Eryngium giganteum - distelicht

Miss Willmott’s Ghost

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Manche Geschichten sind zu schön, um wahr zu sein – und manchmal sind sie trotzdem wahr. Die Anekdote von Ellen Willmott und ihrem geisterhaften Erbe gehört zu jenen seltenen Legenden, die zwischen Wahrheit und Märchen wandeln wie die Pflanze selbst, um die es geht.

Die Dame mit den grünen Fingern und dem Samensäckchen

Ellen Willmott (1858-1934) war mehr als nur eine Gartenenthusiastin – sie war eine Naturgewalt. Mit einem Vermögen ausgestattet, das ihr erlaubte, drei große Gärten in England, Frankreich und Italien zu unterhalten, sammelte sie Pflanzen wie andere Menschen Bücher. Über 100.000 verschiedene Arten soll sie kultiviert haben. Doch berühmter als ihre botanischen Errungenschaften wurde eine kleine, fast schelmische Gewohnheit.

Wenn Ellen Willmott Gärten besuchte – und das tat sie häufig, war sie doch eine gefragte Expertin –, dann hatte sie stets ein kleines Säckchen bei sich. Darin: die Samen von Eryngium giganteum. Unbemerkt streute sie diese aus, wo immer sie ging. Ein botanischer Streich, der erst Jahre später sichtbar wurde.

Der Geist, der aus dem Nichts kommt

Eryngium giganteum ist eine Pflanze mit dramatischem Timing. Im ersten Jahr nach der Aussaat zeigt sich nur ein unscheinbares Blättchen. Dann, im zweiten Sommer, explodiert sie förmlich in die Sichtbarkeit: Bis zu einem Meter hoch, mit silbrig-weißen, fast durchscheinenden Blüten, die wie gefrorene Geister in der Abendsonne schimmern.

Die Gartenbesitzer, die Willmott einst empfangen hatten, standen plötzlich vor diesen spektakulären Erscheinungen und fragten sich: Wo kommen diese geisterhaften Disteln her? Die Antwort lag in der Vergangenheit – in jenem Besuch der Dame mit dem verschmitzten Lächeln.

Ein lebendiges Denkmal

Nach der Blüte stirbt Eryngium giganteum ab, aber nicht ohne Abschiedsgeschenk: Hunderte neuer Samen verstreuen sich im Wind. So pflanzte sich Miss Willmotts kleiner Scherz über Generationen fort. Noch heute tauchen in englischen Gärten diese silbernen Geister auf, und Kenner nicken wissend: „Ah, Miss Willmott war hier.“

Der Volksmund taufte die Pflanze „Miss Willmott’s Ghost“ – ein Name, der poetischer nicht sein könnte. Denn was ist ein Geist anderes als eine Präsenz, die bleibt, wenn die Person längst gegangen ist?

Zwischen Wahrheit und Legende

War Ellen Willmott wirklich diese botanische Zauberin, die ihre Samen wie Märchenstreu verteilte? Die Gartengeschichte ist voller solcher Anekdoten, die sich nicht mehr eindeutig verifizieren lassen. Doch manchmal ist die emotionale Wahrheit einer Geschichte wichtiger als ihre faktische Belegbarkeit.

Eryngium giganteum trägt jedenfalls bis heute ihren gespenstischen Ehrentitel, und in jedem Garten, wo diese silbrige Schönheit erscheint, lebt ein Stück jener Zeit weiter, als Gärtnern noch Abenteuer war und eine exzentrische Dame mit einem Samensäckchen durch England wandelte.

Vielleicht ist das die schönste Art der Unsterblichkeit: nicht in Stein gemeißelt oder in Büchern verewigt zu werden, sondern in einer Pflanze, die jedes Jahr aufs Neue überrascht. Miss Willmott’s Ghost – ein Geist, der Freude bringt statt Schrecken, der Gärten bereichert statt sie zu verfolgen.

Und wer weiß? Wenn Sie das nächste Mal Eryngium giganteum in Ihrem Garten entdecken, dann war vielleicht auch bei Ihnen einst eine Dame mit grünen Fingern und einem geheimnisvollen Säckchen zu Besuch.

Haben Sie schon einmal Miss Willmott’s Ghost in Ihrem Garten entdeckt?


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