Blog

  • Das tierische Gebet

    Das tierische Gebet

    Ich preise Dich Herr, / Darum hüpfe ich | Drutmar Cremer

    Tiere beten in Dur heiter beschwingt schlitzohrig – so lautet der Untertitel dieses Buches. Und ja, ungewöhnliche Gebete sind das, die der Benedektiner Drutmar Cremer da verfasst hat.

    Charakteristisch für das lyrische Werk des Dichters, Verlegers & Theologen Drutmar Cremer ist sein sparsames Vokabular, der Verzicht auf jegliche unnötige Ausschmückung. Teilweise meditativ zu nennen ist der Stil, in dem er Gedichte schreibt und immer ist in seinen Gedichten wie auch in seinen sonstigen literarischen Arbeiten die Kraft und der Einfluss seines Glaubens zu erkennen, ohne dass dieser im Vordergrund stehen muss. in diesem Falle steht er allerdings im Zentrum, denn die Tiere beten, mit menschlichen Zügen und für uns gut nachvollziehbar.

    Die Gebete zielen darauf ab, die Verdrehtheiten des Daseins anzuerkennen, ihnen das Gute abzugewinnen, mit einem Lächeln. Der Ernst des Schattens wird aufgelöst durch Lichtflecke, die tanzen.

    OSB Cremer scheint uns daran erinnern zu wollen, dass wir unseren Blick auf Flora und Fauna schärfen sollten um Zuversicht, Heiterkeit und die schöpferische Genialität in unseren Alltag zu ziehen.

    Durch das Büchlein zieht sich, dass sich die Tiere mit Ihren Eigenschaften, ihrem Charakter und Äußerlichkeiten (in)direkt Gott vorstellen. Was ein wenig amüsant ist, denn Jahwe ist der Schöpfer und steht nicht im Ruf vergesslich zu sein.
    Macht konzeptionell aber durchaus Sinn, denn es geht dem Autor wohl eher darum, uns beispielhaft anzuleiten in vergleichbarer Manier zu reflektieren.

    Gebet der Katze

    An Geschmeidigkeit, Herr,
    an sanfter Eleganz,
    an leiser Wendigkeit im Sprung
    hast du es nicht
    fehlen lassen – bei mir,
    dem Edelfräulein deiner Schöpfung. Alle Achtung!

    Aber eines bedarf deiner Erklärung:
    Warum
    gabst du mir –
    der Dame von Rang –
    den schönsten Schnurrbart der Welt?
    .
    .

    Aus: Drutmar Cremer – Ich preise dich Herr
    Illustration: Polykarp Uehlein – aus dem besprochenen Buch.

    Die Lektüre der Cremerschen Gedichte hat zudem einen Nebeneffekt. Ich habe mein Verständnis vom Beten überdacht bzw. weiterentwickelt. Bisher hatte ich diese Form des Gesprächs, Monologs mit/gen einer „höheren Instanz“ eher an den Empfehlungen von Religionsprofis festgemacht. Davon löse ich mich zunehmend. Was für mich befreiend ist, da ich in meiner Kindheit und Jugend insbesondere katholisch geprägt wurde. Auf durchweg unangenehme Weise übrigens.

    Das Gebet der Tiere hat etwas Spielerisches mit einer Prise Ernst und Ermunterndes. Das erinnert mich an Gespräche, in denen Thema war, wo man seinen Zugang zum Glauben sieht. Bei mir geht der in erster Linie über die Natur. Über das Bestaunen der Schöpfung an sich.

    Zur Machart des Buches

    Die Schrift ist in grün gehalten, ebenso die nüchtern reduziert und fröhlich wirkenden Illustrationen von Polykarp Uehlein. Der
    Münsterschwarzacher Benediktiner Uehlein wirkt als Missionar in Tanzania. In der Buchbeschreibung findet sich eine Umschreibung der Zeichnungen, die mich schmunzeln lässt:

    Wer diese Tiere anschaut, ihr Wesen und ihr Verhalten, der ahnt vielleicht, wie Gott den Menschen gedacht hat.

    Hier ist mir doch manchmal die zu erbringende Transferleistung zu groß. Dennoch…genießen lassen sich die Illustrationen allemal.

    Bei der Überlegung, ob Tiere wirklich beten habe ich zumindest drei Stellen in der Bibel gefunden, wo ihnen dies zugeschrieben wird:

    Singet umeinander dem HERRN mit Dank und lobet unsern Gott mit Harfen, der den Himmel mit Wolken verdeckt und gibt Regen auf Erden; der Gras auf Bergen wachsen läßt; der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die ihn anrufen.

    Psalm 147

    41 Wer bereitet den Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und fliegen irre, weil sie nicht zu essen haben? 

    Hiob 38

    20 Auch die wilden Tiere schreien zu dir, / denn die Wasserläufe sind versiegt / und die Viehweiden vom Feuer verbrannt. 

    Joel 1, Vers 20

    Drutmar Cremer OSB

    Geb. 1930, ist ein deutscher Schriftsteller, Verleger und Theologe. Nach seinem Abitur trat er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, wo er 1958 zum Priester geweiht wurde. Von 1960 bis 1967 war er dann als Jugendseelsorger in Maria Laach tätig.

    Seit 1971 leitet er den Kunstverlag Maria Laach und auch die dort ansässigen Kunstwerkstätten.

    Pater Polykarp Uehlein

    Geb. 1931, ist katholischer Geistlicher, Benediktinermönch, Maler und Glaskünstler.

    Er studierte bei Georg Meistermann Malerei und reiste 1963 nach Tansania (Ostafrika) in das Missionarsgebiet der Abtei Ndanda aus.

    Neben Glasfenstern zählen auch Zeichnungen, Acrylbilder und Aquarelle, aber auch in vielen anderen Techniken geschaffene abstrakte Bilder zu seinen Werken.

    Er hat das Buch von Drutmar Cremer illustriert.

    Daten zum Buch

    Drutmar Cremer
    ICH PREISE DICH
    DARUM HÜPFE ICH

    Beuroner Kunstverlag
    3-87071-049-7

    Illustrationen: Polykarp Uehlein

  • Haiku #137

    Haiku #137

    der wolf frisst zuviel
    kreide verschmiert den rock
    friedrichs klippenklang

  • Haiku #133

    Haiku #133

    himmelstauchsterne
    unterm regen der sieder
    das wasser kocht
    . teezeit!

    Begegnet sind mir die Himmelstauchsterne als ich versuchte ein japanisch verfasstes Haiku mittels Webtranslator zu verstehen. Eine weit geläufigere Übersetzung ist wohl Sternschnuppe. Dazu wäre mir aber das oben festgehaltene Kurzgesicht nicht eingefallen. Ich habe mir es daher zur Gewohnheit gemacht, fremdsprachige Gedichte von google translate und anderen Anbietern übersetzen zu lassen um die ein oder andere „neue“ Wortschöpfung zu finden.

  • Haiku #135

    Haiku #135

    mit dem lichtschwert der
    unendlichen minderheit
    geschichte andichten

  • Haiku #136

    Haiku #136

    ich lag im see singt
    der ätherische mann auf
    grund wechseljahre

  • Warte, ich geh die Krücken holen!

    Warte, ich geh die Krücken holen!

    Diese Zeile aus dem Buch Herz, stirb oder singe hat sich in meinem Gedächtnis festgesetzt. Insbesondere, wenn ich die Lyriksammlung von Juan Ramón Jiménez zur Hand nehme. Auf dem BuchCover passend dazu die rohe Skizze einer jungen Frau. Sie lächelt. (Gezeichnet übrigens von Henri Matisse.)

    BuchCover Diogenes Verlag

    Die kleine Hinkende – so der Titel des Gedichts umschreibt die Pole des Nicht-dazu-gehörens und des Selbstverständlich-dazugehörens-aber-einseitigkeitswunderns-Gefühls. Unerschütterlich. Alles scheint zu eilen, einem Autopiloten übergeben, auch die Natur, niemand kommt auf die Idee zu warten, inne zu halten, um sich blicken. Nicht nur das Mädchen scheint Krücken für sein verdrehtes, wie fremd hängendes Bein zu benötigen; das Kind(?) ist eine Krücke für unsere unsteten Augen und eine als fremd abgehängte Achtsamkeit im Leben. So habe ich Jiménez Verse für mich verstanden.

    Ein Himmel aus Traum und Seide
    dringt bis ins Herz.
    Die Kinder, in Weiß, kommen,
    spielen, schwitzen, schreien:

    „laaauf!“

    Das Mädchen lächelt: Warte,
    ich geh‘ die Krücke holen!

    Aber niemand wartet. Weder der Frühling, noch die Vögel und schon gar nicht die Kinder. Das Fest gehört dem, der läuft und der fliegt.

    Wie oft lese ich in letzter Zeit, alles würde lauter, hektischer, schneller. Und ich Trotzkopf werde immer langsamer. Als nähme ich mir freiwillig eine Krücke, um mich selbst daran zu erinnern inne zu halten. Alles überholt mich. Wirklich? Nein, da sehe ich nun Menschen, Vögel, die Jahreszeiten, die ich so vorher noch nicht wahrgenommen habe. Die gefühlt auch stehen bleiben. Ich möchte durch die Straßen schlendern und dabei marktschreierisch skandieren:

    Krücken zu verschenken! Nehmen Sie! Versuchen Sie! Erleben Sie!

    Und wenn ich meinen Vorrat abgegeben habe, werde ich lächeln und rufen:

    Wartet, ich geh‘ neue Krücken holen!

    Entnommen aus: Juan Ramón Jiménez | Herz, stirb oder singe
    Gedichte | DIOGENES VERLAG | 2. Auflage 1969
    Übersetzung aus dem Spanischen: Hans Leopold Davi

  • Die Reise ins eigene Herz

    Die Reise ins eigene Herz

    Gefunden habe ich dieses Buch von Ulrich Schaffer in einem öffentlichen Bücherschrank in Lüneburg. Mitgenommen habe ich es wegen der Verschriftlichung in Versform. Das hat mich überrascht.

    Die Reise nach innen ist nicht die Reise in eine totale Subjektivität, in die Abtrennung von der Außenwelt, sondern eine Reise in die Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber.

    Ulrich Schaffer

    Ein kleines Buch über den (eigenen) Glauben, die Selbstreflexion und eine Reise die sich Leben nennt. Geschrieben in lyrischer Form, was gleich zu Beginn gesagt, das Besondere und wirkungsvolle dieses Buches ist.

    Aufgeteilt in drei Abschnitte – Standort, Rückblick, Reise – begibt sich der Autor Ulrich Schaffer auf eine Reise ins Herz des Menschen.

    Seine These: Viele Probleme entstehen durch die Vernachlässigung der Innenwelt. Schaffer meint, wir werden oft genug von einer außenstehenden Gewalt von uns selbst weggeführt und in ein System einer uns fremden Lebensform eingebaut, in der wir nicht mehr Korrektiv wirken. Sondern nur noch als ausführender Arm dieser Gewalt. Das ist mir etwas schwurbelig formuliert, für die digitalen Ablenkungen, einer gewissen Konsumabhängigkeit, etc. Dennoch schätze ich es, da er andere Worte gebraucht als die, die ich selbst im Kopf habe um mit mir selbst meine eigenen Unzufriedenheit mit mir selbst zu diskutieren.

    Ähnlich geht es mir bei der Lektüre; Schaffer schreibt sein Kapitel in Versform. Zwar verzichtet er auf den Reim; dennoch nimmt die Rhythmik mich mit. Auch wenn ich das meiste woanders schon gelesen habe, es fühlt sich dadurch zumindest erneuert an.

    Buchcover der Ausgabe Edition Schaffer

    Ich habe in letzter Zeit zu schätzen gelernt, durch die Beschäftigung mit dem Glauben an etwas Höheres Denkstrukturen aufzubrechen. An eine unbestechliche Autorität, die es gut mit mir meint und ich annehmen kann: ich muss das Spiel des Lebens nicht allein meistern. Ich habe Hilfe. Das nimmt Druck weg, perfekt sein zu wollen, andere Erwartungen erfüllen zu müssen. Ein erstaunlicher Effekt, wenn man seine Aufmerksamkeit weg lenkt von anderen Menschen hin zu sich selbst und dieser als unbestechlich und objektiv empfundenen Autorität.

    Ich verstehe das Buch so, dass es nicht um den christlichen Glauben, gar um Religion geht, sondern um eine philosophische Betrachtung.

    Dieses Zitat aus dem Vorwort trifft es ganz gut:

    Für mich beginnt auch der Glaube da, wo ich eine Wahrheit konkret in mein Leben aufnehme und ihr entsprechend lebe, wenn ich also mein Leben aufs Spiel setze. Meine Weltanschauung kann ich kurzerhand verändern, aber meinen Glauben nicht. Das ist ein Prozess.

    Zusätzlich nutzt Schaffer Fragen um den Lesefluss zu unterbrechen, und einen (möglichen) Denkstopp zu setzen. Insbesondere wenn sich das konsumorientierte Lesen einschleicht.
    Was mir noch auffällt: geschrieben in der Ich-Form werden Lesende direkt und oft angesprochen mit Du und zwischendurch gibt es auch ein Wir. Dadurch empfinde ich den Text durchaus auch an mich persönlich adressiert.

    Manches ist mir zu kitschig, wenn Schaffer z. B. einlädt:
    Lass dich mitnehmen von der Flöte
    auf die Reise zu Dir selbst.

    Bei mir funktioniert dieses Bild insofern, dass ich überlege, was für mich stattdessen stimmig wäre.

    Ein großer Bestandteil der Verse sind die Beschreibungen von Mutmaßungen, was einem alles so zugestoßen sein könnte, worunter man leiden könnte. Das mag der Absicht geschuldet sein, möglichst viele Leser-innen dort abzuholen, wo sie gerade sind. Mich hat das bei der ersten Lektüre eher ermattend. Man sollte auf sich achten, weil dieser Leidensrhythmus einlädt (arg oft) innerlich HIER-das-hab-ich-auch zu rufen. Erinnert mich an diese Verkaufsrhetorik, sich zunächst einige Zustimmungen einzuholen um den Kunden auch bei unklareren Themen auf Kurs zu bringen, damit dieser leichter ein Ja als einen Zweifel äußert.

    Ganz nebenbei habe ich mich damit beschäftigt, was oder wer Gott eigentlich ist. Für mich ist. Und dabei beobachtet, dass es mir unangenehm ist, diesen Namen auszuschreiben. Dies mache ich, weil andere dies beim Lesen eventuell befremdlich, irritierend finden. Ich persönlich bevorzuge die jüdische Schreibweise: G’tt. Warum, das weiß ich noch nicht.

    Erste Kleksereien bei der Lektüre.

    Wohin mich die Reise beim Lesen bisher geführt hat?

    Die Aufbereitung des geschrieben Wortes in Versform finde ich so spannend, dass ich dies als willkommene Übung aufgreife, meine eigenen Fragestellungen dergestalt niederzuschreiben.

    Ich gehe der Frage nach: wie betet man richtig? Worum geht es dabei und an wen wendet man sich? Und dabei möchte ich mich nicht auf die gefestigten Meinungen im Religionskanon verlassen.

    Schaffer beschreibt Mythen, Musik, Maler wie Hieronymus Bosch, in denen Glaubensfragen verarbeitet werden. In diesen Kanälen werde ich mich auch versuchen. Mit meinen bescheidenen Mitteln.

    Die Reise, das letzte Kapitel, ist ein lang ausformuliertes Versprechen. Ulrich Schaffer beschreibt dieses in starken Bildern. ich möchte herausfinden, ob sich daraus ein Film fürs Kopfkino machen lässt und wie der dann aussieht. Im therapeutischen Sinne sagt man dazu auch eine Phantasiereise unternehmen.

    Zitat vom Buchrücken:

    Vor dir siehst du eine Tür.
    Du klopfst an.
    Gott öffnet in Deiner Gestalt.
    Da stehst Du dir gegenüber.
    Bist alt und doch jung,
    weise und doch voller Wissensdrang.
    Du willst reifen und wachsen.

    Ulrich Schaffer

    Ulrich Schaffer

    *1942, lebt als freier Fotograf und Schriftsteller in Gibsons, British Columbia. Er ist Autor zahlreicher Bücher und macht regelmäßig Lesereisen für seine große Fangemeinde in Deutschland. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.
    Mehr: Website | facebook | wikipedia
    Foto © Ulrich Schaffer

    Mein Fazit | Ulrich Schaffers Ansätze sind für mich immer wieder überraschend, weil sie mir ungewohnt sind. Das macht den Reiz aus. Zudem brauche ich ewig um die Versform zu lesen. Das macht sich gut beim Nachdenken. Auch wenn ich manches Bild überzogen finde, es ist ein gutes Buch. Denn es leistet mir beim Aufräumen meines Lebenshauses gute Dienste. Oft auch auf einer unbewussten Ebene; es wirkt einfach. Irgendwie. Und das reicht mir zu wissen. Und ich übe mich im abstrakten Malen, was mir Freude bereitet.

    Ulrich Schaffer | Die Reise ins eigene Herz
    EDITION Schaffer
    ISBN 3783109795

    Es gibt zudem eine Ausgabe die 2005 bei Herder Spektrum erschienen ist. ISBN: 3451056305

    Ein weiteres Buch von Ulrich Schaffer auf meinem SuB: Im Fluss der Zeit | Gedanken beim Älterwerden

  • Haiku #131

    Haiku #131

    winterspaziergang
    unsere atemwolken
    als gemengelage in
    aller stille

  • Haiku #128b

    Haiku #128b

    das feuer anschauen
    während wir alt werden auf
    der landstraße wandernde
    rosen

  • Haiku #61

    Haiku #61

    das holz aufschichten
    zum fragilen dickhäuter
    warm-up der brassband

  • Haiku #9

    Haiku #9

    gedanken disteln 
    meine sprache erdenschwer 
    das feld bestellen

  • Haiku #129

    Haiku #129

    der tag fährt auf
    überbelichtet himmelwärts
    im kopf unterwegs

error: Content is protected !!