Werner Ruhner, geboren 1954 in Dresden, zählt zu den prägendsten Illustratoren Deutschlands im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur sowie der phantastischen Erzählungen. Seine Arbeiten, geprägt von subtiler Dramatik und emotionaler Tiefe, haben Klassiker wie Otfried Preußlers Krabat und Die kleine Hexe visuell neu interpretiert und generationenübergreifend Leser:innen begeistert.
Ruhner, in der DDR aufgewachsen, studierte an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste, einer Hochburg traditioneller Mal- und Zeichentechniken. Diese Ausbildung prägte seinen Stil: akribische Linienführung, meisterhafte Lichtsetzung und eine Vorliebe für narrative Details. Nach dem Mauerfall erlangte er bundesweite Anerkennung, blieb seiner handwerklichen Ästhetik jedoch stets treu.
Ruhners Schaffen ist von Hingabe zum Material und zum Text geprägt. Er arbeitet vornehmlich mit Tusche, Aquarell und Gouache, wobei er Skizzen oft monochrom anlegt und später mit lasierenden Farbschichten atmosphärische Tiefe schafft. „Jede Illustration muss das Unsichtbare des Textes sichtbar machen“, betont er. Seine Herangehensweise ist dialogisch: Er liest Werke mehrfach, um deren „emotionale Landkarte“ zu erfassen, bevor er erste Entwürfe anfertigt.
Kollaboration mit Autor:innen und Verlagen beschreibt er als „Tanz zwischen Respekt und Eigenständigkeit“. So entwickelte er für die Neuauflage von Preußlers Krabat (2008) Bilder, die düster-mystische Stimmungen durch kräftige Schwarz-Weiß-Kontraste und zerklüftete Schraffuren einfangen, ganz im Einklang mit der düsteren Sage um Macht und Erlösung.
Beispiele
„Das kleine Gespenst“ (Otfried Preußler)
Nachtblau und Silbergrau dominieren diese Bilder. Ruhner setzt milchige Gouache-Flecken ein, um das Gespenst im Mondschein schimmern zu lassen, während architektonische Details der Burg Eulenstein an altmeisterliche Radierungen erinnern – eine Hommage an seine Dresdner Ausbildung.
„Krabat“ (Otfried Preußler)
Ruhners Illustrationen zur Teufelspakt-Saga zeigen seine Fähigkeit, Unheimliches zu visualisieren. In einer Schlüsselszene, in der Krabat den Meister der Mühle im Mondlicht konfrontiert, nutzt er dramatische Schattenwürfe, um die bedrohliche Autorität des Meisters zu betonen. Die Mühlenwände wirken durch feine Kreuzschraffuren lebendig, fast als atmeten sie mit der Handlung.
„Die kleine Hexe“ (Otfried Preußler)
Hier wechselt Ruhner zu einer verspielteren Palette. Die Titelfigur schwebt auf ihrem Besen vor einem pastellfarbenen Abendhimmel, umgeben von Vögeln mit karikaturesken Gesichtern. Die Aquarelltechnik verleiht den Szenen Leichtigkeit, während präzise Tuschelinien komische Details wie die wirbelnde Schleppe der Hexe einfangen.
Ruhner versteht Illustration als Dienst am Text: „Ein Bild darf nicht schreien, wo der Text flüstert – es muss den Leser ins Buch hineinziehen, ohne ihm die Vorstellung zu rauben.“ Seine Liebe zum Detail zeigt sich auch in Randmotiven: In Krabat verweben sich Mühlräder mit slawischen Ornamenten, eine Referenz an die sorbische Mythologie der Vorlage.
Werner Ruhners Werk steht für eine Brücke zwischen Tradition und Moderne. Seine Bilder, stets im Dialog mit dem Text, bereichern die literarische Vorlage, ohne sie zu dominieren. Ausstellungen wie 2019 in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig ehren ihn als „Chronisten der kindlichen Imagination“. Wie kaum ein anderer versteht er es, mit Pinsel und Feder Welten zu schaffen, die lange nach dem Zuklappen des Buches im Gedächtnis bleiben.
„Die Magie liegt im Unfertigen – im Raum, den die Linie dem Betrachter lässt“, resümiert Ruhner. Eine Maxime, die sein Schaffen unverwechselbar macht.