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  • Aydin Yarash | Der Terror in Afghanistan

    Aydin Yarash | Der Terror in Afghanistan

    Der Terror ist laut. Aber noch gibt es die Welt.
    Diesen hässlichen Lärm braucht die Welt nicht.
    Der Krieg kommt und bringt Hässlichkeit mit.
    Alle Schönheit nimmt er mit und trägt sie fort.

    Der Krieg hat mein schönes Heim kaputt gemacht.
    Der Terror hat meine schöne Heimat kaputt gemacht.
    Ich weine, weil mein Kind im Krieg gefallen ist.
    Du weinst, weil deine Mutter durch den Terror gefallen ist.

    Ich habe meine Hände im Krieg verloren.
    Du hast deine Augen im Krieg verloren.
    Die Kinder sind Flüchtlinge.
    Die Kinder werden im Krieg von ihren Müttern getrennt.

    Wir wollen keinen Krieg & Terror mehr auf dieser Welt.
    Wir wollen nicht, dass Menschen weinen auf dieser Welt.
    Wir wollen nicht den Lärm der Waffen.
    Wir wollen feiern und laut Musik hören auf dieser Welt.
    Wir wollen, dass alle Menschen lachen auf dieser Welt.

    Wir hassen den Terror in dieser Welt.
    Wir lieben den Frieden. Wir wollen, dass er in die Welt kommt.
    Du Krieg, geh weiter, geh weg von dieser Welt!
    Hallo Frieden, wenn es dich gibt, brauchen wir dich jetzt!
    Hallo Frieden, wenn es dich gibt, brauche ich dich jetzt!

    Aydin Yarash 2018

    Warum hast du eigentlich das Gedicht geschrieben? Gab es einen konkreten Anlass?

    Das Gedicht war eine Reaktion auf die ständige Angst und den Schmerz, den ich im Krieg und durch die Flucht erlebt habe. Es war der Versuch, all das, was in mir war, irgendwie in Worte zu fassen. Ich wollte, dass die Welt versteht, was passiert, dass Menschen wirklich hören, wie sich dieser Schmerz anfühlt.

    Es gab keinen konkreten Anlass – es war eher ein Moment des Überlaufs. Wenn die Erlebnisse so tief und überwältigend sind, dass es keinen anderen Ausweg gibt, als sie zu Papier zu bringen. Ich wollte die Wut und die Trauer ausdrücken, die mich ständig begleiteten, und gleichzeitig die Sehnsucht nach Frieden, nach einem Ende der Zerstörung.

    Das Gedicht sollte ein Ruf nach Verständnis und Mitgefühl sein, aber auch ein Appell an alle, nicht wegzuschauen. Der Krieg ist nicht weit weg – er lebt in den Menschen, die ihn überlebt haben, in den Geschichten, die wir erzählen.

  • Adam Sidikou | Mein Somalia

    Adam Sidikou | Mein Somalia

    Wir sind die Jugend des Landes
    und wir haben eines gemeinsam:
    Wir sind gegen das, was in unserem Land passiert
    Denn unser Land ist wie unsere Mutter
    und ich werde nie vergessen,
    woher ich komme, egal wo ich bin.

    Mach die Augen auf und beobachte,
    was in unserem Land passiert,
    es gibt wieder Krieg und viele Menschen
    sind hungrig und sterben jeden Tag.
    Sag mir: Wer ist dieser Krieg verantwortlich?

    Bitte, bitte, stoppt den Bürgerkrieg!
    Bitte, bitte, lasst die Menschen leben!

    Ich hoffe, eines Tages wird
    Somalia eine gute Regierung haben
    dann werden alle in die Städte kommen
    und miteinander feiern.
    Und es wird keinen Krieg mehr geben.
    Denn der Krieg macht uns unglücklich.

    Wenn ich im Fernsehen Nachrichten
    aus meinem Land sehe, höre ich von Piraten.
    Dann frage ich mich: für wen ist das gut?
    Warum kapern sie die Schiffe?
    Wissen sie nicht, dass uns die Schiffe
    Lebensmittel bringen?

    Es gibt keine gemeinsame Schule und Bildung,
    und jeder oder jede lernt etwas anderes.
    Wenn junge Menschen an einem Tisch sitzen,
    verstehen sie einander nicht,
    einer spricht deutsch und ein anderer
    antwortet auf Arabisch.


    Adam Sidikou ist 21 Jahre alt und kommt aus Somalia. Heute lebt er in Hamburg und geht zur Abendschule. Danach würde er gerne Ingenieur werden.

  • Zur Physiologie des dichterischen Schaffens

    Zur Physiologie des dichterischen Schaffens

    Zur Physiologie des dichterischen Schaffens
    Ein Fragebogen [der Literarischen Welt]

    [1928]

    Erste Inspiration: Können Sie uns merkwürdige Beispiele nennen, wie Ihnen der erste Einfall zu einem Werke kam?
    Das ist ganz verschieden. Gemeinsam ist den Einfällen oder auch Plänen das scheinbar unvermittelte Kommen. Ich halte sie in Reserve. Der Plan zu ausgeführten Werken ist gewöhnlich erst durch Verschmelzung mehrerer schon vorhanden gewesener Pläne entstanden. Dieser Prozess dauert lange an, und oft verschwindet der sogenannte erste Einfall dabei völlig. Das Determinierende während dieser Vorgänge sind sehr allgemeine Absichten; die konkrete Ausstattung der Szenen und Charaktere hängt von ihnen ab.

    Wie fixieren Sie den ersten Einfall? Haben Sie ein Notizbuch bei sich und denken Sie intensiv an Ihren Plan oder suchen Sie sich eher abzulenken?
    Ich habe in meinem Arbeitszimmer Notizhefte, bin aber unregelmäßig im Eintragen. Ich beschäftige mich dauernd mit meinem Plan. Muß mich ablenken. Sport, Spaziergänge.

    Arbeitszeit: Arbeiten Sie zu bestimmten Stunden oder Tageszeiten? Zwingen Sie sich zur Arbeit, auch wenn Sie keine Lust haben? Brechen Sie ab, auch wenn Sie Lust haben, weiterzuarbeiten?
    9-12,30; 16-19 Uhr; manchmal auch noch abends. Zwinge mich unter Umständen. Breche nicht ab, außer bei äußerem Zwang. Halte es aber für richtiger, die Arbeit mehr zusammenzudrängen und durch stark ausgefüllte Pausen zu unterbrechen; wünsche, mich in diesem Sinn umzustellen.

    Arbeitsmaterial: Haben Sie bestimmte Gewohnheiten, was die Art und Anordnung des Schreibmaterials und der Schreibutensilien betrifft? Können Sie überall arbeiten? Wo am besten?
    Ich behalte eine einmal getroffene Anordnung des Schreibtisches bei. Kann nur in ruhigen Zimmern arbeiten. Am besten in der eigenen Wohnung.

    Arbeitshygiene: Enthalten Sie sich während intensiver Arbeit von bestimmten Genüssen und verschaffen Sie sich bestimmte Genüsse (Stimulantien)?
    Ich trinke reichlich starken Kaffee und rauche sehr viel. Enthalte mich bei der Arbeit ganz des Alkohols.

    Machen Sie Brouillons (Entwürfe)? Wie ist die Technik dieser Brouillons?
    Nein.

    Das Manuskript: Schreiben Sie schnell herunter oder langsam und mühevoll? Korrigieren Sie während der Arbeit? Korrigieren Sie nach Fertigstellung? Oder gar nicht?
    Ich schreibe mittelschnell. Korrigiere einmal eingreifend, ein- bis zweimal polierend. Vorher arbeite ich aber große Partien oder das ganze Buch bis über zwanzigmal um.

    Korrekturfahnen: Ändern Sie noch viel und Wesentliches in den Korrekturfahnen?
    Nein.

    Lesen Sie das fertiggestellte Buch noch einmal? Ärgern Sie sich sehr über (scheinbare oder wirkliche) Unvollkommenheiten? Haben Sie oft Lust, es noch einmal zu schreiben?
    Nein. Ja. Nein.

    ****

    Die literarische Welt. Unabhängiges Organ für das deutsche Schrifttum Die deutsche Zeitschrift war ein einflussreiches Periodikum in der Zeit der Weimarer Republik, das als Wochenschrift von Ernst Rowohlt und Willy Haas 1925 in Berlin gegründet wurde. Sie erschien von Jahrgang 1925 bis 1933 unter der Herausgeberschaft von Willy Haas in der Literarische Welt Verlagsgesellschaft, Berlin-Lichterfelde. Die Redaktion saß in der Passauer Straße, direkt gegenüber dem damaligen Sitz des Ernst Rowohlt Verlages. Nach Haas‘ Emigration wurde sie zunächst noch als „Neue Folge“ gleichen Titels (1933–1934) fortgesetzt, herausgegeben von Karl Rauch, ehe sie in der gleichgeschalteten Zeitschrift „Das deutsche Wort“ (ab 1934) aufging, welche im Verlag Bott, Berlin, erschien.
    Weitere Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_literarische_Welt
    sowie
    https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/

  • Ich bin ein Gedicht | Eine Annäherung

    Ich bin ein Gedicht | Eine Annäherung

    Ursprung der Visuellen Poesie

    Die Visuelle Poesie entstand in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland als eine Gegenbewegung zur traditionellen, oft metaphernreichen Lyrik. Der Begriff der „Konkreten Poesie“ wurde von Eugen Gomringer geprägt und lehnte sich an den Begriff der „Konkreten Kunst“ an, den Max Bill und Theo van Doesburg in die Diskussion gebracht hatten. Konkrete Poesie setzt sich mit dem Material der Sprache auseinander, indem sie sich auf Wörter und Buchstaben reduziert. Diese Form des Schreibens ist auch eine bewusste Abkehr von der Lyrik der 1950er Jahre, die oft noch von Naturmotiven geprägt war, obwohl die Gesellschaft zunehmend in Großstädten lebte.

    Timm Ulrichs beschreibt diesen Wandel so: „Eugen Gomringer erkannte, dass die großen Schilder an den Autobahnen mit ihrer verknappten Bildsprache und auch Sprach-Sprache eigentlich dem modernen Leben viel näher sind. Also einprägsame Formeln prägen. Man muss gar nicht viele Worte machen, aber man muss genau am Material arbeiten, um die richtigen, prägenden und zündenden, pointierten Formen und Formeln zu finden.“

    „Ich bin ein Gedicht“ – Kunst als Selbstausstellung

    Timm Ulrichs, der sich selbst als „Totalkünstler“ bezeichnet, ging noch einen Schritt weiter: 1968 erklärte er sich in einem „egozentrisch-monomanischen Manifest“ zu einem lebenden Gedicht. Dies führte zur Entstehung des Werks „Ich bin ein Gedicht“, das als Poster mit einem Selbstporträt von Ulrichs – aufgenommen vom Fotografen Heinrich Riebesehl – und einem dazugehörigen Text veröffentlicht wurde.

    Ulrichs beschreibt die Idee dahinter folgendermaßen:

    »Man muss wissen, wenn man den Text [Ich bin ein Gedicht] liest, dass ich mich Anfang der 1960er Jahre als erstes lebendes Kunstwerk tituliert habe. Es gab dann auch Selbstausstellungen im Glaskasten. Und da es ja nicht offensichtlich ist, dass eine Allerweltsperson den Anspruch erhebt, sich von der ganzen Menschheit dadurch zu unterscheiden, dass sie selber Kunstwerk zu sein behauptet, musste das natürlich theoretisch unterfüttert werden. Ich habe verschiedene Manifeste geschrieben und nicht nur theoretische Texte, sondern auch solche, die Poesie sein wollten. Also Literatur. Und dazu gehören verschiedene egozentrische Manifeste oder sogar egozentrisch-monomanische Manifeste. […] Und dann gibt es eben dieses sich noch mehr auf Poesie beziehende Manifest: Ich bin ein Gedicht. Und da habe ich dann ein geschöntes Foto von mir auf die eine Seite gebracht, das der mittlerweile verstorbene und bekannte Fotograf Heinrich Riebesehl aufgenommen hatte. Die andere Seite zeigt einen Text, der literarische Begriffe und Redewendungen zusammenführt. Sie sind immer Ich-bezogen und münden in dem Satz, dass ich mich trotz dieses Manifests für unbeschreiblich halte. Quintessenz dieser Manifeste ist, mich als Kunstwerk zu feiern, zu legitimieren, zu begründen. Und das benutzt dann auch Redewendungen, für die die Konkreten Poeten ja auch ein Faible hatten […].«

    Bedeutung der Visuellen Poesie heute

    Auch heute ist die Visuelle Poesie noch von Bedeutung, insbesondere im Bildungsbereich. Ulrichs‘ Werke, darunter sein berühmter Text „Ordnung-Unordnung“, sind in zahlreichen Schulbüchern enthalten und regen Schülerinnen und Schüler dazu an, sich selbst mit der kreativen Gestaltung von Sprache auseinanderzusetzen. Er selbst behauptet:

    „Mein kleiner Text ‚Ordnung-Unordnung‘ ist ja, das behaupte ich jetzt mal, der meist gedruckte Nachkriegstext überhaupt. Also noch vor Eugen Gomringers Eigengedicht, was auch eine gute Konjunktur hatte Anfang der 1960er Jahre und heute auch immer noch erscheint. Aber mein ‚Ordnung-Unordnung‘ hat sich als besonders tragfähig und auch für schulische Interpretationen geeignet erwiesen. So ist das in hunderten von Schulbüchern erschienen, nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland und auch in Übersee.“

    Titelfoto Michael Raab (selfie)

  • Robert Musil | Kurzporträt

    Robert Musil | Kurzporträt

    Robert Musil (1880–1942) war ein österreichischer Schriftsteller, Essayist und Dramatiker, dessen Hauptwerk, Der Mann ohne Eigenschaften, als eines der bedeutendsten Werke der modernen Literatur gilt. Seine Werke zeichnen sich durch tiefgehende psychologische Analysen, philosophische Reflexionen und eine präzise Sprache aus.

    Biografisches

    Robert Musil wurde am 6. November 1880 in Klagenfurt geboren. Sein Vater war Ingenieur und Hochschulprofessor, was Musil zunächst in eine technische Laufbahn führte. Er studierte Maschinenbau in Brünn und später Philosophie, Mathematik und Psychologie in Berlin. 1911 promovierte er mit einer Arbeit über Ernst Mach. Während des Ersten Weltkriegs diente Musil als Offizier. Nach dem Krieg widmete er sich ganz der Literatur und lebte in Berlin und Wien. 1938 emigrierte er mit seiner Frau ins schweizerische Exil, wo er 1942 verarmt und weitgehend unbeachtet starb.

    Hauptwerke

    Musils literarisches Werk umfasst Romane, Erzählungen, Dramen und Essays. Neben Der Mann ohne Eigenschaften sind vor allem Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) und die Erzählbände Drei Frauen (1924) sowie Nachlass zu Lebzeiten (1936) von Bedeutung.

    Die Verwirrungen des Zöglings Törleß ist ein Entwicklungsroman, der den inneren Konflikt eines Internatsschülers beschreibt. Der Roman greift psychologische und moralische Fragestellungen auf und zeigt erste Anzeichen von Musils späterer Auseinandersetzung mit dem Problem der Identität.

    Der Mann ohne Eigenschaften (1930/32) ist ein unvollendeter Roman, der die geistige Verfassung der späten Habsburgermonarchie analysiert. Die Hauptfigur, Ulrich, ist ein intellektueller Skeptiker, der zwischen Rationalismus und Mystik schwankt. Der Roman reflektiert Themen wie Identitätskrise, Utopie und das Scheitern großer Ideen.

    Stil und Themen

    Musils Werk ist durch eine analytische Erzählweise gekennzeichnet, die oft essayistische Passagen enthält. Seine Sprache ist präzise und differenziert, sein Stil reflektierend und oft ironisch. Charakteristisch ist sein Interesse an der Psychologie des Menschen sowie an philosophischen Fragen über Erkenntnis, Moral und Gesellschaft.

    Ein zentrales Thema ist die Spannung zwischen Rationalität und Gefühl, zwischen Wissenschaft und Kunst. Er formulierte dies in Der Mann ohne Eigenschaften: „Es gibt nichts, das so schwach und so stark macht wie die Unfähigkeit zu einer Entscheidung.“ Musils Figuren sind oft Suchende, die sich in einem Labyrinth aus Möglichkeiten verlieren.

    Musils Bedeutung

    Musil wird häufig mit Autoren wie Marcel Proust und James Joyce verglichen, da er ein tiefgehendes Bewusstsein für die innere Zerrissenheit des modernen Menschen zeigt. Er blieb jedoch zu Lebzeiten weitgehend unbeachtet und fand erst posthum größere Anerkennung.

    Einstieg in Musils Werk

    1. Mit den Erzählungen beginnen: Wer Musil kennenlernen möchte, kann mit Drei Frauen oder Die Verwirrungen des Zöglings Törleß beginnen. Diese Werke sind zugänglicher als Der Mann ohne Eigenschaften.
    2. Sekundärliteratur nutzen: Musils philosophische Reflexionen sind anspruchsvoll. Kommentierte Ausgaben oder Einführungen in sein Denken können helfen.
    3. Nicht linear lesen: Der Mann ohne Eigenschaften muss nicht von Anfang bis Ende gelesen werden. Einzelne Kapitel lassen sich unabhängig betrachten.
    4. Langsam lesen und reflektieren: Musils Sprache und Gedanken sind komplex. Es lohnt sich, über einzelne Passagen nachzudenken und Querverbindungen herzustellen.

    Fazit

    Robert Musil hat sich konsequent der Analyse der modernen Gesellschaft und der inneren Welt des Individuums gewidmet. Sein Werk ist anspruchsvoll, aber wer sich darauf einlässt, entdeckt eine der tiefgründigsten Auseinandersetzungen mit der menschlichen Existenz in der Literatur des 20. Jahrhunderts.

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