Osterburg - Altmark - Wische - Adolf Endler

Weg in die Wische – bewegend gelesen

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Die Wische ist eine einzigartige Landschaft im Nordosten der Altmark in Sachsen-Anhalt, die von ihrer Geschichte als ehemaliges Überflutungsgebiet der Elbe geprägt ist. Sie ist bekannt für ihre weiten, flachen Flächen, die besonders in den nassen Jahreszeiten eine Herausforderung für Reisende darstellen können. Adolf Endler beschreibt in seinem Text aus dem Jahr 1958 eindrücklich die Eigenheiten dieser Region, die auch heute noch relevant sind.

Darf ich vorstellen: Die Wische

Die Wische, deren Name vom niederdeutschen Wort für „Wiese“ abstammt, ist eine weite, platten Landschaft, die sich bis zu den Elbdeichen erstreckt. Endler beschreibt sie als ein Gebiet, das an den Niederrhein erinnert: „eine weite platte Fläche mit ganz kleinen Wäldchen — als Kinder nannten wir sie »Büschchen« —, mit vielen Zäunen und Hecken, mit Weiden und Wassergräben.“ Diese Beschreibung unterstreicht den ländlichen und naturnahen Charakter der Wische.

Erdgeschichtlich betrachtet nimmt die Wische eine Sonderstellung in der Altmark ein: Sie entstand vor rund 130.000 Jahren in der Endphase des Saale-Komplexes als Rest eines 275 Quadratkilometer großen eiszeitlichen Schmelzwassersees des Berlin-Hamburger Urstromtals. Die hier durch Ablagerungen des Elbwassers entstandenen feinkörnigen Tone machen das Gebiet außerordentlich fruchtbar.

Dieser fruchtbare Boden bringt jedoch auch seine Herausforderungen mit sich. Besonders prägnant ist die Bodenbeschaffenheit, die Endler humorvoll als „Wischedreck“ bezeichnet – ein zäher, unlöslicher Schlamm, der im Herbst und Winter die Wege unpassierbar macht. Im Sommer hingegen wird derselbe Boden „hart wie Stein“, was die Bewohner veranlasst, vom „Sommerfrost“ zu sprechen. Dies zeigt die extremen Bedingungen, denen die Landwirtschaft und die Menschen in der Wische ausgesetzt sind. Der Hinweis, dass „die Kinder schon mit Stiefeln an den Beinen geboren werden“, und der Rat, als Erstes Gummistiefel zu kaufen, sind nicht nur amüsant, sondern auch ein praktischer Hinweis auf die Notwendigkeit robuster Kleidung in dieser Region. Es ist ein Land, in dem Ackergeräte nach frischem Regen häufig im Schlick hängenbleiben, und wo bis ins 20. Jahrhundert hinein sogar spezielle „Wischeschlitten“ – Schlammrutschen aus Bohlen – zum Lastentransport eingesetzt wurden, weil Pferde oft nicht ausreichten. Dies verdeutlicht die Härte der Feldarbeit, die teilweise von Menschen verrichtet werden musste, und erklärt den langen Einsatz von Dampfpflügen zur Vorbereitung des tiefen Bodens, insbesondere für den Zuckerrübenanbau.

Die Wische ist ein ebenes Gebiet, das von zahlreichen Gräben durchzogen ist und tiefer als der mittlere Hochwasserspiegel der Elbe liegt. Das führt dazu, dass der Fluss Aland bei Elbhochwasser rückwärts fließt. Ein Teil der Wische gehört zur Verbandsgemeinde Seehausen (Altmark), und eine ihrer Mitgliedsgemeinden trägt passenderweise den Namen Altmärkische Wische. Die meisten Dörfer in dieser Region sind charakteristische Marschhufendörfer, eine Siedlungsform, die sich an die Entwässerungs- und Nutzungsstrukturen des Marschlandes anpasst.

Bereits ab 1150 bauten Holländer zwischen Altenzaun und Beuster einen Deich, der die Elbe von der Wische trennte und dort Ackerbau ermöglichte – ein früher Beleg für die menschliche Gestaltung dieser Landschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Arbeitskräftemangel zu verschlammten Gräben, was von 1958 bis 1962 in einem Jugendobjekt der FDJ behoben wurde, parallel zur Einführung von Viehzuchtprojekten zur Risikominimierung im Ackerbau.

Die geografische Lage der Wische, „zwischen zwei kleinen Kreisstädten Seehausen und Osterburg“ und „jenseits der Eisenbahnlinie Wittenberge-Stendal“, macht sie zu einem scheinbar abgelegenen Gebiet. Endler betont, dass ein „weiter Bogen der Elbe es nach Norden und Osten abschließt“, was die natürliche Isolation der Region zusätzlich verstärkt. Mit rund 17.000 Einwohnern und 30.182 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ist die Wische ein vorwiegend agrarisch geprägtes Gebiet, das von Touristen oft gemieden wird, obwohl es „eins der merkwürdigsten landschaftlichen Gebiete“ ist.

Die landschaftlichen Kontraste, die Endler beschreibt, sind faszinierend. Während die Wische selbst „wie ein trübes Auge“ wirken kann, liegt im Rücken der „Höhe“ – der Arendseer Hochfläche – eine „schön gewellte Hügellandschaft“, die später in die Lüneburger Heide übergeht. Jenseits der Elbe erhebt sich der Dom von Havelberg, umgeben von Kiefernwäldern und Seen, die ein völlig anderes Landschaftsbild bieten. Diese Gegenüberstellung von „Höhe“ und „Wische“ verdeutlicht die Vielfalt der angrenzenden Regionen. Trotz der Herausforderungen ist die Wische auch ein Lebensraum für viele Tiere; hier leben zahlreiche Falken und Weißstörche, die das Landschaftsbild prägen.

Basierend auf Adolf Endlers Beschreibungen und den Besonderheiten der Wische lässt sich ein spannender Reiseplan für eine Erkundungstour erstellen, die besonders für jemanden aus der niedersächsischen Elbtalaue interessant sein dürfte, da sie vergleichbare Naturphänomene aufweist.

Wichtiger Hinweis vorab: Endlers Bericht stammt aus dem Jahr 1958. Die Infrastruktur hat sich seitdem partiell verbessert, aber die grundsätzliche Natur der Wische mit ihren Bodeneigenschaften und der potenziellen Abgeschiedenheit bleibt bestehen. Gummistiefel sind nach wie vor ein absolutes Muss, besonders in den nassen Monaten!

Vorbereitung und Anreise

  • Beste Reisezeit: Ende des Frühjahrs oder im Spätsommer/Frühherbst, wenn der „Wischedreck“ nicht zu extrem ist und die Wege noch passierbar sind. Endler beschreibt die widrigen Bedingungen im Tauwetter, die Sie vermeiden sollten.
  • Ausrüstung:
    • Unbedingt Gummistiefel! Oder andere wasserdichte, robuste Schuhe, die schmutzig werden dürfen.
    • Robuste, wetterfeste Kleidung.
    • Eine detaillierte Karte der Region (digitale Karten mit Offline-Funktion sind empfehlenswert, da der Empfang lückenhaft sein kann).
    • Powerbank für elektronische Geräte.
    • Verpflegung und ausreichend Getränke, da die Infrastruktur dünn sein kann.
    • Ein Fahrrad kann eine Option sein, aber seien Sie auf Schiebepassagen und „Wischdrecks“-Herausforderungen gefasst, wie Endler sie beschreibt. Ein Mountainbike mit breiten Reifen wäre hier vorteilhafter als ein Rennrad.
  • Anreise:
    • Mit dem Auto ist die Wische über die Landstraße zwischen Seehausen und Osterburg oder die B107 von Wittenberge aus erreichbar.
    • Die nächste größere Bahnstation ist Stendal oder Wittenberge. Von dort aus kann man öffentliche Verkehrsmittel oder ein Taxi nutzen, um in die Region zu gelangen.

Erkundungstour: Den Spuren Endlers folgen

Die Tour konzentriert sich auf die Erfahrungen, die Endler gemacht hat, und die Eigenheiten der Wische.

  • Startpunkt: Seehausen (Altmark) oder Osterburg (Altmark). Diese beiden Kleinstädte bilden die „Kreisstädte“ Endlers und sind gute Ausgangspunkte.
  • Fokus: Die Suche nach Wegen und Brücken.
    • Endlers Rat: „Du musst dich immer nach den Brücken richten!“ Nehmen Sie diese Empfehlung ernst. Erkunden Sie die kleinen Wege und Feldwege, die von den Hauptstraßen abzweigen. Achten Sie auf die kleinen Brücken und Stege, die Endler als Orientierungspunkte nutzte. Diese könnten immer noch die besten Indikatoren für passierbare Abschnitte sein.
    • Erleben Sie den „Wischedreck“: Suchen Sie gezielt Wege abseits der asphaltierten Straßen. Es ist wichtig, Endlers Beschreibung des Bodens selbst zu erleben, um die Besonderheit der Wische wirklich zu erfassen. Planen Sie ein, dass Sie Ihr Fahrrad eventuell schieben oder tragen müssen, so wie Endler es tat.
    • Die „verschluckten“ Wege: Halten Sie Ausschau nach Stellen, wo Wege abrupt enden oder in matschigem Gelände verschwinden. Dies verdeutlicht Endlers Schilderung der „verschwundenen“ Wege.
  • Entdeckung der „Büschchen“ und Wassergräben:
    • Wandern oder fahren Sie durch die offene Landschaft, um die kleinen Wäldchen („Büschchen“), Hecken und Weiden zu entdecken, die die weite Ebene gliedern.
    • Achten Sie auf die zahlreichen Entwässerungsgräben, die die Landschaft durchziehen und deren Wasser „grau“ sein kann, wie Endler bemerkt. Diese Gräben sind entscheidend für die Entwässerung des ehemaligen Überschwemmungsgebietes.
  • Kontrast zur „Höhe“:
    • Fahren Sie, wenn möglich, in Richtung der Arendseer Hochfläche („Höhe“). Dies ermöglicht es Ihnen, den landschaftlichen Gegensatz zwischen der flachen Wische und der „schön gewellten Hügellandschaft“ zu erleben, die später in die Lüneburger Heide übergeht. Der Arendsee selbst ist, wie Endler erwähnt, ein lohnendes Ziel für eine kurze Rast.
  • Der Blick zur Elbe und nach Havelberg:
    • Fahren Sie in Richtung der Elbdeiche, etwa 20 Kilometer von der Wische entfernt. Hier können Sie die Weite der Elbe erleben.
    • Wenn die Zeit und das Interesse es zulassen, nehmen Sie die Fähre bei Werben über die Elbe, um den Blick auf den Dom von Havelberg zu genießen, der „seine burgähnliche Stirn hoch“ hebt. Dies bietet einen faszinierenden Kontrast zu der flachen Wische und einen Einblick in die angrenzende Region des Havellandes.

Reflexion und Anpassung

  • Planänderungen akzeptieren: Endler musste seine Verabredung vergessen und sein Fahrrad tragen. Seien Sie bereit, Ihren Zeitplan anzupassen und unvorhergesehene Hindernisse als Teil des Erlebnisses zu sehen. Die Wische lehrt Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit.
  • Begegnungen mit Einheimischen: Wenn sich die Gelegenheit bietet, sprechen Sie mit den Menschen vor Ort. Sie können Ihnen sicherlich Geschichten über den „Wischedreck“ und das Leben in dieser besonderen Landschaft erzählen, ähnlich dem erfahrenen Traktoristen, den Endler zitiert.

Diese Erkundungstour der Wische wird Ihnen nicht nur die Landschaft näherbringen, sondern auch ein tieferes Verständnis für Adolf Endlers eindringliche Beschreibung dieser einzigartigen Region vermitteln.

Sind Sie bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen und die Wische auf Ihre eigene Weise zu entdecken?


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