Die SuBtraktion

Die Reise hatte begonnen, und sie hatte glücklich begonnen mit einem väterlichen Mönch und dem Mondtal.

Bruder Joseph ist zu Besuch. Ich bin unruhig. Ein Schritt. Innehalten. In fließenden Bewegungen neigen sich Oberkörper und Kopf zur Seite, um Buchrücken zu lesen. Die Hände bleiben dabei hinter dem Rücken verschränkt. “Hast Du die Bücher gelesen?” – “Nein. Nahezu keines davon.” Mein geistlicher Begleiter wirbelt nicht nur mit seinen Händen Staub auf. „Und wie viele Bücher hast du hier aufgebahrt?” Ich schaue ihn verlegen an; zumindest nehme ich es selbst so wahr. “Ich weiß es nicht. Etwa zweitausend?!“ Mein Gast runzelt die Stirn und hakt nach: “Aber du weißt schon, welche Bücher du hier stehen hast!?“ Ich schweige. Wie meistens. “Junge, da ist so manch ungewöhnliches Buch dabei. Was versprichst du dir davon, Geschichten zu horten und zu ignorieren?”

Ich hatte den Benediktinermönch gebeten, sich einen Eindruck zu machen, wie ich lebe. Er fasst mich an den Schultern: “Gut, dann widmen wir uns jetzt deiner Furcht.” Denn die hatte er gesehen, und keine Verlegenheit.

So hat diese SuBtraktion ihren Anfang genommen. Mein Arbeitsauftrag: Ich widme mich allen hier versammelten Geschichten und entscheide dann, welche bleiben darf und welche ich weiterreiche. Und, so die Hoffnung, klärt sich dabei der Grund für die Furcht vor Geschichten.

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