Die alten Götter sind tot. In diesen Tagen haben wir ihre Bilder zerschlagen und künden laut ein neues Gebot. Volk du bist groß und unbegreiflich in deinem Tun. Volk, dein Schoß läßt die Kinder der Zukunft los. Söhne der Lüge, Söhne der Wahrheit. Brüder im Irrtum, Brüder in Klarheit wirren um dich in buntem Schwarm. Alle liegen in deinem Arm und wollen an deinem Herzen ruhn, Mutter! Ewig junges Angesicht kehrst du nach der Erde hin. Große Allgebärerin, du stirbst nicht. Du bist unsres Lebens Leben, Volk, und unser tiefster Wurzelgrund. Jeder Hauch ist dir ergeben, jede Hand beschwöre neu den Bund. Tod ist Irrtum, Sterben Trug, was da lebt, ist schon gewesen. Immer hebt zu neuem Flug sich der Geist und will in Sternen lesen. Einmal müssen wir genesen, und aus aller Wirrnis uns befrein. Volk, dann wirst du erst geboren sein, wirst dein eignes Antlitz kennen und dich mit dem wahren Namen nennen. Mächtig schwillt das Beten, Rufen, Schrein: Geburt, Geburt
Aus: Karl Bröger | Sturz und Erhebung
Gesamtausgabe der Gedichte
Eugen Diederichs Verlag Jena
1. bis 10. Tausend | 1943