, was auf eine besondere, möglicherweise orakelhafte Bedeutung hindeutet.
Pausanias – Beschreibung Griechenlands | Pausanias beschreibt in seinem Reisebericht (2. Jh. n. Chr.) eine Orakelstätte in Aigeira (Achaia), wo eine uralte Platane stand, in deren hohlem Stamm eine prophetische Schlange (ein Symbol des Gottes Apollon) lebte. Die Priester deuteten das Rascheln der Blätter als göttliche Botschaften.
Auch in Delphi gab es eine heilige Platane, die mit Apollon in Verbindung gebracht wurde.
Theophrast – Historia Plantarum | Der antike Botaniker Theophrast erwähnt, dass Platanen oft an heiligen Orten gepflanzt wurden und ihre Größe sowie Langlebigkeit sie zu Symbolen göttlicher Präsenz machten.
Mythologische Verbindungen | In einigen Mythen wird die Platane mit Dionysos oder Helena von Troja in Verbindung gebracht. Unter einer Platane soll Helena etwa mit Paris geruht haben – ein Ort, der später als Schicksalsbaum interpretiert wurde.
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