Jürgen Völkert-Manert - Optimismus - Gedichte

Jürgen Völkert-Marten UNSER FORTGESETZTER WUNSCH NACH OPTIMISMUS

Jürgen Völkert-Marten entdeckte ich durch Zufall, auf der Suche nach Texten von Ille Chamier. Auf einer Verkaufsplattform bot der Autor verschiedene Ausgaben der Zeitschrift „jeder art“ an – und mit ihnen diesen schmalen Lyrikband aus dem Jahr 1977. Ergänzt durch einen Holzschnitt von Heinz Stein erwies sich der Fund als gedeihliche Entdeckung.
Völkert-Marten stellt mit 19 teils provokanten Gedichten eine existenzielle Frage: Soll diese oberflächliche Form von Leben bejaht werden? Für ihn bedeutet wahrer Optimismus nicht blinde Lebensbejahung, sondern Konzentration auf intensives Leben und Erleben – eine Demaskierung des Oberflächlichen. Zwischen den Titeln seiner Gedichte entfaltet sich ein Erkenntnisprozess, der mich zu einer lyrischen Verarbeitung inspirierte, einem annähernden Lesen:

Es gibt Wege die nicht führen nur umkreisen was wir meiden

Eine Frage ans Vogelhäuschen: Wer bewohnt noch die leeren Räume unserer Hoffnungen?

Wir sind Prometheus geworden aber das Feuer das wir stahlen brennt nur noch in Bildschirmen An jedem Sonntagmorgen für Ingrid derselbe Kaffee dieselbe Zeitung dieselbe Frage: Wie weiter?

Ratlos stehen wir vor dem Spiegel der uns täglich anlügt Ein Käfer versteht mehr vom Leben als wir mit all unseren Theorien

Zeit für eine Klarstellung: Am Samstagmorgen im März fällt Schnee wie Wahrheiten die niemand hören will

Sonntag Nachts Träume und nachmittags Blicke zwischen Schlaf und Wachsein hängen wir fest

Die irren Lacher von nebenan kennen alle Gründe warum das Leben schön sein soll Wir haben sie verloren irgendwo zwischen Geburt und heute

Streitflucht nennen wir es wenn wir vor der Wahrheit davonlaufen Erkenntnis tut weh deshalb wählen wir Nostalgie den süßen Schmerz des Gestern

Am Ende bleibt das Paradox: Dass wir den Optimismus brauchen den wir durchschaut haben Dass wir weiterleben obwohl wir wissen wie oberflächlich unsere Gründe sind

Dies ist keine Wiedergabe der Originaltexte, sondern eine lyrische Verarbeitung der Gedichttitel aus Völkert-Martens Band. Seine Verse können erschüttern – beim Gedicht „RATLOS“ musste ich innehalten, während „WEGE“ bei mehrmaliger Lektüre zu völlig verschiedenen Interpretationen führte.

Besonders faszinierte mich sein Wortbild: Schritteton beschmutzter Schuhe – eine Metapher, die Völkert-Martens poetische Kraft verdichtet zeigt. Seine Lyrik ist kein Trost, sondern Konfrontation: mit unseren Ausflüchten, unseren oberflächlichen Gewissheiten, unserem fortgesetzten Wunsch nach einem Optimismus, den wir längst durchschaut haben.

Die Wahrheit, so scheint es, liegt nicht in der Bejahung oder Verneinung des Lebens, sondern in der Intensität, mit der wir uns seiner Widersprüche stellen.

  • Jürgen Völkert-Marten – KLARSTELLUNG

    Jürgen Völkert-Marten – KLARSTELLUNG

    Das Gedicht „Klarstellung“ konfrontiert das lyrische Ich mit einer beschädigten Puppe und zwingt es in eine vielschichtige Reflexion über Schuld, Verantwortung und Wahrnehmung. Die zentrale Metaphorik kreist um das verstörende und mehrdeutige Bild der Puppe mit den „leeren Augenhöhlen“. Puppen sind traditionell Kinderspielzeug, Objekte der Fürsorge und Projektion – hier aber ist sie beschädigt, ihrer…

  • KLARSTELLUNG DER PUPPE

    KLARSTELLUNG DER PUPPE

    Ihr seht mich an und nennt es Schuld. Doch meine Augen sind leer, weil ihr sie mir genommen habt. Ihr habt mich in dieses Gitter gestellt, mich zu eurer Bühne gemacht, mich schweigen lassen, damit ihr in mir sprechen könnt. Euer Blick legt Lasten auf mich, die ich nicht tragen will. Ich bin kein Spiegel…

  • Gründe – Jürgen Völkert-Marten

    Gründe – Jürgen Völkert-Marten

    Jürgen Völkert-Marten konstruiert in diesem Gedicht einen Zirkel aus Flucht und Rückkehr. Das lyrische Ich denkt an seine „Ingo-Zahl“ – einen Begriff, der rätselhaft bleibt, aber offenbar eine Art Bewertung oder Messung seiner selbst darstellt. Diese Beschäftigung mit der eigenen Vermessung führt ihn zu einer Erkenntnis: Wichtigeres existiert, doch dieses Wichtigere entzieht sich seinem Zugriff.…

  • Jürgen Völkert-Marten – NOSTALGIE

    Jürgen Völkert-Marten – NOSTALGIE

    Dieses Gedicht ist ein einziger Atemzug. Zwar gliedern Kommata den Text und ein Punkt beschließt ihn, doch syntaktisch bleibt es ein langer, fließender Satz. Die Interpunktion ordnet, ohne zu zerhacken – die Kommata schaffen Pausen wie beim Sprechen, wenn man Luft holt, ohne den Gedankenfluss zu unterbrechen. Die wiederholten Konjunktionen „und“ schaffen Rhythmus und Vorwärtsdrang…

  • Jürgen Völkert-Marten – Ratlos

    Jürgen Völkert-Marten – Ratlos

    Es ist das erste Gedicht, dass mir auffällt, als ich nach dem abgedruckten Holzschnitt von Heinz Stein suche. Ich überlege, ob ich das Heft gleich wieder schließe. Manchmal trifft man auf Texte, die so gar nicht, nicht mehr zu eigenen Lebenssituation passen. Also, ich habe es dennoch gelesen und hier ist meine – auf Abstand…

  • Jürgen Völkert-Marten UNSER FORTGESETZTER WUNSCH NACH OPTIMISMUS

    Jürgen Völkert-Marten UNSER FORTGESETZTER WUNSCH NACH OPTIMISMUS

    Jürgen Völkert-Marten entdeckte ich durch Zufall, auf der Suche nach Texten von Ille Chamier. Auf einer Verkaufsplattform bot der Autor verschiedene Ausgaben der Zeitschrift „jeder art“ an – und mit ihnen diesen schmalen Lyrikband aus dem Jahr 1977. Ergänzt durch einen Holzschnitt von Heinz Stein erwies sich der Fund als gedeihliche Entdeckung. Völkert-Marten stellt mit…

  • Jürgen Völkert-Marten

    Jürgen Völkert-Marten

    Jürgen Völkert-Marten (*23. Mai 1949 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Schriftsteller, der in erster Linie durch seine Lyrik bekannt wurde. Sein Debüt gab er 1974 mit dem Gedichtband Keine Zeit für Träumer. In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte er zahlreiche weitere Werke und etablierte sich als eine markante Stimme der deutschsprachigen Gegenwartslyrik. Der Autor lebt in…

  • Jürgen Völkert-Marten – Wege – Anders gelesen

    Jürgen Völkert-Marten – Wege – Anders gelesen

    Das Gedicht zeigt eine Spannung zwischen der Erfahrung von Wegen in der Natur und ihrer abstrakten Darstellung durch den Menschen. Während die Wege „inmitten metallisch glänzender Wasser“ scheinbar „nicht enden wollen“, sondern sich „biegen und den Ausgang finden“, werden sie in der kartografischen Abbildung „zusammengezogen“ und „verschwinden im Nichts“. Damit wird deutlich, dass Wege in…

  • PROMETHEUS – Jürgen Völkert-Marten

    PROMETHEUS – Jürgen Völkert-Marten

    Das Gedicht „Prometheus“ arbeitet mit einer besonderen Erzählsituation: Ein Sprecher wendet sich direkt an den mythischen Titanen selbst. Durch die durchgehende Du-Ansprache entsteht der Eindruck einer unmittelbaren Konfrontation mit der prometheus’schen Figur, die hier nicht nur als literarische Metapher fungiert, sondern als konkreter Gesprächspartner angesprochen wird. Die Umdeutung des Mythos Der Text nimmt eine interessante…

  • Jürgen Völkert-Marten – Wege – Lyrik

    Jürgen Völkert-Marten – Wege – Lyrik

    „Wege“ führt uns durch einen merkwürdigen Wechsel der Perspektiven: Erst sind wir mittendrin im Matsch und Regen, dann schauen wir von oben auf eine Landkarte. Diese Bewegung von der körperlichen Erfahrung zur abstrakten Betrachtung durchzieht das ganze Gedicht wie ein roter Faden. Unterwegs im Regen Die erste Strophe lässt uns förmlich die nassen Füße spüren.…


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: Content is protected !!