Klaus Johannes Thies hat eine Miniatur geschrieben, die von Tauben ausgeht und beim Sitzen endet. Der Text zeigt eine Beobachtung, die ins Stocken gerät. Tauben auf Zweigen, Fragen ohne Antworten. Dann kippt der Blick nach innen: Das Ich merkt, dass es selbst nur dasitzt. Am Ende ein kleines Ritual – Amen, Kerze – eine Markierung, keine Lösung.
Der Text beginnt beobachtend und endet dort, wo Beobachtung aufhört, weil nichts mehr zu beobachten ist außer dem eigenen Dasein. Er bricht ab, wo Zeit ins Spiel kommt, wo die „wenigen Jahre“ auftauchen und gleich wieder verschwinden.

Das Sitzen widerstrebt mir
Ich lese den Text und sehe zuerst Tauben. Vögel mit sicherem Stand, die wissen, wie man auf einem Ast sitzt. Halt haben sie genug. Was ihnen fehlt, ist Ruhe. In unserem Garten werden sie immer wieder von Krähen angegriffen. Sie nisten nicht, sie bleiben nicht lange, aber sie kommen zurück. Unruhe ist Teil ihres Daseins.
Im zweiten Teil des Textes sitze ich nicht mehr still. Ich beobachte nicht nur die Szene, sondern auch den Autor, der sitzen bleibt. Amen sagt. Eine Kerze anzündet. Ich würde aufstehen. Ich würde hinausgehen, mich zu den Tauben setzen, zu den Bäumen.
Zwischen Feldulme und Wildapfel liegt mein Hund begraben. Kein Zeichen, kein Licht, kein Ritual. Nur ein Ort, der trägt, auch ohne Ruhe zu versprechen. Vielleicht zündet irgendwann jemand eine Kerze an. Aber nicht dort. Die Kerze gehört woanders hin.
Zwei Miniaturen, zwei Haltungen
Die eine bleibt sitzen und zündet eine Kerze an. Die andere steht auf und geht zu den Bäumen. Beide halten stand, beide geben keine Antworten. Der Unterschied liegt nicht in der Weisheit, sondern in der Bewegung.
Klaus Johannes Thies: Eine Kerze für mich
Erschienen in der Ausgabe #299 die horen Über Gewohnheiten wie diese
Die Website des Autors: klausjohannesthies.de
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