Literatur ist für mich weit mehr als reine Information und Unterhaltung – sie ist ein Quell der Inspiration und Anlass für lebendige Gespräche, sowohl innere als auch äußere. Anstatt uns in der stillen Rezeption zu verlieren, können wir die Kraft der Texte nutzen, um unser eigenes Denken anzustoßen und neue Perspektiven zu gewinnen.
In dieser Rubrik teile ich persönliche Eindrücke und Gedanken, die einzelne literarische Werke in mir ausgelöst haben. Sie sind sozusagen Momentaufnahmen meiner aktiven Auseinandersetzung mit Texten – wie sie mich inspiriert, zum Nachdenken angeregt und vielleicht sogar zu kleinen „Aktionen“ im Geiste oder im Alltag bewegt haben. Ich verstehe diese Beiträge als Einladung an Sie, liebe Lesende, sich von diesen Impulsen inspirieren zu lassen und vielleicht selbst auf ähnliche Weise in einen aktiven Dialog mit der Literatur zu treten. Denn Literatur ist keine Einbahnstraße, sondern eine fortwährende Einladung zum Austausch und zur gemeinsamen Reflexion.
Ich freue mich auf Ihre Gedanken und Impulse, die durch diese literarischen Begegnungen entstehen mögen!
Begonnene Dialoge:
[Da ich Texte immer wieder aufgreife, Querverbindungen sehe und schaffe, ist ein angeregter Dialog nie wirklich abgeschlossen. Daher lohnt es sich immer wieder hineinzuschauen und gegebenfalls einzubringen.]
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Jürgen Völkert-Marten – NOSTALGIE
Das Gedicht „NOSTALGIE“ ist ein erzählerischer Rückblick auf eine Jugendzeit in den 1960er-Jahren, geprägt von Musik, heimlichen Radiomomenten und einem intensiven Lebensgefühl. Es beginnt mit einer klaren zeitlichen Verortung: „Wie Mitte der Sechziger / zwischen elf und zwölf Uhr nachts“. Die nächtliche Atmosphäre schafft eine intime, wache Stimmung und verweist auf eine Zeit des Übergangs,…
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Jürgen Völkert-Marten – Wege
WEGE ist ein Gedicht, das uns auf eine Reise mitnimmt – nicht nur durch eine Landschaft, sondern auch durch die Art und Weise, wie wir unsere eigenen Pfade im Leben wahrnehmen. Es fordert uns heraus, über das bloße Gehen hinauszublicken und zu hinterfragen, was bleibt, wenn der Weg vermeintlich endet. Mit seinen starken Bildern und…
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Jürgen Völkert-Marten – Ratlos
Es ist das erste Gedicht, dass mir auffällt, als ich nach dem dem abgedruckten Holzschnitt von Heinz Stein suche. Ich überlege, ob ich das Heft gleich wieder schließe. Manchmal trifft man auf Texte, die so gar nicht, nicht mehr zu eigenen Lebenssituation passen. Also, ich habe es dennoch gelesen und hier ist meine – auf…
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Safiye Can – Aussicht auf Leben und Gleichberechtigung
Das Gedicht im Wortlaut (gekürzt):„Frauen / kauft von Frauen / lest von Frauen // […] / bildet eine Faust / werdet laut! // […] / Die Welt muss lila werden.“ Entnommen dem Lyrikband Poesie und PANDEMIE von Safiya Can | Wallstein Verlag 2021 Was steht da?Die Autorin richtet sich in direkter Ansprache an Frauen. In…
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Einzeltäter – Gedicht von Safiye Can
Das Gedicht „Einzeltäter“ nutzt die intensive Wiederholung des Titelmotivs, um eine vielschichtige Deutungsebene zu eröffnen. Hier eine Analyse der zentralen Aspekte: Form und Struktur Wiederholung als Stilmittel: Die ständige Wiederholung von „Einzeltäter“ und Phrasen wie „noch ein“ oder „nur ein“ erzeugt eine rhythmische Monotonie. Dies spiegelt möglicherweise die endlose Wiederkehr des Phänomens oder die gesellschaftliche…
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Stephen Crane – In the desert
Über ein Gedicht, über Ausgrenzung. Dieser 1895 erstmalig veröffentlichte Text hat dazu geführt, dass mir von Gott berufenen Menschen (nach eigenen Aussagen) die Freundschaft gekündigt haben und seitdem jeden Kontakt ablehnen. Ihr Kommentar: Wer so etwas veröffentlicht, der ist vom Teufel geleitet. In the desertI saw a creature, naked, bestial, Who, squatting upon the ground, Held his…
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Shaun Bythell – Tagebuch eines Buchhändlers
Zwischen Bücherliebe und Existenzkampf – Ein Porträt des schottischen Buchhändlers und Autors Shaun Bythell ist weit mehr als nur ein Betreiber eines Antiquariats. Er ist ein scharfer Beobachter der Buchwelt, ein humorvoller Chronist seines Alltags und ein unermüdlicher Kämpfer für den Erhalt unabhängiger Buchhandlungen. Seine internationalen Bekanntheit verdankt er seinen ehrlichen und oft urkomischen Schilderungen…
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Annette Hagemann – MEINE ERBSCHAFT IST DIESE
Annette Hagemanns Gedicht „MEINE ERBSCHAFT IST DIESE“ setzt sich behutsam mit dem ambivalenten Erbe familialer Prägung auseinander. Die scheinbar willkürlichen Relikte, die das lyrische Ich von den Eltern übernimmt – die spezifische Röte der Wangen der Mutter, eine deformierte Jazzplatte aus New York, ein unscheinbarer Koi des Vaters –, erscheinen zunächst als marginale Alltagsfragmente. Doch…
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Paul Klee | Wäre ich ein Gott, zu dem man betet
Wäre ich ein Gott, zu dem man betet,ich käme in die größte Verlegenheit,von einem Tonfall des Bittenden irgendwo gerührt zu werden.Sobald das Bessere nur leise anklänge,würde ich gleich Ja sagen,«stärkend das Bessere mit einem Tropfen von meinem Tau».Somit würde von mir ein Teilchen gewährt,und immer wieder nur ein Teilchen,denn ich weiß ja sehr wohl,daß das…
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ich denke – Günter Abramowski
Eine Annäherung | Dieses Gedicht – eigentlich ohne Titel – steht auf dem Buchdeckel des Bandes zu / das haus / auf dem weg und scheint eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zur Zeit, zur Welt und zum eigenen Ich zu sein. Den ersten Teil, „auch bin ich was ich weiß / trotz dem /…
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Peter Bichsel – Die Geschichte von den drei Steinen
Ein Mann findet drei gewöhnliche Steine und beschließt, ihnen eigene Namen zu geben. Er nennt sie „Herr Babel, „Herr Bohm und „Herr Buht“. Für ihn sind diese Steine ab sofort nicht mehr bloß Steine, sondern Individuen mit bestimmten Eigenschaften, über die er nachdenkt, spricht und sich freut. Er zeigt sie auch einem Kind und bringt…
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Espresso – Sarah Kirsch
Sarah Kirschs Gedicht Espresso entfaltet in knapper, verdichteter Sprache ein Szenario der Rückkehr und des Erstaunens: Das lyrische Ich kommt nach längerer Abwesenheit an einen vertrauten Ort zurück – möglicherweise ein Zuhause – und stellt mit wachsender Irritation fest, dass scheinbar nichts vorbereitet ist. Alltägliche Dinge wie Zucker und Milch fehlen, was zunächst wie eine…
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Im Silberdistelwald
Als hätten sich György Kurtág, Johann Sebastian Bach und Oskar Loerke am Hubertussee getroffen. Der SilberdistelwaldMein Haus, es steht nun mittenIm Silberdistelwald.Pan ist vorbeigeschritten.Was stritt, hat ausgestrittenIn seiner Nachtgestalt. Die bleichen Disteln starrenIm Schwarz, ein wilder Putz.Verborgne Wurzeln knarren:Wenn wir Pans Schlaf verscharren,Nimmt niemand ihn in Schutz. Vielleicht, dass eine BlüteZu tiefer KommunionIhm nachfiel und…
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wer ist wir | Eine Annäherung
Das titelgebende Gedicht „wer ist wir“ von Günter Abramowski erforscht die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen, Identität und existenzieller Unsicherheit durch fragmentarische Sprache und metaphorische Verdichtung. Hier eine strukturelle und thematische Analyse: Form und Struktur Thematische Schichten Sprachliche Besonderheiten Symbolik Zusammenfassung Das Gedicht inszeniert eine existenzielle Krise zwischenmenschlicher Bindung: Die Suche nach Nähe führt zu Verletzung und…
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Eduard Assadow || Ich werde dich lieben, darf ich?
Ich werde in deinen Augen ertrinken, darf ich? Denn in deinen Augen zu ertrinken, ist Glück.Ich komme zu dir und sage: „Guten Tag!Ich liebe dich sehr.“ Ist das schwer?Nein, das ist nicht schwer, sondern mühsam.Es ist sehr mühsam, zu lieben. Glaubst du mir das? Ich gehe auf eine steile Klippe,ich werde fallen, fang mich! Schaffst…

kon·tem·p·la·tive Lyrik
Günter Abramowski
wer ist wir (2024)
LeseProjekte:
[Da ich Texte immer wieder aufgreife, Querverbindungen sehe und schaffe, ist ein angeregter Dialog nie wirklich abgeschlossen. Daher lohnt es sich immer wieder hineinzuschauen und gegebenfalls einzubringen.]
distelicht
Kennen Sie das Gefühl, wenn ein unscheinbares Detail plötzlich eine ganze Welt eröffnet? Genau das ist der Kern des distelichts. Hier tauchen wir in die Belletristik und bildende Kunst ein, um Werke aufzuspüren, in denen die Distel – sei es prominent oder nur am Rande erwähnt, wörtlich oder metaphorisch – eine Rolle spielt. – weiterlesen
Adolf Endler entdecken
Über ein Gedicht, über Ausgrenzung. Dieser 1895 erstmalig veröffentlichte Text hat dazu geführt, dass mir von Gott berufenen Menschen (nach eigenen Aussagen) die Freundschaft gekündigt haben und seitdem jeden Kontakt ablehnen. Ihr Kommentar: Wer so etwas veröffentlicht, der ist vom Teufel geleitet. – weiterlesen
Bodenhaftung
Angeregt durch Renatus Deckerts Gedicht Plötzensee habe ich ein LeseProjekt begonnen, das sich mit der sg Erinnerungskultur beschäftigt. – weiterlesen
Safiye Can – Poesie und Pandemie
Ringen mit Cans Lyrik: Eine persönliche Annäherung an „Poesie und Pandemie“ und darüber hinaus. Beim Eintauchen in Safiye Cans Lyrikband „Poesie und Pandemie“ wurde mir immer wieder bewusst, wie unterschiedlich kollektive Erfahrungen wahrgenommen werden können. weiterlesen
Oskar Loerke – Im Silberdistelwald
Der „Silberdistelwald“ des Oskar Loerke liegt am Hubertussee, geschaffen im Zusammenhang mit dem Bau der Gartenstadt Frohnau aus einem verlandeten Tümpel. Im späten 19. Jahrhundert wurde hier Ton für die nahegelegene Ziegelei gegraben. – weiterlesen
Eduard Assadow – Ich werde dich lieben, darf ich?
uffällig ist auch die paradoxe Haltung: Einerseits fordert er bedingungslose Hingabe („das ganze Leben“), andererseits bittet er fast ängstlich darum, nicht verletzt zu werden („richte mich nicht hin“). – weiterlesen
Shaun Bythell und seine Buchhandlung
In einem kleinen Ort im Südwesten Schottlands, direkt an der Küste von Galloway, liegt Wigtown – offiziell anerkannt als „Scotland’s National Book Town“. Hier lebt und arbeitet Shaun Bythell, Antiquar, Buchhändler – und Autor. – weiterlesen
Annette Hagemann – MEINE ERBSCHAFT IST DIESE
Eine behutsame Auseinandersetzung mit dem ambivalenten Erbe familialer Prägung. Die scheinbar willkürlichen Relikte, die das lyrische Ich von den Eltern übernimmt, … – weiterlesen
Paul Klee | Wäre ich ein Gott, zu dem man betet
Paul Klees Gedicht „Wäre ich ein Gott, zu dem man betet…“ liest sich wie ein frecher, nachdenklicher Monolog – so als ob jemand, der mit aller Macht und Verantwortung ausgestattet wäre, plötzlich ganz menschliche Zweifel und Schwächen hätte. Es ist keine akademische Analyse, sondern ein Blick darauf, was das Gedicht uns heute sagt: … – weiterlesen
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