Entdeckt habe ich Elisabeth Wesuls in einer alten Ausgabe der ndl – neue deutsche literatur. In Heft 1 von 1981 fand sich ein Essay von ihr mit dem Titel „Sich einlassen auf das Langwierige“ über den Prozess des Schreibens sowie einige Gedichte. Ihre Metaphern fand ich interessant und wollte mehr lesen. So stieß ich auf das Poesiealbum mit ihren Texten, einige Zeit später auf den Band aus der Corvinus Presse.
Biografisches | Elisabeth Wesuls wurde am 23. Dezember 1954 in Kemtau (heute Eibenberg) im Erzgebirge geboren. Nach dem Zehnklassenabschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur Chemielaborantin in Jena, studierte anschließend Chemie in Berlin und arbeitete als Chemieingenieurin. Später war sie auch als Pförtnerin tätig. Heute arbeitet sie als Heilpraktikerin in Berlin.
Sie ist mit dem Lyriker, Fotografen und Literaturwissenschaftler Gerd Adloff (*1952) verheiratet. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder und treten gelegentlich gemeinsam bei Lesungen auf. Lebensmittelpunkt: Berlin.
Die (mir bekannten) Veröffentlichungen

Poesiealbum 216 (1985/86)
Ihre erste Veröffentlichung erschien in der renommierten Reihe Poesiealbum des Verlags Neues Leben. Das Heft enthält 31 Seiten Gedichte, illustriert mit Grafiken von Gudrun Gierke. Dorothea von Törne schrieb im Miniatur-Vorwort von einer „sensiblen und verletzlichen jungen Frau“, die „begabt fürs Tragikomische“ arbeite. Die Gedichte bewegen sich zwischen Naturbeobachtung und Alltagserfahrung, zwischen dem Dorf und der Stadt.
Und im Kopf wuchern Wiesen (2020)
Der zweite Band erschien bei der Corvinus Presse – ein bibliophil gestaltetes Buch mit japanischer Bindung und drei Linolschnitten von Marcela Miranda. Er versammelt 48 Gedichte, geschrieben zwischen 1979 und 2019. Siegfried Nucke beschreibt im signaturen magazin, wie die Gedichte „langsam in den Jahren voran“ schreiten, der Ton zunehmend „sarkastisch“ werde, die Sprachspiele „bitter und bös“.
Blassgrau wie Tauben (2024)
Der dritte Band – Blassgrau wie Tauben. Miniaturen von 1979 bis 2022 mit acht farbigen Zeichnungen von Sabine Peukert – umfasst mehr als vier Jahrzehnte Schreibarbeit.
Sowie verschiedene Beiträge in Magazinen wie NDL, Sinn und Form.
Erste Eindrücke
Aus den wenigen verfügbaren Rezensionen lässt sich ein erstes Bild zusammensetzen: Wesuls arbeitet mit präzisen, oft rätselhaften Bildern aus dem Alltag. Siegfried Nucke spricht von „rätselhaft klaren Bildern“ – die Bilder sind greifbar (grüne Gläser, Wohnungen mit Küche, Bad, zwei Zimmern), öffnen sich aber zugleich ins Mehrdeutige.
Die Tonlage wird als leise und zurückhaltend beschrieben. Robert Miessner betont in der taz die „Zeitlosigkeit“ der Texte – sie seien keine bloßen Zeitdokumente der DDR, obwohl sie von dort ausgehen.
Das Schlussgedicht „HERKUNFT“ aus Und im Kopf wuchern Wiesen endet mit den Zeilen: „Liebster, wenn du nicht / den Arm um mich legtest, / ich wüsste nicht, / wer ich bin.“
Die drei vorliegenden Bände – Poesiealbum 216 (1985/86), Und im Kopf wuchern Wiesen (2020) und Blassgrau wie Tauben (2024) – bilden den Ausgangspunkt für die weitere Beschäftigung mit dieser Autorin. Die eigentliche Annäherung erfolgt nun durch die Lektüre selbst.
Quellen
Primärliteratur
Elisabeth Wesuls:
- Poesiealbum 216. Mit Grafiken von Gudrun Gierke und einem Nachwort von Dorothea von Törne. Berlin: Verlag Neues Leben, 1985 [bzw. 1986]
- Und im Kopf wuchern Wiesen. Mit Linolschnitten von Marcela Miranda. Berlin: Corvinus Presse, 2020
- Blassgrau wie Tauben. Miniaturen von 1979 bis 2022. Mit 8 farbigen Zeichnungen von Sabine Peukert. Berlin: Moloko Print, 2023
Gerd Adloff:
- Ist die Musik zu laut? Mit Zeichnungen von Kay Voigtmann. Berlin: Corvinus Presse, 2022
Sekundärliteratur
Rezensionen und Porträts:
- Miessner, Robert: „Elitär ist das übrigens nicht. Was ist anstrengender, acht Stunden lang Stanzen dichten oder dicht an einer Stanze arbeiten? Die Dichter Elisabeth Wesuls und Gerd Adloff lasen am Dienstag in der Babinischen Republik aus ihren aktuellen Büchern“. In: taz, 22.09.2022
- Nucke, Siegfried: „Und im Kopf wuchern Wiesen. Zwei Gedichtbände von Elisabeth Wesuls“. In: signaturen magazin, o.J. [Online verfügbar]
- o.V.: Ankündigung der Lesung in der Babinischen Republik. In: Neues Deutschland (nd.DerTag), 20.11.2021 [via PressReader]
Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu meinen Lektürenotizen der drei Gedichtbände von Elisabeth Wesuls.

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