Was es bedeuten soll. Neue hebräische Gedichte in Deutschland

Die Anthologie Was es bedeuten soll. Neue hebräische Dichtung in Deutschland erschien 2019 im Verlag Parasitenpresse und bringt eine bislang wenig beachtete literarische Stimme in den Fokus: In Deutschland lebende israelische und deutsche Dichterinnen und Dichter, die auf Hebräisch schreiben. Herausgegeben und übersetzt wurde die Sammlung von Gundula Schiffer und Adrian Kasnitz, die mit ihrem Projekt eine Lücke schließen wollten.

Gundula Schiffer, Lyrikerin, Autorin und Übersetzerin, beschäftigt sich intensiv mit hebräischer Literatur und Sprache. Sie hat bereits mehrere Werke ins Deutsche übertragen und engagiert sich in literarischen Netzwerken. Adrian Kasnitz ist Schriftsteller und Verleger der Parasitenpresse, einem kleinen, aber renommierten Verlag für zeitgenössische Lyrik. Gemeinsam stellten sie die Texte von 13 Autorinnen und Autoren zusammen, darunter Loulou Omer (EINS UND NOCH EINS), Ronen Altman Kaydar, Maya Kuperman und Mati Shemoelof.

Die Gedichte dieser Anthologie kreisen um Themen wie Identität, Zugehörigkeit und den Alltag in Deutschland, aber auch um jüdische Traditionen, Sprache und Familie. Die Sammlung gibt einen Einblick in die Vielfalt und Tiefe der modernen hebräischen Dichtung, die sich außerhalb Israels entwickelt.

Mit dieser Veröffentlichung wird nicht nur die Sichtbarkeit hebräischer Lyrik in Deutschland gestärkt, sondern auch eine neue Perspektive auf das jüdische Leben in der Diaspora eröffnet. Die Anthologie wurde als bedeutender Beitrag zur literarischen Landschaft Deutschlands gewürdigt.


Im Nachwort des Bandes befasst sich Gundula Schiffer mit der modernen hebräischen Lyrik und insbesondere mit der kaum bekannten Nische jener Dichterinnen und Dichter, die in Deutschland auf Hebräisch schreiben. Die Unbekanntheit hebräischer Lyrik erklärt sich durch die enge Verbindung der Sprache mit ihrer biblischen Tradition, die schwer übersetzbar ist. Doch hat sich das Hebräische längst weiterentwickelt, sodass heutige israelische Autorinnen und Autoren nicht zwingend mit der Bibel vertraut sein müssen.

Besonders in Deutschland gibt es eine wachsende Szene hebräisch schreibender Lyriker, zumeist eingewanderte Israelis, aber auch deutsche Stimmen. Dies ist Teil eines größeren Phänomens: Die jüdische und hebräische Kultur erlebt eine neue Blüte in Europa, was als eine Art „Wunder“ beschrieben wird. Interessanterweise kehrt die modernhebräische Literatur damit an ihren Ursprung zurück, da sie im 19. Jahrhundert vor allem in osteuropäischen und westlichen Metropolen entstand, bevor sie sich mit der Staatsgründung Israels nach Tel Aviv und Jerusalem verlagerte. Heute ist Berlin wieder ein Zentrum dieser literarischen Bewegung.

Die in dem Buch versammelten Gedichte, die bislang nicht ins Deutsche übersetzt wurden, zeichnen sich durch eine dialogische Sprechweise aus, die tief in der jüdischen Tradition verwurzelt ist. Dabei kommen verschiedene Übersetzungsstrategien zum Einsatz – von direkten Übertragungen über Rohfassungen bis hin zu Selbstübersetzungen. Solche vielschichtigen Prozesse gehören zum Wesen der Weltliteratur.

Zudem verbindet der Band das jüdische Erbe Deutschlands mit der lebendigen hebräischen Dichtung der Gegenwart. Der Bezug zur Geschichte – etwa zur mittelalterlichen jüdischen Gemeinde Kölns oder zur Exilserfahrung im Allgemeinen – bleibt dabei zentral. Die Spannung zwischen Exil und der Sehnsucht nach Israel spiegelt sich in der hebräischen Literatur seit jeher wider. In diesem Zusammenhang wird der Psalm 137 („An den Wassern zu Babel…“) als universelles Symbol für Unterdrückung und Widerstand zitiert. Trotz aller Widrigkeiten bleibt die Lyrik ein Mittel, um sich zu äußern, Widerstand zu leisten und menschliche Existenz zu bezeugen.

Die Autorin Gundula Schiffer hebt hervor, dass das Singen, Dichten und Sprechen fundamentale Ausdrucksformen des Menschseins sind – unabhängig von Ort und Zeit.

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