Gedanken eines Physikers | Von einem großen Wissenschaftler kann man immer etwas lernen – und erst recht, wenn es sich dabei um den legendären Physiker und Nobelpreisträger Richard P. Feynman handelt. 1963 hielt er in Seattle drei Vorlesungen für ein allgemeines Publikum, in denen er sich Themen widmete, die alle Menschen etwas angehen. Diese Vorlesungen laden dazu ein, zusammen mit Feynman zu reflektieren und seine Denkanstöße aufzunehmen. Er wirbt um Verständnis dafür, dass wir nicht alles wissen werden, was wir wissen wollen, und diskutiert, wie Religion und Wissenschaft vereinbar sind. Außerdem hinterfragt er die beunruhigende Zunahme pseudowissenschaftlicher Ansätze und Dogmen in unserer Zeit und denkt über das gängige Misstrauen gegenüber Politikern nach. Das kluge Buch eines genialen Denkers.
Über das Buch || Feynmans Erkennungszeichen sind für viele eben nicht Kreide und Rechenschieber, sondern seine Bongotrommeln. Wahrscheinlich hat dieser Hauch des Unkonventionellen den Piper Verlag dazu bewogen, mit Was soll das alles? den Wortlaut dreier Vorträge, die Feynman im Jahre 1963 bestritten hat, nun auch in Deutsch zu veröffentlichen. Ich bin nicht sicher, ob man dem Vorzeigephysiker damit einen Gefallen getan hat.
Die Themen, um die Feynman seine Gedanken kreisen lässt, wecken Neugierde: das Verhältnis von Physik und Religion, Ufos, die Wissenschaftsfeindlichkeit der Menschen & die Esoterik.
In seinem ersten Vortrag bleibt Feynman auch dicht an seinem Thema (Was ist Wissenschaft, und wie wirkt sie sich auf den Alltag aus), hier macht er auf mitreißende Weise greifbar, was Forscher in ihre Laboratorien treibt. Dieses Niveau kann Feynman aber leider nicht halten. Im zweiten Kapitel wirbeln seine Ideen zunächst mit gewohnter Brillianz um den Zwiespalt zwischen Religion und Wissenschaft, bevor er beim Stichwort Ethik abschweift und leider allzu diffus wird: Er spricht lange über Moral und den Glauben, um dann festzustellen, dass sich ein Physiker hier mit einem Urteil zurückhält — und sich besser nur über Fragestellungen streitet, die man experimentell klären kann. Schade, dass hier nicht mehr herumkommt. Über die nachfolgende Kommunistenschelte sieht man gerne hinweg… immerhin war damals „kalter Krieg“.
Der dritte Vortrag ist ein Potpourri von Ansichten zu diversen Themen: etwa Kritik an der NASA, Überlegungen zum Ursprung von Ideen, zu Risiken der Atomkraft, zum Humbug Psychoanalyse — leider oft nur angedacht und nicht zu Ende geführt. Vielleicht ist ja keine schlechte Idee, dies dem Leser zu überlassen – ein Anstoß quasi…
Lohnt sich das Lesen nun?
Was soll das alles? lässt sich mit Gewinn lesen, es sind immer noch viele wertvolle Denkanstöße darin. Letztlich aber machte sich Feynman hier zu Dingen Gedanken, von denen er wenig versteht. Was man aber von diesem sympathischen Ausnahmeforscher auf jeden Fall lernen kann, ist, „ich weiß es nicht“ zu sagen, wenn man sich mit einem Punkt nicht auskennt — vielleicht macht das manche seiner Ausführungen so unbestimmt. Also: Wer ergänzend mehr über Feynmans Gedankenwelt erfahren möchte, ist mit diesem Buch gut beraten, wer ihn aber erst kennen lernen will, sollte besser zu anderen Büchern des Autors greifen.
Der Autor || Richard P. Feynman, geboren 1918 in New York, gestorben 1988 in Los Angeles, Studium der Physik am Massachusetts Institute of Technology, ab 1942 Mitarbeiter am ManhattanProjekt in Los Alamos, 1945 bis 1950 Professor für Theoretische Physik an der Cornell University/Ithaca, seit 1950 am California Institute of Technology in Pasadena. 1965 Nobelpreis für Physik.
Richard P. Feynman | Was soll das alles?
Originaltitel: The Meaning of it all
Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: Piper Taschenbuch; Auflage: 5., Aufl. (1. Mai 2001)
ISBN-10: 3492233163
ISBN-13: 978-3492233163