Die Raamin-Presse (1973–2003)
Roswitha Quadflieg gründete die Raamin-Presse 1973 in Schenefeld bei Hamburg. Bis zur Einstellung des Betriebs 2003 produzierte der Verlag handwerklich gefertigte Künstlerbücher in kleinen Auflagen zwischen 100 und 185 Exemplaren. Charakteristisch war die Integration von Text, Typografie, Illustration und Material zu einer gestalterischen Einheit.
Arbeitsweise und Technik
Alle Arbeitsschritte erfolgten manuell:
– Handsatz mit Bleilettern (Garamond, Bodoni)
– Druck auf historischen Handpressen
– Verwendung von handgeschöpften Papieren (z. B. Penshurst-Bütten)
– Einbände in Leder oder Halbleder durch Fachbuchbinder
Die Stiftung Buchkunst zeichnete mehrere Werke als „Schönstes deutsches Buch“ aus.
Publikationen (Auswahl)
- Novalis: Fabeln (1979)
Kleinformat-Ausgabe mit zweifarbigen Holzstichen, gebunden in schwarzem Oasenziegenleder. - Kafka: Vor dem Gesetz (1983)
Mit fünf Farbradierungen, schwarzem Kalbsledereinband und Negativprägung. - Rilke: Sonette an Orpheus (1983)
Experimentelle Typografie auf strukturiertem Büttenpapier. - Beckett: Alles kommt auf so viel an (2003)
Letzte Publikation des Verlages mit Texten aus Becketts Nachlass.
Hinweis: Nach 2003 erschienene Werke (z. B. Orlando, 2004) gehören nicht zum Verlagsprogramm.
Roswitha Quadflieg
Quadflieg studierte Malerei und Grafik in Hamburg (1969–1974) und übernahm bei der Raamin-Presse alle Produktionsschritte selbst: Entwurf, Satz, Druck, Illustration und teilweise die Buchbindung. Nach Schließung der Presse veröffentlichte sie literarische Werke wie Requiem für Jakob (2004).
Zeitgenössische Einordnungen
- „Ihre Bücher zeigen eine konsequente Verbindung von traditionellem Handwerk und künstlerischer Gestaltung.“
(Gutenberg-Museum Mainz, Katalog 2009) - „Quadfliegs Arbeit dokumentiert die Möglichkeiten des Handpressendrucks als künstlerisches Medium.“
(Die Zeit, 12.05.1995)
Aussagen Quadfliegs zur Verlagspraxis
„Ein Buch entsteht erst durch das Zusammenspiel von Material, Typografie und Inhalt. Jede Entscheidung beeinflusst die Lesererfahrung.“
„Die Handpresse erlaubte mir, jedes Detail zu kontrollieren – von der Farbdichte bis zur Papierstruktur. Industrielle Verfahren bieten diese Präzision nicht.“
„Lesbarkeit war nie verhandelbar. Selbst komplexe Gestaltungen mussten den Text unterstützen, nicht dominieren.“
(Dokumentiert in: Hamburger Abendblatt, 2002; Börsenblatt, 2003)
Rezeption und Nachwirkung
- Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg bewahrt Quadfliegs Werkstatt als Stiftung.
- Ihr Archiv liegt in der Johannes a Lasco Bibliothek (Emden).
- Retrospektiven fanden 2013 (Museum für Druckkunst Leipzig) und 2014 (Literaturhaus Berlin) statt.
- Raamin-Presse-Werke werden im Antiquariatshandel für bis zu 1.200 € gehandelt.
Quellen:
Archivmaterial der Johannes a Lasco Bibliothek
Kataloge der Ausstellungen in Leipzig (2013) und Mainz (2009)
Dokumentation des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg
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