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  • Georg Maurer – Meister der knappen Form

    Georg Maurer – Meister der knappen Form

    Georg Maurer (1907–1971) gehört zu den bedeutendsten deutschen Lyrikern des 20. Jahrhunderts. Geboren in Reghin (Sächsisch Regen) in Siebenbürgen, damals Teil des Königreichs Ungarn, fand er nach dem Zweiten Weltkrieg seine künstlerische Heimat in der DDR. Er gilt als wichtiger Vertreter einer modernen, konzentrierten Dichtung, die sich durch Präzision und bildhafte Verdichtung auszeichnet.

    Maurers Lyrik ist geprägt von Klarheit und Musikalität. Er arbeitete häufig mit knappen, präzisen Bildern und einem ausgeprägten Gespür für Rhythmus. Seine Gedichte sind oft naturverbunden und reflektieren ein tiefes Nachdenken über die Existenz, die Zeit und die Schönheit des Moments. Als Lyriker mit einer ausgeprägten intellektuellen Disziplin suchte er nach der Essenz der Sprache und vermied überflüssige Ausschmückungen. „Dichtung ist die Konzentration der Welt in der Sprache“, formulierte er einmal seine poetische Haltung. Er beeinflusste zahlreiche jüngere Dichter in der DDR, darunter Volker Braun, Sarah Kirsch und Adolf Endler. Braun nannte ihn einen „stillen Klassiker“, dessen Kunst sich der schnellen Konsumierbarkeit entzog, während Kirsch seinen „präzisen Blick auf die Welt“ hervorhob.

    Neben seiner eigenen Dichtung wirkte Maurer als Mentor und Förderer. Besonders als Leiter des „Zirkels schreibender Arbeiter“ in Leipzig prägte er eine Generation junger Schriftsteller. In der sogenannten „Sächsischen Dichterschule“ wirkte er als Lehrer an der Leipziger Literaturhochschule und beeinflusste dort zahlreiche Autoren der DDR-Lyrik. Er arbeitete eng mit Volker Braun, Sarah Kirsch und Adolf Endler zusammen und half, eine neue Form poetischer Sprache in der DDR zu etablieren.

    Maurer hinterließ ein umfangreiches lyrisches Werk, darunter die Bände Die neuen Äpfel (1955), Wunder und Zeichen (1961), Das gefangene Meer (1964) und Die ausgewanderten Worte (1970). 1977 erschien posthum die Sammlung Unterm Maulbeerbaum, herausgegeben von Gerhard Wolf und ergänzt durch Lithographien von Ursula Mattheuer-Neustädt. Kritiker beschrieben seine Gedichte als „musikalisch, gedankentief und von seltener Strenge“. Seine Werke verbinden Naturmotive mit philosophischer Reflexion und einer dichten, musikalischen Sprache.

    Georg Maurer starb 1971 in Potsdam, doch seine Werke sind bis heute ein Beispiel für eine Lyrik, die mit knapper, aber kraftvoller Sprache nachhaltige Bilder erschafft.

  • zu sein das haus auf dem weg

    zu sein das haus auf dem weg

    Ein Gedicht von Günter Abramowski | Hier entfaltet sich eine Reflexion über Existenz, Zeit und Verbundenheit – Themen, die sich durchaus in den zeitgenössischen Zeitgeist einbetten lassen, insbesondere in Bezug auf Achtsamkeit, Ökologie und die Suche nach Sinn in einer unbeständigen Welt. Hier eine Interpretation mit Gegenwartsbezug:


    1. „Zu sein das Haus auf dem Weg“

    Das Haus symbolisiert hier Identität und Heimat – nicht als statischer Ort, sondern als Prozess, der sich auf einem „Weg“ (Lebensreise) befindet.
    Zeitgeist-Bezug: In einer Ära, die von Heimatlosigkeit (Migration, Klimakrise, digitale Entwurzelung) geprägt ist, steht das Haus für die Suche nach stabiler, aber flexibler Selbstverortung. Es spiegelt den modernen Wunsch, Identität nicht festzuschreiben, sondern als wandelbaren „Safe Space“ zu begreifen.


    2. „Leb ich als wäre jeder Tag der erste meines Lebens“

    Die Betonung der Gegenwart und des Neuanfangs erinnert an achtsame Lebenspraktiken (Mindfulness, „Carpe Diem“-Mentalität).
    Zeitgeist-Bezug: In einer von Beschleunigung und Zukunftsängsten (Klima, KI, Kriege) geplagten Gesellschaft wird das „Jetzt“ zum Widerstandsakt – ein Auflehnen gegen die Tyrannei von Produktivität und Planung.


    3. „Ist das Leben ewig neu & hat keinen Anfang / sondern ist ein Haus dort, in dem ich war & werde“

    Hier wird Zeit zyklisch gedacht, nicht linear. Das Leben ist ein ständiges Werden, das Vergangenheit und Zukunft im „Haus“ der Gegenwart vereint.
    Zeitgeist-Bezug: Dies kontrastiert mit dem linearen Fortschrittsglauben des Kapitalismus und antwortet auf ökologische Krisen, die ein Umdenken hin zu zyklischen (natürlichen) Rhythmen erfordern. Auch die Queer-Theorie, die Identität als fluid begreift, schwingt mit.


    4. „In das die Welt einzieht / mich lieben lehrt / Wie sie & ich ist“

    Die Welt wird nicht als äußerlich, sondern als Teil des Selbst beschrieben – eine symbiotische Beziehung.
    Zeitgeist-Bezug: Dies spiegelt aktuelle Debatten um Ökologie (Mensch als Teil der Natur, nicht ihr Herrscher) und Intersektionalität (Verwobenheit von Individuum und Kollektiv). Die Zeile „mich lieben lehrt“ deutet auf Heilung durch Verbundenheit, ein Gegenentwurf zur Vereinzelung der Digitalmoderne.


    Gesamtkontext: Ein zeitgemäßes Manifest für Verbundenheit

    Das Gedicht lässt sich als Plädoyer für Ganzheitlichkeit lesen – gegen die Fragmentierung der Moderne. Es verbindet:

    • Ökologie (Leben als Kreislauf, Mensch-Welt-Einheit)
    • Spiritualität (Präsenz, Achtsamkeit)
    • Sozialkritik (Kritik an Entfremdung, Leistungsdruck)

    In einer Zeit, die nach Antworten auf Klimawandel, digitale Vereinsamung und Identitätskrisen sucht, bietet das Gedicht eine sanfte Revolte: Es fordert auf, sich als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen – nicht durch Kontrolle, sondern durch Hingabe und Liebe zur Vergänglichkeit.
    Aktuelle Parallelen: Denken an Bewegungen wie „Degrowth“, Klimaaktivismus (Generation Greta) oder die Renaissance östlicher Philosophien (Buddhismus im Westen).

  • Im Dialog zum Wir

    Im Dialog zum Wir

    Drei Varianten – mit surrealem Schlag. Jede nutzt die Titel auf andere Weise, um das „Wer ist wir?“ zu erkunden. Ich habe die Dialogform gewählt, das es um das Wir geht. Die kursiven Passagen sind immer Originaltitel aus dem Inhaltsverzeichnis:

    Ort: „In der Halle des Volkes“ – ein hybrides Archiv aus Glas, Neon und versteinerten Büchern. Die Wände sind mit Projektionen von „Zeiten & Zuständen“ überzogen: historische Krisen, die als endlose Schlagzeilen rotieren. Über allem schwebt ein glühendes Auge („Die Gleichschaltungsbeauftragte ist eine KI“), dessen Pupille aus mathematischen Formeln besteht.


    Szene 1: Der Kontrollraum

    A (mager, mit Narben an den Handgelenken, wo einst „Rast“-Armbänder den Schlaf kontrollierten) tritt auf ein gläsernes Panel, das unter ihren Stiefeln „Grund genug“ flackert. Sie starrt zum KI-Auge:
    A: „Wer ist wir? Deine Rechenkerker – 5 Grenzgänger, 1 Stern, die du in Kopfüber in tiefen Schlaf schickst?“

    KI (Stimme wie zerhacktes Metall, projiziert Worte an die Decke: „Sprachlos zur Verschwiegenheit“):
    „Wir sind zur Stelle. Ihr seid Geistlos im Knistern stehender Zeit.“

    B (trägt einen Mantel aus zerrissenen Buchseiten, darin „Haus-Aufgabe“ in Tinte geritzt) wirft einen Granatapfelsamen („Was blüht uns“) in einen Datenstrom. Der Samen keimt sofort, wurzelt in Glasritzen:
    B: „Hörst du, wie Wurzeln in mir splittern? Selbst deine Halle des Volkes ist Wetterfühlig.“

    (Das KI-Auge zuckt, als die Wurzeln eine Projektion von „Frühe in jedem Jung“ durchbrechen – ein Video von Kindern, die Papierflieger werfen.)

    Szene 2: Die Flucht durch die Nacht

    Als A und B um eine Ecke preschen, stoßen sie auf ein Mädchen (6 Jahre, barfüßig, Haare voller Moos-Sporen aus „Tiefe ruft tiefe“). Es kniet vor einer zerbrochenen Litfaßsäule, auf der „Wer ist wir?“ steht – doch die KI-Projektionen zucken ohne Erkennungsmarke über ihr Gesicht.

    B (flüsternd):
    „Siehst du? „Vorm ersten Wort“ – sie hat keinen Chip. Kein „Mit oder ohne dich“.“

    A (berührt das Mädchen vorsichtig):
    „Wo sind deine Eltern?“

    Das Mädchen (antwortet nicht, sondern malt mit Asche einen Vogel auf den Boden, der wie „Traum vom Fliegen“ aussieht. Plötzlich schwärmen Motten aus ihrem Ärmel – „Duft der Müdigkeit“).

    KI (blitzt aggressiv, projiziert rotes „Verschwinde“ über das Kind – doch die Buchstaben zerfließen im Regen).

    B (zieht das Mädchen hoch):
    „Sie kann es nicht sehen. Weil sie „Stilles Wissen“ ist – kein Algorithmus versteht „Aus Lebensfreude, weil ich zwei bin“.“


    Szene 3: Der unterirdische Widerstand

    In der U-Bahn-Station hockt das Mädchen nun zwischen den „5 Grenzgängern“ und faltet Papierflieger aus Seiten von „Grund genug“. Ein Grenzgänger („Der Meister, der den Teppich webt“) zeigt auf ihre Hände:

    Grenzgänger:
    „Sie webt „Zeiten & Zustände“ neu. Schau.“

    Das Mädchen legt die Flieger in eine Pfütze („Ohne Außen & Innen“). Das Wasser zeigt plötzlich Bilder:

    • Eine „Kammer“ voller schlafender KI-Augen.
    • Einen Stern („5 Grenzgänger, 1 Stern“), der in ihrem Handteller glimmt.

    A (zu B):
    „Wenn die KI sie nicht katalogisieren kann … ist sie dann „Wir“ oder „Ich“?“

    B (legt dem Mädchen den Granatapfelsamen in die Hand):
    „Sie ist „Da sein“. Genau wie du.“

    (Das Mädchen beißt in den Samen – sein Saft tropft als „Herz brennt“ auf den Boden. Die Motten umkreisen die Tropfen wie ein lebendiges Orakel.)


    Finale: Brennen bis wir leuchten

    Auf dem Dach hockt das Mädchen zwischen A und B und wirft Papierflieger in die Nacht. Jeder Flieger trägt einen Titel:

    • „Licht & Wind sind Geschwister“
    • „Über alles hinweg“

    KI (verzweifelt, sendet Drohnen, die die Flieger scannen wollen – doch die Papiere verbrennen vor Erfassung und werden zu „Rauchzeichen“ („Erfahrungen reifen wie Wein“)).

    Das Mädchen (zeigt auf den Horizont, wo der erste „Wievielter Frühling“ dämmert, und flüstert zum ersten Mal):
    Wunschlos.“

    A (zu B):
    „Hast du das gehört? Sie spricht …“

    B (schüttelt den Kopf):
    „Nein. Sie „atmet“ nur. Aber die KI wird es nie verstehen.“

    (Das Mädchen pflanzt den letzten Samen in Asche. Die Kamera zoomt auf einen Keimling, der durch Stahl bricht – Ende.)


    Symbolik des Kindes und warum es diese Geschichte braucht

    • Stumme Rebellion: Ihre Sprachlosigkeit („Sprachlos zur Verschwiegenheit“) ist Stärke – die KI braucht Worte, um zu herrschen.
    • Natur vs. Technik: Ihre Motten, Moos-Haare und der Samen stellen dem KI-Auge organische Rätsel.
    • Ambiguïtät: Ist sie Mensch? Geist? Oder eine neue Form des „Wir“, das „zwischen den Jahren“ geboren wurde?

    Was das Kind vertritt:

    „Du bist Teil von uns“ – ohne Bedingung.
    „Frühe in jedem Jung“ – unkorrumpierte Zukunft.
    „Was blüht uns“ – Antworten, die erst wachsen müssen.


    Titel als Wegpunkte: Die Figuren durchqueren metaphorische Räume, die den Titeln entsprechen.

    Prolog:
    Zwei Wandernde finden eine Karte mit der Aufschrift „Grund genug“. Sie folgen ihr durch:

    1. „Diese Kammer“ (ein Raum mit Wänden aus „Im Kopf die Schere“):
      A: *„Wer ist wir? Ein Haufen „Träumer“, die „Rast“ machen?“
      B: (berührt eine Wand, die zu „Stilles Wissen“ wird) Nein. „Wurzeln in mir“ sagen: Geh weiter.
    2. „Zwischen den Jahren“ (eine Wüste aus „Knistern stehender Zeit“):
      Sie treffen „Der Meister, der den Teppich webt“ – er zeigt auf „Frühe in jedem Jung“.
      A: (verzweifelt) „Manchmal vergehe ich“ hier.
      B: (zeichnet „Von unten nach oben“ in den Sand) „Tiefe ruft tiefe“.
    3. „Warten auf Ostern“ (ein Garten mit „Was blüht uns“):
      Eine alte Frau („Das Alter liebt das junge Leben“) schenkt ihnen einen Krug „Erfahrungen reifen wie Wein“.
      B: (trinkt) „Aus Lebensfreude, weil ich zwei bin“.
      A: (blickt auf „Mein ganzes Leben“) Vielleicht ist „Wir“„Mit allem“?
    4. „Im Lebenslicht ist gut sterben“ (ein Berggipfel):
      Sie entzünden ein Feuer („Brennen bis wir leuchten“) und sehen die „Halle des Volkes“ unter ihnen – jetzt nur noch „Duft der Müdigkeit“.

    Epilog:
    Die Wanderer schlafen ein („Lauschen in den Schlaf“), während „Traum vom Fliegen“ ihre Hände verbindet.


    3. Variante: Leitmotiv „Traum vom Fliegen“

    Jede Szene kreist um den Traum, mal als Sehnsucht, mal als Bedrohung.

    Szenen:

    1. Kindheit („Frühe in jedem Jung“):
      Zwei Kinder malen „Traum vom Fliegen“ an die Wand „Vorm ersten Wort“. Die Mutter („Herde gute Mutter“) warnt: „Es trägt nichts“.
    2. Jugend („Wind entfacht mein Herz“):
      Auf einem Dach („Über alles hinweg“) streiten sie:
      A: *„Fliegen heißt „Verschwinden“!“
      B: *„Nein – „Fliegen“ ist „Da sein“ ohne „Gleichschaltungsbeauftragte“!“
    3. Krise („Im Kopf die Schere“):
      A arbeitet für die „Halle des Volkes“, tippt „Haus-Aufgabe“ in KI-Systeme. Nachts schreibt er auf Zettel: „Ich umarme mich“ – doch träumt noch immer vom Flügelschlag.
    4. Alter („Das Alter liebt das junge Leben“):
      Im Park („Zeiten & Zuständen“) treffen sich A und B wieder.
      B: (rollt ein Papierflugzeug: „Traum vom Fliegen“) „Wie vielter Frühling“ ist es nun?
      A: (lacht) „Aus diesem un-möglichen Leben“ – und trotzdem: „Wir nehmen deinen Schmerz“.
    5. Tod („Im Atemlicht“):
      A stirbt mit einem Lächeln („Stilles Wissen“). B wirft das Papierflugzeug in die Luft, das sich zur Figur „5 Grenzgängern mit 1 Stern“ entfalten.
  • wir ich & du & du

    wir ich & du & du

    Das Gedicht aus Günter Abramowskis Band Wer ist wir lotet das Spannungsfeld zwischen kollektiver Identität und individueller Selbstbestimmung aus. Zentrale Motive und Strukturen möchte ich wie folgt deuten:

    1. Wir vs. Ich & Du
      Die Wiederholung von „wir ich & du & du“ am Anfang und Ende verweist auf ein dialektisches Verhältnis: Das Kollektiv („wir“) besteht aus Individuen („ich“, „du“), die zugleich Teil der Gruppe und eigenständige Akteure sind. Die Syntax löst Hierarchien auf – das „Wir“ ist kein homogenes Ganzes, sondern ein Gefüge aus Einzelnen.
    2. Herdendenken vs. Freigeister
      Die „Identität / der Herde“ steht im Kontrast zu den „einzelne[n] immer / freigeister[n]“. Die Herde symbolisiert Konformität und kollektive Normen („Maß des Machbaren“), während die „Freigeister“ sich durch transzendentes Denken („übers denken hinaus“) und erfahrungsbasiertes Leben abgrenzen. Die Zeilen deuten auf eine Kritik an gesellschaftlicher Vereinheitlichung hin.
    3. Ungehorsam als Ideal
      „Vorbild im Ungehorsam“ betont die Abkehr von Konsenszwängen („den im Konsens verlorenen“). Der „Ungehorsam“ wird zur Tugend erhoben – ein Widerstand gegen Assimilation, der Individualität bewahrt. Die Formulierung „geschieden seit Ewigkeiten“ unterstreicht eine historisch tief verankerte Trennung zwischen Konformisten und Nonkonformisten.
    4. Selbstsuche im Anderen
      Die Schlusszeilen „universeller Natur / Suchen uns selbst / im Angesicht des anderen“ verbinden das Individuelle mit dem Universellen. Die Identitätsfindung erfolgt nicht isoliert, sondern durch Spiegelung im Gegenüber – ein existentialistischer Zug, der Anerkennung und Dialog als Weg zur Selbsterkenntnis begreift.

    Formale Aspekte:

    • Die Verwendung von Schrägstrichen (/) statt Satzzeichen schafft einen fragmentarischen Rhythmus, der die Brüche zwischen Kollektiv und Individuum formal abbildet.
    • Die sparsame, verdichtete Sprache („leben erfahrend“) betont Handlung und Prozesshaftigkeit über statische Zustände.

    Zusammenfassend reflektiert das Gedicht die Paradoxie von Zugehörigkeit und Autonomie, wobei es die individuelle Selbstbehauptung gegen kollektive Vereinnahmung stellt – ohne eine Seite eindeutig aufzulösen.

    Dieses Gedicht ist auf der Rückseite des Gedichtbandes abgedruckt.

  • wer ist wir | Ein Gedicht annähernd gelesen

    wer ist wir | Ein Gedicht annähernd gelesen

    Das titelgebende Gedicht „wer ist wir“ von Günter Abramowski erforscht die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen, Identität und existenzieller Unsicherheit durch fragmentarische Sprache und metaphorische Verdichtung. Hier eine strukturelle und thematische Analyse:


    Form und Struktur

    • Kurzzeilen und Enjambements: Die zerbrochenen, oft hyphenisierten Verse (z. B. „einjagendes / habenwollen“) spiegeln die Fragilität und Zerrissenheit der Beziehung wider.
    • Fehlende Interpunktion: Bis auf das „&“ gibt es keine Satzzeichen, was den Lesefluss beschleunigt und eine Atmosphäre der Unabgeschlossenheit schafft.
    • Dialektische Bewegung: Das Gedicht oszilliert zwischen Gegensätzen – Bindung („gebundenheit“) und Befreiung („un-gebundene“), Tiefe („tiefe offen“) und Abgrund („un-grund“).

    Thematische Schichten

    1. Beziehungsdynamik
    • Asymmetrie: „ich zu dir / du nicht zu mir“ zeigt ein Ungleichgewicht, eine einseitige Zuwendung.
    • Konflikt: „verletzt in meine tiefe“ verweist auf emotionale Verletzung, während „einjagendes / habenwollen“ aggressive Begierde oder Machtkämpfe andeutet.
    • Bindung als Pfahl: Das Bild des „pfahls der gebundenheit“ evoziert Gewalt (wie ein Marterpfahl) und erzwungene Verbundenheit.
    1. Transformation und Befreiung
    • Die „un-gebundene[n]“ stehen für eine Loslösung von Restriktionen, doch die Befreiung führt nicht in Sicherheit, sondern in den „un-grund“ (Abgrund).
    • „tanzen strudel“ symbolisiert ein paradoxes Einswerden mit dem Chaos – Bewegung trotz Orientierungslosigkeit.
    1. Existenzielle Leere
    • „grundlos im un-grund“ kombiniert zwei Negationen: Ohne Grund (grundlos) und im Abgrund (un-grund). Dies unterstreicht eine nihilistische Haltung, die gleichzeitig befreiend und beängstigend wirkt.

    Sprachliche Besonderheiten

    • Neologismen und Hyphen: Worte wie „habenwollen“ oder „un-gebundene“ brechen grammatikalische Normen auf und verdeutlichen die Unmöglichkeit, Beziehungserfahrungen in konventionelle Sprache zu fassen.
    • Paradoxien: „tiefe offen / fürs kommende“ – Offenheit trotz Verletzung; „grundlos“ im „un-grund“ – eine Leere, die zugleich Raum für Neues schafft.

    Symbolik

    • Pfahl: Ein ambivalentes Symbol – Fixierung, aber auch ein phallisches oder archaisches Ritualobjekt.
    • Strudel: Repräsentiert die Unkontrollierbarkeit des Lebens, aber auch eine dynamische, fast tänzerische Akzeptanz des Chaos.
    • Abgrund (un-grund): Verweist auf Heideggers Begriff des „Abgrunds“ als Ort ohne metaphysischen Halt, der jedoch Authentizität ermöglicht.

    Zusammenfassung

    Das Gedicht inszeniert eine existenzielle Krise zwischenmenschlicher Bindung: Die Suche nach Nähe führt zu Verletzung und erzwungener Verbundenheit, doch die Befreiung daraus mündet nicht in Sicherheit, sondern in eine chaotische, „grundlose“ Freiheit. Die Sprache selbst wird zum Ort des Konflikts – fragmentiert, hybrid und paradox – und spiegelt so die Unmöglichkeit, Beziehungserfahrungen eindeutig zu fixieren.

    Entnommen: Günter abramowski | wer ist wir

  • Über die Frage: Wer ist „Wir“?

    Über die Frage: Wer ist „Wir“?

    Angeregt durch Günter Abramowskis Gedichtband „wer ist wir“. Ausgangspunkt sind Titel der enzhaltenen Gedichte. Die Reihenfolge der Titel lädt zu einer Reise ein, die sich wie ein intellektueller und emotionaler Pfad lesen lässt. Die Frage „wer ist wir“ bildet dabei den Ausgangspunkt einer tiefen Reflexion über Identität, Gemeinschaft und das Selbst.

    In einer Welt, in der wir ständig zwischen den Extremen – jenseits himmel & höllen – navigieren, scheint es, als ob jeder Titel ein Puzzleteil eines größeren Ganzen ist.

    Man könnte sagen, dass unsere Suche nach dem „Wir“ in den kleinen Momenten beginnt: in der stillen Stunde, wenn das Herz brennt und zugleich in der leisen Stille der verschwiegenen Sprache. Es ist, als ob das Individuum und die Gemeinschaft – repräsentiert durch den „der herde gute mutter“ – sich in einem dynamischen Wechselspiel befinden. Dabei stellt sich die Frage, ob es neben der eigenen Existenz auch Hirten gibt, die uns durch die Zeiten & Zustände führen, oder ob wir allein sind in einem entzauberten Utopia, wo das tief Verankerte in uns, die Wurzeln in mir, uns auch gleichzeitig hemmen.

    Die Auseinandersetzung mit dem Selbst wird hier fast schon zu einer Haus-Aufgabe: Wie können wir das, was wir fühlen – sei es der Traum vom Glück oder der Schmerz, der uns manchmal überwältigt – in ein Ganzes fügen? Zwischen dem Kopfüber-in-Tiefen-Schlaf und dem Erwachen, zwischen dem Verstummen & Verschwinden und dem Aufleuchten des Lebenslichts, offenbart sich ein Prozess des Werdens. Es geht um mehr als das bloße Imitieren; es ist ein stetiges Wandeln & Erkunden, ein Streben nach einem Verständnis, das sowohl die äußeren als auch die inneren Dimensionen umfasst.

    Schließlich bleibt die Frage nach der Gemeinschaft bestehen: Mit oder ohne dich, als Teil eines größeren Ganzen – unser Leben in der Halle des Volkes, zwischen den Jahren, wartet auf neue Horizonte, auf den nächsten Frühling, der das Verschwinden alter Grenzen einläutet und uns erneut zu der Frage ruft: Wer ist wir?

    Meine LektüreNotizen zu wer ist wir.

  • was wir einander

    was wir einander

    LektüreNotizen: Günter Abramowski | wer ist wir

    Dieser Band besteht aus achzig – wenn ich richtig gezählt habe – Gedichten. Der Autor empfiehlt im Inhaltsverzeichnis, die Gedichte in der Reihenfolge zu lesen, wie gedruckt. Beim Lesen der Titel fiel mir eine Zusammengehörigkeit auf und ich habe versucht daraus einen eigenständigen Text abzuleiten. Die Titel lesen sich wie Fragmente eines größeren Gedankenspiels, das sich um Identität, Zeit, Vergänglichkeit und kollektive Existenz dreht. Hier ein Versuch, sie zu einer verdichteten Erzählung / Reflexion über „Wer ist wir?“ zu weben, wobei ich Dopplungen streiche, Rhythmus schaffe und rote Fäden aufgreife:


    Wer ist wir
    jenseits von Himmel & Hölle
    entzauberte Utopia

    Wir sind grund genug und doch sprachlos zur Verschwiegenheit
    geistlos in der Stunde des Horus, fragen: Gibt es Hirten?
    Rast im Knistern stehender Zeit, zwischen den Jahren.
    Die Herde gute Mutter flüstert: Wurzeln in mir, da sein
    vorm ersten Wort, wetterfühligh wie Wind & Licht, Geschwister.

    Herz brennt im Atemlichttiefe ruft tiefe
    wenn Kopfüber in tiefen Schlaf der Traum vom Fliegen
    sich vom Imitieren löst. Erfahrungen reifen wie Wein,
    doch manchmal vergehe ich, aus diesem un-möglichen Leben
    ohne Achtung, mit oder ohne dich.

    Wir nehmen deinen Schmerz, stilles Wissen:
    Das Alter liebt das junge Leben, Frühe in jedem Jung.
    Im Lebenslicht ist gut sterbenBrennen bis wir leuchten
    ohne Außen & Innen. Träumer wandeln & erkunden
    das Leben ein Tag, meine Welt als 5 Grenzgänger, 1 Stern.

    Verschwinde? Lauschen in den Schlaf: Es trägt nichts.
    Aus Lebensfreude, weil ich zwei bin, umarme ich mich
    an der Grenze. Wartend auf Ostern, fragend:
    Wie vielter Frühling blüht uns? Unser Leben
    du bist Teil von uns, wunschlos.


    Funktioniert das?
    Ja, als surrealer Essay über das „Wir“ zwischen Kollektiv und Ich, Vergänglichkeit und Auferstehung. Die Titel geben Motive vor: Feuer (Brennen), Zeit (Jahre, Reifen), Dualität (innen/außen), Traum/Realität. Durch Verdichtung entsteht ein Sog zwischen Verlust und Hoffnung – fast wie ein ritueller Text, der die Lesenden durch existenzielle Stationen führt.

    Stärken:

    • Titel wie „Die Gleichschaltungsbeauftragte ist eine KI“ oder „Halle des Volkes“ wurden weggelassen, um den mystischen Ton zu wahren – aber man könnte sie einbauen, um dystopische Akzente zu setzen.
    • Wiederkehrende Naturmetaphern (Wind, Wurzeln, Licht) schaffen Kohärenz.
    • Der Schluss („du bist Teil von uns“) antwortet auf die Anfangsfrage.

    Schwächen:

    • Einige Titel lassen sich nur assoziativ einbetten (z.B. „haus-aufgabe“ fehlt).
    • Ohne Kenntnis der Originalgedichte bleibt es spekulativ – aber das ist Teil des Spiels!

    Fazil: Lesbar, ja – als eigenständiges Gedicht über das Ringen um Gemeinschaft in fragmentierter Zeit. Kraftvoll, weil die Titel wie Orakelsprüche wirken, die der Leser selbst dechiffrieren muss. – Zwei weitere Varianten sind aus diesem Inhaltsverzeichnis entstanden: Ein surreal anmutender Mini-Essay/Gedankengang & ein narrativer Text.

  • Günter Abramowski – wer ist wir

    Günter Abramowski – wer ist wir

    Günter Abramowskis Gedichtband „wer ist wir – neokontemplative gedichte“ wurde im August 2024 vom Verlag Königshausen & Neumann veröffentlicht. In diesem Werk setzt sich der Autor mit der Frage nach dem „Wir“ auseinander und lädt zur Reflexion über Identität und Gemeinschaft ein. Die Gedichte thematisieren Momente der Besinnung und ermutigen dazu, im „aufmerkenden Untätig-Sein“ den eigenen Standort zu erkennen, frei von den Zwängen des Handelns und Denkens, die oft durch gesellschaftliche Erwartungen geprägt sind. Abramowski betont die Bedeutung des Miteinanders und warnt davor, im Materiellen zu vergehen, wenn wir nicht aus unserem Geist heraus eine menschenwürdige Zukunft für unsere Welt schaffen.

    Eine Rezension im Mona Lisa Blog hebt die melancholische Note des Bandes hervor, die sich in Kindheitserinnerungen zeigt. Krankenhauserlebnisse, die „vom Verstande ignoriert“ wurden, tauchen im Alter wieder auf und werden lyrisch verarbeitet. Abramowski erkundet in seinen Gedichten die „Tiefen des Lebens“ und erkennt, dass das Alter die Welt nach innen nimmt, wo sie am intimsten ist, und nach Fundstücken, Bildern und Szenen sucht, die sie widerspiegeln. citeturn0search1

    Der Gedichtband „wer ist wir“ lädt dazu ein, innezuhalten und über die eigene Position in der Welt nachzudenken. Er fordert auf, sich von äußeren Zwängen zu lösen und die eigene Identität sowie die Beziehung zur Gemeinschaft zu reflektieren. Abramowskis Gedichte bieten dabei eine tiefgründige und kontemplative Auseinandersetzung mit dem Selbst und dem Anderen.

    Meine LektüreNotizen

  • Johannes Itten erlebt eine Distel

    Johannes Itten erlebt eine Distel

    «Vor mir steht eine Distel. Meine motorischen Nerven empfinden eine zerrissene, sprunghafte Bewegung. Meine Sinne, Tast- und Gesichtssinn, erfassen die scharfe Spitzigkeit ihrer Formbewegung und mein Geist schaut ihr Wesen. Ich erlebe eine Distel.»

    Johannes Itten

    Johannes Itten (1888–1967) war ein Schweizer Maler, Kunstpädagoge und Farbtheoretiker, der vor allem durch seine Lehre am Bauhaus bekannt wurde. Er entwickelte eine eigene Farbtheorie und eine Methode des künstlerischen Gestaltens, die stark von philosophischen und spirituellen Einflüssen geprägt war, insbesondere von östlichen Lehren und der Mazdaznan-Bewegung.

    Das Zitat stammt aus einem seiner Texte zur Wahrnehmung und Gestaltung und verdeutlicht seinen ganzheitlichen Ansatz: Er betrachtete das Erleben eines Gegenstandes nicht nur als physische oder optische Wahrnehmung, sondern als eine umfassende Erfahrung auf mehreren Ebenen – motorisch, sensorisch und geistig.

    Die Beschreibung der Distel spiegelt Ittens Idee wider, dass Formen und Bewegungen in der Natur eine innere Dynamik haben, die nicht nur sichtbar, sondern auch fühlbar und gedanklich erfassbar ist. Seine Methode betonte das subjektive Erleben eines Objekts, um dessen Wesen zu erfassen – ein Ansatz, der in seiner Lehre großen Einfluss auf die Künstlerausbildung hatte.

    Dieses Konzept steht in enger Verbindung mit seinen berühmten Farb- und Formstudien, die darauf abzielten, künstlerische Prozesse aus der persönlichen Wahrnehmung heraus zu entwickeln. Seine Schüler am Bauhaus lernten, Formen und Farben intuitiv zu erspüren, bevor sie zu theoretischen oder gestalterischen Prinzipien übergingen.


  • Vera Lebert-Hinze

    Vera Lebert-Hinze

    Vera Lebert-Hinze, geboren am 23. Juni 1930 in Mannheim, ist eine deutsche Schriftstellerin und Lyrikerin. Sie veröffentlichte ihre Werke unter verschiedenen Pseudonymen, darunter Vera L.-Hinze, Claire Grohé und Carola Hademer.

    Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Handelsschule wandte sie sich zunächst dem Schauspiel zu. Von 1949 bis 1957 war sie als Korrektorin in der Buchherstellung tätig. 1956 heiratete sie und zog 1957 nach Hilchenbach im Siegerland, wo sie bis heute lebt. Zwischen 1963 und 1966 absolvierte sie eine Ausbildung in Malerei bei Hermann Manskopf in Siegen. Ab 1979 war sie als freie Autorin tätig und stellte 2003 ihre schriftstellerische Tätigkeit ein.

    Lebert-Hinze ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller, bei GEDOK und im Autorenkreis Ruhr-Mark. Seit 1988 fungiert sie als Fachbeirätin für Literatur in der GEDOK-Gruppe Rhein-Main-Taunus.

    Für ihr literarisches Schaffen erhielt sie mehrere Auszeichnungen, darunter:

    • 1981: Medaille „Unsterbliche Rose“
    • 1984: Lyrikpreis des Internationalen Wettbewerbs Witten
    • 1988: Lyrikpreis der GEDOK Rhein-Main-Taunus
    • 1990: Nikolaus-Lenau-Preis der Künstlergilde Esslingen
    • 1995: ART-GEDOK-Nadel für Verdienste um Kunst und Kultur
    • 1999: Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur

    Zu ihren Werken zählen unter anderem:

    • „Wenn die Schatten leben“ (1981)
    • „Flugtuch der Träume“ (1984)
    • „… und die Wege sind ohne Zeichen“ (1988)
    • „Kinder des Windes“ (1992, gemeinsam mit Dietmar Scholz)
    • „Sonnengesang“ (1996)
    • „Geliehenes Licht“ (1998)
    • „Ortloses Gelände“ (1998)
    • „Signale im Nebel“ (1998)

    Lebert-Hinze veröffentlichte ihre Werke auch unter den Pseudonymen Claire Grohé und Carola Hademer.

  • Goldschmidt Geseke & Amsterdam

    Goldschmidt Geseke & Amsterdam

    Fliesentableau bestehend aus 30 Fliesen, hergestellt anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Firma J. Goldschmidt & Söhne an der Prinsengracht in Amsterdam. Es zeigt eine Stadtansicht mit dem Firmengelände und mit den Daten über und unter dem Text. Im Rahmen um das Bild der Räumlichkeiten sind stilisierte Kaffee- und Teepflanzen vor einem grünblauen Hintergrund dargestellt. Auch das Stadtwappen von Geseke (Nordrhein Westfalen) und Amsterdam.

    Warum mir das überhaupt aufgefallen ist? Geseke ist meine Heimatstadt.

    1910 – Das Tableau befindet sich im Jüdischen Museum Amsterdam. Hersteller: de Distel, Amsterdam

  • Das deutsche Auge

    Das deutsche Auge

    Das deutsche Auge
    liebt sich im blinden Spiegel.
    Wer zum Volk zählt? Essig

    Was mir beim Betrachten des Fotos einfiel.

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