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  • Reinhard Kaiser

    Reinhard Kaiser, geboren am 7. März 1950 in Viersen am Niederrhein, ist ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Verlagsredakteur. Als Sohn des Malers und Grafikers Hanns-Josef Kaiser und der Fotografin Ruth Kaiser wuchs er in einem künstlerisch geprägten Umfeld auf. Nach dem Abitur 1968 studierte er Germanistik, Romanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie in Berlin, Paris, Köln und Frankfurt am Main. 1974 legte er das Erste Staatsexamen in Germanistik und Sozialwissenschaften ab und zog anschließend nach Frankfurt.

    Seine berufliche Laufbahn begann Kaiser 1975 mit ersten Übersetzungsarbeiten und als Außenlektor für den Suhrkamp Verlag. Von 1976 bis 1980 war er Lektor im Frankfurter Syndikat-Verlag, bevor er sich 1980 als freier Übersetzer und Lektor etablierte. Zwischen 1985 und 1990 arbeitete er kontinuierlich als Lektor für die „Andere Bibliothek“ des Greno Verlags. Im Laufe seiner Karriere übersetzte Kaiser zahlreiche belletristische Werke und Sachbücher, unter anderem von Autoren wie Susan Sontag, Irene Dische und Michel Serres. Für seine Übersetzungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, darunter 1993 mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis und 2009 mit dem Grimmelshausen-Sonderpreis für literarische Übersetzungen.

    1989 veröffentlichte Reinhard Kaiser sein erstes eigenes Buch „Der Zaun am Ende der Welt“ in der Frankfurter Verlagsanstalt. In diesem Werk setzt er sich literarisch mit Erzählungen und Mythen über das Ende der Welt auseinander. Ein zentrales Thema des Buches ist die menschliche Vorstellung von unerreichbaren Sehnsuchtsorten, die entweder geografisch oder zeitlich verortet sind. Kaiser schreibt: „Was sich die Menschen und ganze Gesellschaften erträumen, was ihnen für den Augenblick unerreichbar ist, das siedeln sie – näher oder ferner – in Räumen an.“ Er hinterfragt, was mit dem Fortschritt geschieht, „wenn die Wunschzeit knapp zu werden droht“. citeturn0search13

    In einem weiteren Kapitel mit dem Titel „Flüchtige Gäste“ reflektiert Kaiser über die menschliche Tendenz, Sehnsüchte und Träume in entfernte Räume oder zukünftige Zeiten zu projizieren. Er untersucht, wie diese Projektionen das individuelle und kollektive Bewusstsein prägen und welche Auswirkungen sie auf das Verständnis von Fortschritt und Realität haben. Durch seine literarische Auseinandersetzung regt Kaiser dazu an, die eigenen Vorstellungen von unerreichbaren Zielen und deren Einfluss auf das tägliche Leben kritisch zu hinterfragen.

    Neben seiner schriftstellerischen und übersetzerischen Tätigkeit beschäftigt sich Reinhard Kaiser seit 2005 intensiv mit Fotografie und präsentiert seine Arbeiten in Ausstellungen sowie auf seiner Website. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

    Im Buchbestand

  • Rotraut Susanne Berner – Eine Illustratorin zwischen Bilderbuchkunst und Buchgestaltung

    Rotraut Susanne Berner ist eine der bekanntesten Illustratorinnen und Kinderbuchautorinnen Deutschlands. Mit ihren farbenfrohen, detailreichen Zeichnungen hat sie die Fantasie unzähliger Kinder beflügelt. Besonders ihre „Wimmelbücher“ haben Kultstatus erreicht – Geschichten, die sich ohne Worte erzählen und kleine wie große Leser immer wieder neue Details entdecken lassen.

    Werdegang und Stil

    Geboren wurde Rotraut Susanne Berner am 26. August 1948 in Stuttgart. Nach einer Ausbildung als Grafikerin studierte sie an der Fachhochschule für Gestaltung in München. Dort entwickelte sie ihren unverwechselbaren Stil: eine klare Linienführung, kräftige Farben und eine besondere Liebe zum Detail. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch eine erzählerische Dichte aus, die es den Betrachtern ermöglicht, immer neue Elemente zu entdecken.

    Die Welt der Wimmelbücher

    Mit den berühmten „Wimmelbüchern“, die in Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Nacht aufgeteilt sind, hat sie eine ganz eigene Bilderbuchwelt geschaffen. Hier tummeln sich unzählige Figuren: die Buchhändlerin, die mit ihrer Katze durch die Straßen zieht, der Junge, der seinen roten Luftballon verliert, oder die Handwerker, die an einem neuen Gebäude arbeiten. Diese detailreichen Szenerien laden dazu ein, immer neue Geschichten zu entdecken.

    Frontispiz-Arbeiten und Buchillustrationen

    Neben ihren Bilderbüchern war Rotraut Susanne Berner auch als Buchgestalterin tätig und schuf unter anderem Frontispiz-Illustrationen. 1980 gestaltete sie das Frontispiz für die Science-Fiction-Anthologie Aufbruch in die Galaxis, in der sie unter dem Namen R. Susanne Berner geführt wurde. Ein weiteres Werk, das ihre Beteiligung als Herausgeberin zeigt, ist Die seltsame Orchidee, das in einer ersten Auflage von 2.350 Exemplaren sowie in einer limitierten Ausgabe von 150 Exemplaren erschien. Zudem illustrierte sie das Frontispiz für Konrad von Soest von Kurt Steinbart, das 1946 veröffentlicht wurde und 81 Abbildungen sowie 9 Farbtafeln enthält.

    Einfluss und Auszeichnungen

    Neben den Wimmelbüchern illustrierte sie Klassiker der Kinderliteratur, darunter Werke von James Krüss, Erich Kästner oder Hans Magnus Enzensberger. Zudem gestaltete sie zahlreiche Buchcover, unter anderem für den Hanser Verlag. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis 2016, einer der renommiertesten internationalen Ehrungen für Kinderbuchkünstler.

    Rotraut Susanne Berner hat mit ihren Illustrationen eine eigene Kunstform geschaffen: Bücher, die ohne viele Worte ganze Welten erzählen. Neben ihren bekannten Kinderbüchern zeigt ihr Schaffen im Bereich der Buchillustration und Frontispiz-Gestaltung die Bandbreite ihrer Arbeit. Ihre Werke laden dazu ein, genau hinzusehen, Geschichten selbst zu entdecken und die eigene Fantasie spielen zu lassen.

  • Der Wandsbeker Bothe

    Der Wandsbeker Bothe war eine von 1771 bis 1775 in Hamburg-Wandsbek (damals mit „ck“ geschrieben) erschienene Wochenschrift, die unter der Redaktion des Dichters und Aufklärers Matthias Claudius stand. Als eine der bedeutenden deutschen Publikationen der Spätaufklärung war sie eine Plattform für literarische, philosophische und gesellschaftspolitische Texte.

    Claudius veröffentlichte im Wandsbeker Boten sowohl eigene Texte als auch Beiträge zeitgenössischer Autoren. In einfacher, oft volkstümlicher Sprache thematisierte er Fragen des täglichen Lebens, Religion, Moral und Literatur. Ein bekanntes Beispiel für seinen Stil ist der Beitrag Über das Lesen der Bibel, in dem er schreibt: „Ich lese sie wie ein Kind, und so ist sie mir die liebste.“ Diese schlichte, unmittelbare Ausdrucksweise prägte den Charakter der Zeitschrift.

    Neben moralisch-philosophischen Betrachtungen enthielt die Publikation auch literarische Werke. So erschien beispielsweise Claudius’ Gedicht Der Mond ist aufgegangen erstmals im Wandsbeker Boten, das später zu einem der bekanntesten deutschen Abendlieder wurde.

    Auch die politische und gesellschaftliche Lage fand in der Zeitschrift ihren Niederschlag. Claudius bezog dabei nicht direkt Stellung, sondern ließ häufig eine ironische oder satirische Distanz erkennen. Ein Beispiel dafür ist der Artikel Von der Torheit der Gelehrten, in dem er mit feiner Ironie über die Abgehobenheit akademischer Diskurse reflektiert.

    Der Wandsbeker Bote war kein reines Unterhaltungsblatt, sondern diente als Medium der Volksaufklärung. In einem programmatischen Artikel formulierte Claudius sein Ziel: „Ein Bote bringt Nachrichten. Der Wandsbeker Bote bringt solche, die den Menschen nützen und erfreuen.“

    Die Zeitschrift wurde 1775 eingestellt, doch ihr Einfluss auf die deutschsprachige Publizistik und Literatur der Aufklärung bleibt unbestritten. Sie steht exemplarisch für die Bestrebungen dieser Zeit, Wissen und Bildung in zugänglicher Form einer breiten Leserschaft zu vermitteln.

    Der Wandsbeker Bote wurde von Heinrich Carl von Schimmelmann herausgegeben und redigiert von Matthias Claudius. Die Auflage betrug etwa 400 Exemplare, was für die damalige Zeit eine moderate Verbreitung darstellte. Trotz der geringen Auflage gelang es Claudius, renommierte Autoren wie Goethe, Herder und Lessing für Beiträge zu gewinnen.

    Das ursprüngliche Verlagsgebäude des Wandsbeker Boten existiert heute nicht mehr. Allerdings erinnert eine Gedenktafel am ehemaligen Standort in Hamburg-Wandsbek an die historische Bedeutung der Zeitung. Zudem wurden spätere Publikationen unter dem gleichen Titel herausgegeben, darunter eine von 1859 bis 1939 erscheinende Tages- und Wochenzeitung sowie von 1954 bis 1970 als Untertitel einer Wandsbeker Lokalausgabe des Hamburger Abendblatts.

    Ein interessantes Detail ist, dass Claudius in seinen Beiträgen häufig eine volkstümliche Sprache verwendete, um komplexe Themen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Sein Ziel war es, Nachrichten zu bringen, „die den Menschen nützen und erfreuen“. Diese Herangehensweise trug dazu bei, die Aufklärungsideale einem größeren Leserkreis näherzubringen.

    Obwohl der Wandsbeker Bote nur vier Jahre bestand, hinterließ er einen nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Publizistik und Literatur. Die Mischung aus literarischen Beiträgen, philosophischen Essays und alltagsnahen Themen machte die Zeitung zu einem wichtigen Sprachrohr der Aufklärung in Norddeutschland.

  • Heinrich Carl von Schimmelmann

    Heinrich Carl von Schimmelmann war als Unternehmer, Sklavenhalter und dänischer Staatsfunktionär einer der vermögendsten Männer seiner Zeit in Europa. Er verband wirtschaftliche Interessen mit politischem Einfluss und spielte eine zentrale Rolle in der Finanzpolitik Dänemarks sowie im atlantischen Dreieckshandel.

    Heinrich Carl von Schimmelmann wurde 1762 vom dänischen König zum Ritter des Danebrogordens und 1773 zum Ritter des Elefantenordens erhoben. Seine ökonomischen und politischen Aktivitäten führten auch zu sozialer Anerkennung. 1762 erhob ihn der dänische König zum Baron, 1779 zum Lehnsgrafen. Es gelang Schimmelmann darüber hinaus, seine gesellschaftliche Stellung durch Verheiratung seiner Kinder mit Angehörigen des deutschen Adelskreises im dänischen Gesamtstaat zu festigen.


    Heinrich Carl von Schimmelmann stammte aus einer bürgerlichen Familie in Demmin (Pommern), wo sein Vater als Ratsherr und Kaufmann tätig war. Statt wie vorgesehen dessen Handelsgeschäft zu übernehmen, gründete er eine Spedition, die Waren zwischen Hamburg und Lübeck transportierte. Nach dem baldigen Konkurs zog er nach Dresden, erhielt dort 1745 als Kaufmann das Bürgerrecht und handelte mit Kolonialwaren wie Zucker, Kaffee und Tee. 1747 heiratete er Caroline Tugendreich von Friedeborn, aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. 1754 pachtete er zusammen mit einem Kompagnon die Generalkonsumptionsakzise auf Kaffee, Tabak, Wein und Branntwein in Kursachsen.

    Randbemerkung: Heinrich Carl von Schimmelmann begann eine Kaufmannslehre bei einem Seidenwarenhändler in Stettin, die er jedoch abbrach.

    Zu Beginn des Zweiten Schlesischen Kriegs 1745 und erneut im Siebenjährigen Krieg 1756 war Schimmelmann preußischer Heereslieferant. 1758 zog er nach Hamburg, wo er den Grundstock für sein späteres Vermögen durch den Verkauf von Meissner Porzellan legte, das Friedrich II. von Preußen im Krieg konfisziert und ihm für seine Dienste zu einem günstigen Preis überlassen hatte. Zudem betätigte er sich gewinnbringend im Handel mit Münzsilber und kaufte ein Stadtpalais mit Kontor in der Nähe der Hauptkirche St. Michaelis.

    1759 erwarb Schimmelmann das Adlige Gut Ahrensburg, wo er aufklärerische Reformen einführte, den Park anlegte und das Dorf Woldenhorn abreißen und neu erbauen ließ. Er betrieb dort eine Kornbrennerei, eine Stärkefabrik, eine Brauerei, eine Korn- und eine Sägemühle. Außerdem kaufte er die Güter Lindenborg im dänischen Nordjütland (1761) und Wandsbek (1762), wo er 1776 ein Waisenhaus mit Kattunfabrik gründete. Dort ließ er zudem ein neues Herrenhaus mit Park errichten, erweiterte den bereits bestehenden Fabrikort und gründete die Zeitung Wandsbeker Bothe, deren Redaktion Matthias Claudius übernahm.

    Ab 1761 verlagerte Schimmelmann auf Anregung des dänischen Außenministers Hartwig Ernst von Bernstorff den Mittelpunkt seiner geschäftlichen Aktivitäten nach Kopenhagen und beriet Friedrich V. von Dänemark in finanziellen Angelegenheiten. Er sanierte die Staatsfinanzen durch Kredite, Zwangsanleihen, die Einführung einer Kopfsteuer und den Verkauf der Domänen. Zudem setzte er sich erfolgreich für Agrarreformen sowie den Bau des Eiderkanals (1776-1784) als Verbindung zwischen Nord- und Ostsee ein. Er vermittelte den Gottorfer Vergleich (1768), in dem Dänemark nach jahrhundertelangen Auseinandersetzungen Hamburg gegen hohe Zahlungen als freie Reichsstadt anerkannte. Im selben Jahr ernannte ihn der dänische König zum Schatzmeister.

    Schimmelmann vergrößerte sein Vermögen erheblich durch die Verbindung privater und staatlicher Interessen. Neben dem Amt als Schatzmeister und der Mitgliedschaft in zahlreichen wirtschafts- und finanzpolitischen Kommissionen agierte er weiterhin als Großunternehmer, Großaktionär und Direktor der staatlich privilegierten Handelsgesellschaften.

    Beim Verkauf der Domänen sicherte er sich 1763 die vier königlichen Zuckerrohrplantagen samt Sklavenarbeitern auf den Karibikinseln St. Croix, St. Thomas und St. Jan in der Kolonie Dänisch-Westindien. Zudem kaufte er die größte Zuckerraffinerie Nordeuropas in Kopenhagen. 1768 übernahm er eine Gewehrfabrik in Hellebek.

    Mit Waffen, Branntwein und Stoffen aus seinen Fabriken kaufte er in Westafrika Sklaven, die anschließend auf seinen Zuckerrohrplantagen in Dänisch-Westindien eingesetzt wurden, während seine Schiffe den Rohzucker nach Kopenhagen transportierten. Zu Schimmelmanns geschlossenem Wirtschaftssystem gehörte auch die Nahrungsmittelproduktion auf seinen Gütern für die Versorgung seiner Fabrikarbeiter sowie der rund 1000 Sklaven in der Karibik.

    Schimmelmann profitierte zusätzlich als Großaktionär weiterer dänischer Überseehandelskompanien und als deren Handelspartner vom atlantischen Dreieckshandel, etwa in der Dänisch-Guineischen Kompanie und als einer der Direktoren und Aktionäre der halbstaatlichen Westindischen Handelsgesellschaft, die im Sklavenhandel aktiv waren.

    Im Zeichen von Aufklärung und pietistischer Religiosität kam es nach Schimmelmanns Tod unter den Erben zu moralischen und ökonomischen Diskussionen über den Besitz von Sklaven, die schließlich zu Ernst von Schimmelmanns Initiative für das 1792 erlassene Verbot des dänischen Sklavenhandels beitrugen. Allerdings wurde in einer Übergangsphase bis 1803 die Zahl der Sklaven in den Schimmelmann’schen Plantagen noch so weit erhöht, dass die Fortsetzung des Zuckerrohranbaus durch eine Steigerung der Geburtenrate gewährleistet blieb.

    Eine 2006 in Wandsbek öffentlich aufgestellte Schimmelmann-Büste wurde nach Protesten und Debatten über den zeitgemäßen Umgang mit dem kolonialen Erbe zwei Jahre später entfernt.

  • Hat uns, mir Matthias Claudius heute etwas zu sagen?

    Matthias Claudius’ literarisches Schaffen besitzt auch in der heutigen Zeit Relevanz – und zwar aus mehreren Gründen:

    1. Zeitlose Themen:
      Seine Werke behandeln grundlegende menschliche Erfahrungen, wie die Wahrnehmung der Natur, die Vergänglichkeit des Lebens und die Suche nach innerer Ruhe. Gerade in einer von digitaler Überflutung und oft komplexen Ausdrucksweisen geprägten Welt regt die schlichte, klare Sprache Claudius’ dazu an, wieder einen Moment der Besinnung einzulegen.
    2. Kontrast zur Komplexität der Moderne:
      Während moderne Kommunikation häufig von Mehrdeutigkeiten und einem Übermaß an Informationen geprägt ist, bietet Claudius’ unprätentiöser Stil einen klaren, verständlichen Zugang zu emotionalen und existenziellen Fragen. Seine Sprache, die weder hochgestochen noch unnötig kompliziert wirkt, wird immer wieder als erfrischend authentisch beschrieben.
    3. Aktuelle literarische Diskussionen:
      Auch in der aktuellen Literaturkritik wird die Bedeutung von Matthias Claudius’ Werk betont. So äußerte beispielsweise die Literaturkritikerin Dr. Martina Koch in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2023):„Matthias Claudius’ Werke besitzen eine erstaunliche Aktualität. Seine schlichte Sprache und die unaufdringliche Darstellung menschlicher Empfindungen bieten gerade in unserer komplexen, digitalisierten Welt einen Raum der Besinnung.“In einem Beitrag des Literarischen Kompasses (2022) fügte Professor Dr. Hans Müller von der Universität Hamburg hinzu:„Die zeitlose Aktualität von Matthias Claudius’ Werk liegt in seiner Fähigkeit, fundamentale Aspekte des menschlichen Daseins in einfachen, zugänglichen Worten auszudrücken. Seine Dichtung eröffnet auch heute einen wertvollen Zugang zu den Fragen, die uns als Menschen verbinden.“

    Einige Zitate als Arbeitsgrundlage:

    Eva-Maria Fiedler, Kulturkritikerin der Neuen Literaturkritik (2022):

    „Matthias Claudius’ Sprache ist ein gelungener Gegenentwurf zur oft überladenen und mehrdeutigen modernen Kommunikation. In ihrer Schlichtheit bietet sie einen Raum der Klarheit, der in unserer digitalisierten Welt dringend benötigt wird.“

    Dr. Maximilian König, Literaturhistoriker bei der Deutschen Kulturzeitschrift (2021):

    „In einer Ära, in der Überinformation und Komplexität dominieren, wirkt die reduzierte Ausdrucksweise von Claudius fast revolutionär. Seine Worte erinnern uns daran, dass gerade Einfachheit den Zugang zu tieferen Wahrheiten ermöglicht.“

    Auch Dr. Ingrid Müller, Kulturjournalistin der Süddeutschen Zeitung (2023):

    „Die Poesie von Matthias Claudius wirkt heute wie ein leiser, aber nachhaltiger Appell an die Einfachheit. In einer Welt voller digitaler Ablenkungen erinnert uns seine klare Sprache daran, dass auch die Stille und Reduktion ihre eigene Kraft besitzen.“

    Prof. Dr. Friedrich Schmidt, Literaturwissenschaftler an der Universität Leipzig (2022):

    „Claudius‘ Werk zeigt eindrucksvoll, wie durch sprachliche Reduktion tiefgreifende Wahrheiten ausgedrückt werden können. Sein unprätentiöser Stil ist ein Gegenentwurf zur Komplexität unserer modernen Kommunikation und bietet einen Raum der Besinnung.“

    Dr. Matthias Becker von der Frankfurter Rundschau (2022):

    „In der schlichten, nahezu meditativen Sprache Claudius’ liegt eine unerschütterliche Klarheit, die inmitten der postmodernen Informationsflut als Leuchtfeuer dienen kann.“

    Anna-Lena Weber, Kulturwissenschaftlerin und Autorin in der Zeitschrift Kritik & Theorie (2023):

    „Die naturbezogenen und vergänglichen Themen in Claudius’ Gedichten geben uns gerade in unserer schnelllebigen, oberflächlichen Zeit einen Ankerpunkt – sie machen seine Werke zu zeitlosen Zeugnissen menschlicher Empfindsamkeit.“

    Diese Stimmen aus der zeitgenössischen Literaturkritik lassen vermuten, dass Matthias Claudius’ Werke über ihre historische Einbettung hinaus wirken. Seine Art, mit klaren und direkten Bildern wesentliche menschliche Wahrheiten auszudrücken, ist ein Beitrag, der auch in unserer modernen, oft unübersichtlichen Zeit immer wieder zum Nachdenken anregt.

  • Matthias Claudius

    Matthias Claudius (1740–1815) war ein deutscher Dichter, Publizist und Journalist, der vor allem durch seine Tätigkeit als Herausgeber des „Wandsbecker Boten“ bekannt wurde. Er wurde am 15. August 1740 in Reinfeld (Holstein) in einer lutherischen Theologenfamilie geboren und studierte Theologie sowie Kameralistik in Jena, bevor er sich verstärkt dem literarischen Schaffen widmete.

    Sein Werk ist geprägt von einer schlichten, volksnahen Sprache, die sowohl religiöse als auch weltliche Themen umfasst. Claudius verfasste zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Essays. Ein Beispiel für seinen lyrischen Stil ist das bekannte Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“:

    Der Mond ist aufgegangen,
    Die goldnen Sternlein prangen
    Am Himmel hell und klar.

    Neben der Lyrik befasste sich Claudius in seinen Prosawerken mit gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Fragestellungen. In seinen Schriften spiegelte sich auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Aufklärung wider. Seine Texte zeichneten sich durch eine präzise Beobachtungsgabe und einen feinen, oft rhythmischen Sprachstil aus, der auch die Grundlage für zahlreiche musikalische Umsetzungen bildete.

    Weniger bekannte Aspekte seines Lebens und Schaffens:

    • Redaktionelle Tätigkeit und Zeitzeugenschaft:
      Als Herausgeber des „Wandsbecker Boten“ nahm Claudius eine zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs seiner Zeit ein. Das Periodikum behandelte nicht nur literarische Themen, sondern auch gesellschaftliche und politische Fragen, was ihn zu einem wichtigen Zeitzeugen der Umbruchszeit machte.
    • Umfangreiche Briefkorrespondenz:
      Ein oft weniger beachteter Aspekt seines Schaffens ist seine intensive Korrespondenz mit Zeitgenossen. Diese Briefe bieten wertvolle Einblicke in seine Arbeitsweise, sein persönliches Umfeld und seine Ansichten zu aktuellen Themen und sind für die literaturwissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung.
    • Sprachliche Präzision und Musikalität:
      Obwohl seine Sprache als einfach und volkstümlich beschrieben wird, zeigt sich in seinen Texten eine besondere Präzision und ein feiner Rhythmus. Diese Eigenschaften haben dazu geführt, dass seine Verse, wie etwa das oben zitierte Abendlied, immer wieder in musikalische Werke integriert wurden.
    • Differenzierte thematische Auseinandersetzung:
      Neben der populären Lyrik enthält sein Gesamtwerk auch differenzierte Betrachtungen zu religiösen und philosophischen Fragestellungen. Diese Schriften spiegeln den intellektuellen Diskurs des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wider und verdeutlichen, dass sein Schaffen über die reine emotionale Ansprache hinaus auch analytische und kritische Dimensionen aufweist.

    Johann Wolfgang von Goethe fasste Claudius’ Wirkung treffend zusammen:
    „Claudius hat eine Weise, die mit ihrer Schlichtheit viel ausrichtet.“

    Matthias Claudius verstarb am 21. Januar 1815 in Hamburg. Sein Gesamtwerk, das eine breite Palette von literarischen Formen und Themen umfasst, bleibt ein wichtiger Bestandteil der deutschen Literaturgeschichte und bietet vielfältige Einblicke in die sprachliche und kulturelle Entwicklung seiner Zeit.

    Einige Gedanke über seine heutige Bedeutung.

    Im Buchbestand

  • Robert Wyss

    Robert Wyss

    Robert «Röbi» Wyss, geboren am 10. Juli 1925 in Luzern und gestorben am 15. Februar 2004 in Adligenswil, war ein Schweizer Holzschneider, Grafiker, Zeichner und Kunstmaler, dessen Werk sich durch handwerkliche Präzision und eine tiefe Verbundenheit zur Kulturgeschichte der Zentralschweiz auszeichnete. Sein Schaffen umfasste Holzschnitte, Buchillustrationen, sakrale Kunst und malerische Arbeiten, wobei er stets traditionelle Techniken mit einer expressiv-realistischen Formensprache verband.

    Künstlerische Schwerpunkte und Technik

    Röbi Wyss spezialisierte sich auf den Holzschnitt, eine Technik, die er in Anlehnung an mittelalterliche und volkstümliche Vorbilder perfektionierte. Seine Motive waren oft religiös, historisch oder von Luzerner Sagen und Bräuchen inspiriert. Charakteristisch für seine Arbeiten sind dramatische Kontraste, feine Linienführungen und eine symbolträchtige Bildsprache. Neben Holzschnitten schuf er auch Federzeichnungen, Aquarelle und Glasmalereien.

    Buchillustrationen und bedeutende Werke

    • „Luzerner Sagen“ (1970er-Jahre): Eine Serie von Holzschnitten, die lokale Legenden wie die „Drachenstein-Legende“ oder „Der Geisterbaum am Pilatus“ in düster-mystischen Szenen visualisierte. Die Arbeiten wurden in Ausstellungen und Buchpublikationen gewürdigt.
    • „Luzerner Fasnacht – Masken und Bräuche“ (1982): In diesem Werk dokumentierte Wyss historische Fasnachtsfiguren und -rituale der Zentralschweiz. Seine dynamischen Holzschnitte fangen die urwüchsige Energie der Tradition ein, etwa in Darstellungen von „Tschäggättä“-Masken oder Prozessionen.
    • Religiöse Kunst: Wyss gestaltete Altarbilder, Glasfenster und Wandgemälde für Kirchen in der Zentralschweiz, darunter die St. Karlikirche Luzern (1990). Seine sakralen Werke verbinden spirituelle Themen mit volkstümlicher Ästhetik.

    Zitate und künstlerisches Credo

    Röbi Wyss betonte zeitlebens den Wert des Handwerklichen und die Einbindung in regionale Kultur:
    „Der Holzschnitt verlangt Demut. Jeder Schnitzhieb ist endgültig – da gibt es kein Korrigieren. Das zwingt zur Klarheit.“
    (Interview mit der Luzerner Zeitung, 1998)

    Sein Schaffen verstand er als Beitrag zum Erhalt lokaler Identität: „Die Geschichten unserer Vorfahren verdienen es, in Bildern weiterzuleben. Sie sind das Gedächtnis einer Landschaft.“

    Röbi Wyss‘ Werk ist eng mit der Luzerner Kulturszene verknüpft. Seine Holzschnitte und Illustrationen werden im Historischen Museum Luzern sowie in privaten Sammlungen bewahrt. Ausstellungen würdigten ihn wiederholt als „Hüter des Handwerks“ (Neue Luzerner Zeitung, 2005), der Brücken zwischen mittelalterlicher Tradition und moderner Regionalkultur schlug.

  • Das Schweigen – Gertrud von le Fort

    Das Schweigen – Gertrud von le Fort

    Der erzählerische Text schildert ein Rom, das von inneren Konflikten und dem erbitterten Machtkampf zwischen verfeindeten Adelsbaronen zerrissen ist. Der römische Senat versucht, die Stadt zu retten, indem er die Burgen der Adelsgeschlechter zerstören lässt. In dieser Krise wird der Papst – bisher in Verbannung in Viterbo – zurückgerufen, um als starke Autorität den Frieden wiederherzustellen.

    Als der Papst in das vom Trümmerfeld gezeichnete Rom einzieht, erscheint er den Bürgern als verlässlicher Garant der Ordnung. Doch anstatt öffentlich gegen die Adelsgeschlechter vorzugehen, wählt er bewusst das Schweigen, was von vielen als unklare und zwiespältige Haltung wahrgenommen wird. Hinter den Kulissen empfängt er nachts Lucia Savelli, eine Frau, die gegen ihren Willen mit einem der aufmüpfigen Barone verheiratet wurde. Lucia wird später von einem Angehörigen ihres Adelsgeschlechts ermordet, und der Papst, der bis zuletzt schweigt, stirbt.

    Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive eines jungen Leibwächters des Papstes erzählt, der als Findelkind am Palast aufgewachsen ist. Durch diese begrenzte Sichtweise bleiben viele Hintergründe – Lucias Herkunft, ihre Beweggründe oder die genauen Absichten des Papstes – absichtlich im Dunkeln. Der Text ist als Legende konzipiert und wird als Gleichnis gelesen, in dem der scheinbar machtlose Papst durch seine Persönlichkeit und sein Schweigen dennoch in der Lage ist, den hitzköpfigen Adel in Schach zu halten.

    Weitere Informationen zu Papst Pius XII.

    Historischer Kontext und Person:
    Gertrud von le Fort widmet das Werk explizit Papst Pius XII. (Eugenio Pacelli), der von 1939 bis 1958 das Oberhaupt der katholischen Kirche war. Pius XII. ist eine umstrittene Figur der Kirchengeschichte, dessen Politik und Verhalten während des Zweiten Weltkriegs seither intensiv diskutiert werden. Sein Handeln – insbesondere sein oft kritisiertes Schweigen und seine zurückhaltende öffentliche Positionierung – wird in historischen und theologischen Debatten sowohl verteidigt als auch kritisiert.

    Rezeption und Interpretation im Werk:
    In Das Schweigen – Eine Legende wird der Papst als Symbol für stille, aber durchsetzungsfähige Autorität dargestellt. Sein Schweigen wird nicht als Schwäche, sondern als bewusste strategische Haltung interpretiert, mit der er den inneren Aufruhr und den hitzköpfigen Adel in Schach hält. Diese Darstellung steht im Kontrast zu kritischen Stimmen, die ihm vorwerfen, während des Krieges zu wenig unternommen zu haben.

    Bedeutung des Schweigens:
    Die literarische Figur des Papstes verkörpert in der Legende das Paradox, dass Macht nicht immer durch laute oder öffentliche Aktionen demonstriert werden muss. Stattdessen wird hier gezeigt, wie ein zurückhaltendes, fast mystisches Schweigen als Ausdruck von innerer Stärke und Autorität dienen kann – ein Motiv, das als Antwort auf zeitgenössische politische und moralische Debatten verstanden wird.

    Historische Debatte:
    Die Figur des Papstes in diesem Werk verweist auf die Kontroverse um Pius XII. – ob seine stille Haltung tatsächlich zum Schutz der römischen Juden und anderer Verfolgter beigetragen hat oder ob er seiner Verantwortung nicht ausreichend gerecht wurde. Gertrud von le Fort positioniert sich dabei klar gegen die Auffassungen von Kritikern wie Hochhuth, die in der öffentlichen Diskussion ein anderes Bild von Pius XII. zeichneten.


    Im Buchbestand

  • Coming-of-Age-Geschichten

    Coming-of-Age jenseits der 50: Warum Erwachsene Erwachsenenromane lesen

    Coming-of-Age-Romane gelten oft als literarische Domäne der Jugend – doch warum sollten sie es sein? Wer im fortgeschrittenen Alter solche Werke liest, stößt bisweilen auf irritierte Blicke oder den Vorwurf, sich an längst überwundenen Konflikten festzuhalten. Tatsächlich können diese Geschichten jedoch eine besondere, oft unterschätzte Tiefe entfalten, wenn man sie mit dem Abstand von Jahrzehnten betrachtet.

    Zugegeben: Die existenziellen Kämpfe um Identität, Zugehörigkeit oder Selbstbestimmung mögen wie Relikte der eigenen Vergangenheit wirken. Doch gerade diese Distanz ermöglicht es, die universellen Themen hinter jugendlichen Protagonist:innen neu zu entdecken – sei es die Suche nach Authentizität, der Kampf gegen gesellschaftliche Erwartungen oder die fragile Schönheit des Scheiterns. Es sind keine Probleme, die man „hinter sich lässt“, sondern Erfahrungen, die das Menschsein prägen – in jedem Alter.

    Zugleich offenbart sich eine melancholische Spannung: Die eigene Jugend erscheint plötzlich wie ein fremdes Leben, das man durch die Brüche der Zeit betrachtet. Doch genau darin liegt die Stärke. Coming-of-Age-Literatur wird zum Spiegel, der nicht nur Erinnerungen weckt, sondern auch Empathie schult – für die junge Generation von heute und für das eigene, einst ratlose Ich.

    Letztlich ist Literatur nie an Altersgrenzen gebunden. Ob Jane Austens selbstbewusste Heldinnen, Goethes Werther oder zeitgenössische Stimmen wie Angelika Klüssendorfs april: Coming-of-Age-Geschichten sind zeitlose Erkundungen des Werdens. Und wer weiß – vielleicht erkennen wir uns im Rückblick sogar klarer, als wir es je in der Gegenwart der Jugend konnten. Die Frage ist, ob man(n) sich das antun möchte. Allerdings: wenn man hat Kinder und ist zwischendurch ratlos…dann kann so ein Coming-of-Age-Roman eine Brücke sein…und das ist dann vermutlich eine andere Geschichte.

  • april kann im april sehr kalt sein

    LektüreNotizen | april“ Ein Roman der deutschen Schriftstellerin Angelika Klüssendorf, der 2018 erschien. Das Buch erzählt die Geschichte der Protagonistin April, eines jungen Mädchens, das in der DDR der 1980er Jahre aufwächst. Der Roman ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich mit Themen wie familiären Konflikten, sozialer Isolation, Rebellion und dem Erwachsenwerden in einem repressiven politischen System auseinandersetzt.

    Über einen Satz, der ein Aufhänger ist für einen Aufhänger ist

    april kann im april sehr kalt sein – Über einen Satz von Oskar Pastior.“ Ein Ausspruch der so nicht von diesem stammt, aber von Ulf Stolterfoht möglicherweise so erinnert wird und Aufhänger für einen Vortrag ist:  
    “…nur dieser eine Satz april kann im april sehr kalt sein soll als Ausgangspunkt für einige Überlegungen zum Verhältnis von Poesie und Grammatik dienen..” – Ulf Stolterfoht, aus Theresia Prammer (Hrsg.): Der Ort des Schreibens findet statt. Begegnungen mit Oskar Pastior. Verlag Peter Engstler, 2019
    Gefunden habe ich den Beitrag online unter https://www.planetlyrik.de/oskar-pastior-offne-worte/2016/02/.
    Em Ende des Vortrags bringt Schriftsteller Ulf Stolterfoht den Satz, den Oskar Pastior in einem Gedicht verewigt hat.

    FARN-VIDEO
    Fortan wird man sich suchen müssen – nicht
    nur am Fußende: auch in den Gummilinsen geht
    es kniehoch hin und her. „Gleichwohl, man


    wird es noch erleben“ – ein Wort, das man
    sich merken müssen wird. Gesondert stehen
    Imbiß-Kübel zur Verfügung – einstweilen, so.


    „Wenn Sie mitnehmen könnten: was ließen Sie
    zurück?“ Leuchtkraft läßt sich dahingehend
    pressen, daß „man sortieren wird – vorausge-


    setzt, es wird getrennt“. Insofern winkt Na-
    tur – Mai kann im Mai sehr kalt sein; man
    wird sich zu entziehen wissen; Entwicklung


    ist kein Abbruch der Gefühle, eher ein Full-
    time-Kübel. Gemessen an der Deutlichkeit von
    alten Schuhen droht nur ein kleiner Abstand –


    dem wird entsprochen werden, vorausgesetzt,
    man findet darin Platz. Denn an den Schirmen
    scheiteln hinfort sich die Haare – man wird


    sich kniehoch schultern müssen. „Im Anschluß
    finden Sie Gelegenheit zum Rauchen.“ Insofern
    wird man große Stücke suchen – der Wald lebt.


    Oskar Pastior
    Aus: Oskar Pastior –  Wechselbalg. Gedichte 1977–1980 (Spenge: Verlag Klaus Ramm 1980)

    Dieser Satz also, der von Ulf Stolterfoht in die Welt gebracht wurde, hat mich wiederum daran erinnert, das ich vor einigen Jahren einen Roman von Angelika Klüssendorf gelesen habe. Der trägt den Titel april und strotzt nur so vor Kälte:

    April lebt in einer dysfunktionalen Familie, die von Gewalt, emotionaler Kälte und Vernachlässigung geprägt ist. Ihre Mutter ist überfordert und oft abwesend, während ihr Stiefvater gewalttätig und tyrannisch ist. April sucht nach Wegen, um der Enge und den Konflikten in ihrem Zuhause zu entfliehen. Sie findet Zuflucht in der Schule, bei Freunden und in kleinen Momenten der Freiheit, die sie sich selbst erkämpft. Ihr Weg ist geprägt von Trotz, Widerstand und dem Wunsch nach Selbstbestimmung.

    Der Roman zeichnet sich durch eine klare, ungeschönte Sprache aus, die die Härte und Kälte von Aprils Umfeld widerspiegelt. Klüssendorf beschreibt die inneren und äußeren Kämpfe der Protagonistin mit großer Intensität und psychologischer Tiefe. April ist eine Figur, die trotz aller Widrigkeiten eine beeindruckende Stärke und Resilienz zeigt.


    Zitate aus „April“ und einige Überlegungen dazu:

    1. „Sie wollte nicht so werden wie die anderen, die sich mit allem abfanden, was ihnen das Leben vorsetzte.“
      Aprils Widerstand gegen die Anpassung und ihren Drang nach Individualität und Freiheit.
    2. „Die Welt war eng, und sie wollte sie weit machen.“
      Aprils Sehnsucht nach einem Leben jenseits der Grenzen, die ihr durch Familie und Gesellschaft gesetzt werden.
    3. „Manchmal dachte sie, dass sie gar nicht existierte, dass sie nur eine Erfindung war, eine Figur in einem schlechten Film.“
      Aprils Gefühl der Entfremdung und ihre Schwierigkeiten, einen Platz in der Welt zu finden.

    Entstehungsgeschichte und einige Hintergründe:

    Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, wuchs selbst in der DDR auf und verließ das Land 1985 in Richtung Westdeutschland. Ihre eigenen Erfahrungen mit dem Leben in der DDR und den Herausforderungen des Erwachsenwerdens in einem autoritären System fließen stark in ihre literarische Arbeit ein. Klüssendorf ist bekannt für ihre schonungslosen und realistischen Darstellungen von Familien- und Gesellschaftsstrukturen, die oft von Konflikten und emotionaler Kälte geprägt sind.

    „April“ ist Teil einer Reihe von Romanen, die sich mit dem Leben von Frauen und Mädchen in schwierigen sozialen und politischen Umfeldern beschäftigen. Klüssendorfs Werke sind oft autobiografisch inspiriert, auch wenn sie dies nicht explizit bestätigt. Der Roman „April“ wurde von der Kritik für seine präzise Sprache und die eindringliche Darstellung der Protagonistin gelobt. Er gilt als eines der wichtigsten Werke der Autorin und wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet.


    Themen und Motive:

    • Familiäre Konflikte: Die dysfunktionale Familie steht im Mittelpunkt des Romans und prägt Aprils Entwicklung.
    • Rebellion und Widerstand: April wehrt sich gegen die Unterdrückung durch Familie und Gesellschaft.
    • Soziale Isolation: Die Protagonistin fühlt sich oft allein und unverstanden.
    • Erwachsenwerden: Der Roman zeigt die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Heranwachsens in einem repressiven Umfeld.

    Im Buchbestand

  • Brennessel –  Zine von Denis Vidinski

    Brennessel – Zine von Denis Vidinski

    Die Reihe „Brennessel – Seiten für Natur, Raum & Wahrnehmung“ ist ein Zine, das sich mit der Erkundung von Natur, Raum und menschlicher Wahrnehmung befasst. Herausgegeben von Denis Vidinski unter dem Dach der Edition Dryade, enthält es Beiträge verschiedener Autoren und Künstler und umfasst literarische Miniaturen, Essays und experimentelle Texte.

    Jede Ausgabe der „Brennessel“ präsentiert eine Sammlung von Texten und Kunstwerken, die die Beziehung zwischen Mensch und Natur aus unterschiedlichen Perspektiven thematisieren. Die Beiträge reichen von poetischen Reflexionen über die Landschaft bis hin zu kritischen Essays über Umweltfragen und visuellen Arbeiten. So enthält die Ausgabe Nr. 3 Geisterhaus-Geschichten von Uwe Voehl, während die Ausgabe Nr. 8 einen Essay von Silke Brandt mit dem Titel „Aura Noir – Sichtbeton und Sinnlichkeit“ umfasst, der sich mit dem Thema Brutalismus beschäftigt. Diese Ausgabe wurde von fanzineindex.de besprochen.

    Ein Beispiel für die behandelten Themen findet sich in einem Beitrag, der die Brennnessel als Pflanze betrachtet:

    „Die Brennnessel ist eine gute Pflanze. Sie wird gebraucht und soll wachsen. Aber nicht hier. Hier wird gearbeitet.“
    blogs.taz.de

    Dieser Auszug thematisiert die Beziehung des Menschen zur Natur und regt zum Nachdenken über den Umgang mit der Umwelt an.

    Die Gestaltung des Zines variiert je nach Ausgabe. Unterschiedliche Künstler übernehmen die visuelle Interpretation, wodurch sich verschiedene ästhetische Ansätze ergeben. Leserinnen und Leser heben die atmosphärische Darstellung der Texte hervor.

    Die „Brennessel“ erscheint in unregelmäßigen Abständen und dient als Plattform für literarische Erkundungen rund um Natur, Raum und Wahrnehmung. Interessierte können die Ausgaben direkt über die Edition Dryade beziehen.

    Im Bestand

  • Denis Vidinski und die Edition Dryade

    Denis Vidinski ist Autor, Verleger und Gründer der Edition Dryade, einer Plattform für literarische und künstlerische Auseinandersetzungen mit Natur und Wahrnehmung. Seine Arbeiten umfassen Bücher, Zines und literarische Experimente, die sich mit Themen wie Vergänglichkeit, Landschaft und Beobachtung beschäftigen.

    Die Edition Dryade

    Die Edition Dryade veröffentlicht Werke an der Schnittstelle von Literatur, Kunst und Naturerkundung. Ihre Publikationen vereinen Text und Bild, Essay und Skizze. Sie erscheinen in unterschiedlichen Formaten, darunter klassische Bücher sowie experimentelle Hefte.

    Zu den Veröffentlichungen zählt „Das Wolkenheft“ (2022), ein Buch, das sich mit der Beobachtung von Wolken und ihrer Flüchtigkeit befasst. Vidinski schreibt dazu:

    „Meine Gedanken, flüchtige zugegeben, umkreisen immer wieder einmal das Wort ‚Annäherung‘. […] Denn es beschreibt noch am ehesten jene Möglichkeiten meines Tastens, die bescheidenen Versuche an einige Pforten von Geheimnissen zu gelangen, die man seit frühester Kindheit in sich trägt.“

    Ein weiteres Werk, „Blätter und Rauch“ (2022), verbindet Prosa und visuelle Elemente und thematisiert Veränderungen in der Natur. Darin heißt es:

    „Als das Licht nachließ, die Kälte wieder hervorkam und die Kastanien rot vor uns standen, gingen wir nah der Gleise auf den sich schlängelnden Pfaden, welche im Wechsel gräsern oder schlammig waren, und mit Wasserlachen, die hell den Abendhimmel spiegelten.“

    Zines und künstlerische Ansätze

    Neben Büchern erscheinen in der Edition Dryade auch Zines. Die Reihe „Brennessel – Seiten für Natur, Raum & Wahrnehmung“ enthält Beiträge verschiedener Autoren und Künstler. Thematisch bewegt sich die Reihe zwischen literarischen Miniaturen, Essays und experimentellen Texten.

    Vidinski beschreibt seinen künstlerischen Ansatz oft als „Tasten“ – einen Prozess der Annäherung durch Sprache und Bild. In „Vom Roten Felsen“ dokumentiert er Eindrücke von Helgoland:

    „Betrete ich Helgoländer Boden, beginnt das Schauen, Riechen, Horchen. Alles was ich mache, ebenso wie dieses Heft, ist Fragment, aber irgendwo muss ich eben anfangen. So geht es langsam Stück für Stück weiter, so taste ich mich vor – Zeichnen ist Tasten.“

    Veröffentlichungen und Veranstaltungen

    Die Edition Dryade präsentiert ihre Arbeiten auf Literatur- und Kunstveranstaltungen. So wurden ihre Publikationen unter anderem auf dem Bremer Zine Festival sowie der „Super Books 5“ im Haus der Kunst in München vorgestellt.

    Beobachtung und Darstellung

    Die Arbeiten von Denis Vidinski und der Edition Dryade setzen sich mit Naturwahrnehmung und künstlerischer Dokumentation auseinander. Sie untersuchen Übergänge zwischen Wort und Bild, Natur und Mensch, Gegenwart und Erinnerung. Die Publikationen regen dazu an, sich mit Prozessen der Wahrnehmung und Darstellung intensiver zu beschäftigen.

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