Kategorie: LeseProjekte
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Marina Büttner – Jüdischer Friedhof Weißensee
Annähernd gelesen | Gedichtlektüre und Kontext. Das 1-strophige Gedicht von Marina Büttner verdichtet eine Momentaufnahme auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee zu einer Folge von starken, teils naturrohen Bildern, in denen persönliche Erschütterung und historische Schwere ineinanderfließen. Zwischen verwitterten Steinen, Symbolen und Zeichen des Verfalls verhandelt es die Beziehung von Zeit, Wahrheit und Erinnerung. Der Jüdische…
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Die Bibliogenie – Eine Skizze der Bücherzeugung nach Georg Christoph Lichtenberg
Im späten 18. Jahrhundert, als das gedruckte Wort in Europa zu einer Flut anwuchs, entwarf Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) ein kleines, satirisch zugespitztes Gedankenspiel: die Bibliogenie, die „Zeugung der Bücherwelt“. Er verstand darunter eine Art Naturgeschichte der Entstehung von Büchern – nicht im Sinne von Papier, Druck und Bindung, sondern als geistiger Fortpflanzungsprozess. In seinen…
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Heil
Annähernd gelesen | Ilse Chamiers Gedicht reflektiert ihre Erfahrungen als Kindergartenkind im nationalsozialistischen Deutschland. Dabei verbindet sie Erinnerungen an Rituale, religiöse Erziehung und Kriegsrealität zu einer erschütternden Collage – ruhig im Ton, aber tiefgründig in der Aussage. Die sprachliche Einfachheit kontrastiert mit der Komplexität des Erlebten. Politische und religiöse Rituale – Spiegelungen von Macht Schon…
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Das erste Buch: Eine Anthologie über literarische Debüts
Renatus Deckerts „Das erste Buch. Schriftsteller über ihr literarisches Debüt“, erschienen 2007 im Suhrkamp Verlag, ist eine Anthologie, die sich der Bedeutung des ersten veröffentlichten Werks von Autoren widmet. Für dieses Projekt bat Deckert fast einhundert deutschsprachige Schriftstellerinnen und Schriftsteller, ihre Gedanken und Erfahrungen zu ihrem Debüt in einem Text zu formulieren, oft Jahrzehnte nach…
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Illustrierte Texte – Das Miteinander von Wort und Bild
Mein Interesse für die Verbindung von Text und Bild besteht seit langem. Im Fokus stehen dabei weniger klassische Comics, sondern vielmehr illustrierte Literatur. Eine besondere Faszination entwickelte ich für die Buchgestaltung der ehemaligen DDR. Der Fund illustrierter Abenteuergeschichten in einem öffentlichen Bücherschrank zeigte mir eine gestalterische Qualität, die mir bis dahin unbekannt war.Ergänzend stieß ich…
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Ein rotes Kreuz, das sein Schicksal besiegelt.
Sasha Filipenko | Rote Kreuze. Ein Roman Ich mag selten Sachbücher. Lieber ist es mir, Wissen aus Romanen zu sammeln. Da geschieht meist eher unbewusst, leicht und nachhaltiger, weil ich für dieses dann eine Verknüpfung habe. Wie viel man für sich mitnehmen kann, hängt vom Lesestoff ab. Das Buch, welches ich hier vorstelle, ist ein…
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Kurt Marti | Zärtlichkeit & Schmerz
«Jeder Terror rechtfertigt sich mit objektiver Notwendigkeit. Um so mehr gilt es, unbeirrt subjektiv zu sein.» Kurt Marti Dieses Buch von Kurt Marti aus dem Jahre 1979 trägt den Titel : Zärtlichkeit und Schmerz | Notizen. Die Formulierung wirkt auf eine überraschende, fast provokative Art emotional und subjektiv, was umso mehr auffällt, als der Autor sonst…
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Kultur im deutschen Programm des Radio London während der NS-Zeit
Adolf Endler beschreibt in seinem ersten Kapitel „Frühe Kindheit“ eindrücklich das heimliche Hören ausländischer Sender, wobei ihn besonders Radio London faszinierte. Die BBC hatte bereits früh mit fremdsprachigen Sendungen begonnen: Der erste Dienst startete am 3. Januar 1938 auf Arabisch. Ab dem 27. September 1938 folgten Sendungen auf Deutsch, Italienisch und Französisch, die in der kritischen Phase…
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Otto F. Walter – Wie wird Beton zu Gras
Otto F. Walters Roman Wie wird Beton zu Gras? (erstmals 1979 erschienen, hier in der Rororo-Taschenbuchausgabe von 1988 vorliegend) wird zur ökologischen Literaturbewegung der späten 1970er Jahre gezählt. Im Zentrum steht der Stadtplaner Viktor B., ein zerrissener Antiheld, der täglich an der Transformation natürlicher Landschaften in betonierte Stadt- und Industrieflächen mitwirkt. Sein Beruf steht im fundamentalen Konflikt mit seinem wachsenden…
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Wenn die Hände denken.
Du musst deinem Leben Hände geben. Das Gedicht „RATLOS„von Jürgen Völkert-Marten schlägt mir entgegen wie eine kalte Wand. Eine Litanei des Erstickens: Strick. Pistole. Schlaftabletten. Eine Aufzählung von Auswegen, die keine sind, sondern Sackgassen, Abgründe. Ausreißen. Neu anfangen. Schluß machen. Leben fortwerfen. Die Verzweiflung ist greifbar in ihrer sprachlichen Kargheit. Keine Bilder, nur nackte Substantive, Verben des Endens oder…