Himbeeren - Valerie Zichy

Himbeeren – Valerie Zichy

Himbeeren präsentiert sich als experimentelle Autofiktion, die in einem fortlaufenden, fast mantra-artigen Duktus die Grenzen zwischen realem und fiktivem Ich auslotet. Die Autorin arbeitet mit der repetitiven Formel „das ich“, wodurch eine distanzierende Objektivierung der eigenen Subjektivität entsteht.

Die Kürzestprosa oszilliert zwischen alltäglichen, körperlichen Details (Himbeeren essen, Regelschmerzen, heiße Schokolade trinken) und existenziellen Reflexionen über Identität und Authentizität. Dabei entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem „ich ist ich“ und „das ich ist nicht ich“, das die grundsätzliche Frage nach der Darstellbarkeit von Selbst in der Literatur aufwirft.

Besonders bemerkenswert ist die selbstreflexive Dimension: Das schreibende Ich thematisiert explizit seine eigene Textualität („das ich wohnt in einem text“) und seine Vergänglichkeit („das ich verlässt diesen text“). Die Enumeration persönlicher Eigenschaften und Gewohnheiten – von konkreten Tätigkeiten bis hin zu emotionalen Zuständen wie Weltüberforderung und Klimaangst – zeichnet ein fragmentiertes Porträt zeitgenössischer Subjektivität.

Der Text endet mit einer paradoxen Bewegung: Das textuelle Ich, das zunächst als „hier“ und als „autofiktion“ etabliert wird, erklärt sich schließlich als „nicht hier“ und „immer woanders“ – ein poetisches Statement über die Flüchtigkeit und Ungreifbarkeit von Identität in der literarischen Darstellung.


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