Basierend auf Johannes Ittens Wahrnehmung einer Distel sind mir folgende praktische, erkundende Aktivitäten eingefallen, um einen Zugang zu dieser verkopften Auseinandersetzung zu finden:
Sinnessynästhesie-Experiment
Material: Distel (frisch/getrocknet), Zeichenblock, Farbstifte/Aquarell, Klanginstrumente (z.B. Glockenspiel).
Aktion: Betrachte die Distel 3 Minuten schweigend. Notiere Adjektive für Form (zerklüftet, explosiv), Bewegung (stachlig, abwehrend) und Emotion (wild, ungezähmt).
Übersetze diese Eindrücke:
Visuell: Male Linien, die Ittens „zerrissene Bewegung“ zeigen – mit abrupten Richtungswechseln.
Akustisch: Finde Geräusche/Töne, die zur „scharfen Spitzigkeit“ passen (z. B. kurze, spitze Klänge).
Entdeckung: Wie beeinflussen taktile Eigenschaften andere Sinne? Fühlt sich „scharf“ auch „hell“ an?
Bewegungs-Choreografie
Inspiration: Ittens Beschreibung der „motorischen Nerven“.
Aktionen:
Körperreaktion: Stehe auf und imitiere die Distel:
Phase 1: „Zerrissenheit“ – abruptes Unterbrechen von Bewegungen (z. B. Gehen ➔ plötzliches Einfrieren).
Phase 2: „Spitzigkeit“ – Arme/Finger wie Stacheln explosiv nach außen stoßen.
Tanz der Distel: Kombiniere die Bewegungen zu einer kurzen Sequenz.
Entdeckung: Spiegelt deine Bewegung Ittens „Wesen der Distel“? Wo im Körper spürst du ihren Widerstand?
Material-Transformation
Material: Distel, weiche Materialien (Wolle, Ton, Seide), Draht, Sandpapier.
Aktion:
Kontrast-Studie: Forme das „Wesen der Distel“ aus gegensätzlichen Materialien:
Beispiel 1: Weiche Wolle ➔ Wie zeigst du „Scharfheit“ durch sanftes Material?
Beispiel 2: Glatter Ton ➔ Ritze „zerrissene“ Linien mit einem Nagel.
Vergleich: Lege dein Werk neben die echte Distel. Was fehlt? Was gewinnt es?
Entdeckung: Kann Abstraktion das Wesen deutlicher zeigen als die Realität?
Poetische Wesensschau
Inspiration: „Mein Geist schaut ihr Wesen“.
Aktion:
Perspektivwechsel: Schreib einen Brief aus Sicht der Distel an den Wind:
„Du zerrst an mir, doch ich breche nicht – ich zerspanne dich in tausend Widerhaken…“
Haiku-Komposition: Verdichte Ittens Sinneseindrücke in 3 Zeilen:
Stacheln im Licht /
Zucken vor dem Vogelzug /
Zerrissene Faust
Entdeckung: Erfasst Sprache das „Erleben“ besser als Berührung?
Kernidee für alle Aktivitäten:
- Multisensorik: Verbinde immer 2+ Sinne (Sehen + Hören, Tasten + Sprache).
- Abstraktion: Übersetze das Konkrete ins Symbolische (Bewegung/Material/Text).
- Selbstreflexion: Halte nach jeder Übung fest: „Wie hat sich mein Distel-Erleben verändert?“
Ittens Text körperlich erfahrbar machen, indem ich die Distel als künstlerisches Forschungsobjekt behandeln. Die „sprunghafte Bewegung“ wird zur Choreografie, die „Spitzigkeit“ zum Klangexperiment, das „Wesen“ zur Materialbefragung. Hm…
