Peer Teuwsen | Das gute Gespräch

Wie man erfolgreich fragt.

Manche Berufsleute sehen darin eine schnelle, einfach zu realisierende Textform: Mach doch einfach ein Interview, heißt es in Ermangelung origineller Einfälle auf der Redaktion. Ein paar Fragen stellen, das kann jeder; dir kommt dann schon etwas in den Sinn. Abtippen, abdrucken, und fertig ist der Spaß.

Und so sehen die Interviews auch aus: ambitionslos zusammengeschusterte Frage-Antwort-Abfolgen. Am anderen Ende des Spektrums stehen die Meisterstücke, wo wahre KönnerInnen das verschriftlichte Gespräch zur Perfektion treiben. Ein Journalist, der in der obersten Interview-Liga spielt, ist Peer Teuwsen. Der langjährige „Magazin“-Redaktor und heutige Korrespondent der Hamburger „Die Zeit“ in der Schweiz hatte im Laufe seiner Berufsjahre die Gelegenheit, zahlreichen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte im Gespräch gegenüberzusitzen. Nun lässt Teuwsen das Publikum auch am Entstehungs- und Selbstkritikprozess seiner Gespräche teilhaben. Herausgekommen ist, wie Teuwsen oder der Verlag es nennt, ein „Lehrbuch“, doch keines, das nur in aufrechter Sitzposition am Studierpult geniessbar ist. Der Untertitel verweist denn auch primär auf ein paar Seiten im Schlussteil des Buchs, wo der Autor seine Erkenntnisse zur guten Gesprächsvorbereitung und -führung thesenhaft verdichtet hat.

Der Hauptteil des Bändchens besteht aus dem Wiederabdruck von zehn Interviews, die Teuwsen in den letzten sieben Jahren für das „Magazin“ und die „Weltwoche“ geführt hat. Gespräche, die hohe Wellen geworfen haben, wie etwa jenes mit dem türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk, mit Personen, die Teuwsen immer schon einmal treffen wollte, wie die beiden britischen Popstars Elton John und Robbie Williams. Als pädagogischen Mehrwert (wir lesen schließlich ein Lehrbuch) hat Teuwsen seinen Interviews ein „Making-of“ vorangestellt, in dem er die Vorgeschichte erzählt. Etwa, wie sich PR-Manager vor ihre prominenten Schützlinge stellten oder wie ihn beim Gespräch mit Susan Sontag ein Grüppchen Zuschauer in seinem Hotelzimmer beobachteten. In den Gesprächen selbst kommentiert Teuwsen seine Strategie bei bestimmten Fragen. Am Ende jedes Interviews resümiert der Autor schliesslich in einer kurzen Bilanz die gezogenen Lehren. Gerne würde man über den Gesprächsverlauf, über die Knack- und Wendepunkte, mehr erfahren. Im Gegensatz zu den einigermassen ausführlich geschilderten Vorgeschichten bleiben diese Zwischenbemerkungen erstaunlich knapp.

Den größten Mehr- und Lernwert bietet Teuwsen mit drei Gesprächen, die er speziell für das Buch mit anderen KönnerInnen des Fachs geführt hat. Aus den Interviews mit André Müller, Katja Nicodemus und Roger Schawinski wird bald einmal ersichtlich, dass ganz unterschiedliche Wege zum guten Gespräch führen. Müller etwa behauptet, seine Gesprächspartner seien ihm gleichgültig. Schawinski hat sich mit der standardisierten Einstiegsfrage „Wer sind Sie?“ ein Markenzeichen geschaffen, das den Gesprächspartner gleich zu Beginn aus der Reserve lockt. Die Thesen, wie sie Teuwsen als Essenz seiner bisherigen Interviewerfahrung formuliert, würde von anderen JournalistInnen vermutlich ganz anders klingen.
Bei allen unterschiedlichen Herangehensweisen und auch Fragetechniken wird eines klar: Ohne seriöse Vorbereitung geht gar nichts. Schnelles Format: von wegen! Das Interview ist eine der aufwendigsten Textsorten. „Alles lesen, was über diesen Menschen veröffentlicht wurde“, empfiehlt Teuwsen. Oder: „Interviewsituation thematisieren – Wenn der Interviewte schweigt, das Schweigen verbalisieren“; usw. Als Checkliste, und sei es nur, um sich seiner eigenen bewährten Methode zu vergewissern, taugen die Thesen Teuwsens zum Interview als journalistische Stilform alleweil.

BuchCover Verlag

Das gute Gespräch
Wie man erfolgreich fragt Gebunden, 168 Seiten. 2009. SFr. 32.00, Euro 28.00
Echtzeit Verlag

Peer Teuwsen: geboren 1967, führte zahlreiche aufsehenerregende Gespräche für «Das Magazin» und die «Weltwoche», wo er in leitenden Positionen tätig war. Danach war er für den Schweizer Bund der «Zeit» verantwortlich, jetzt als Redaktionsleiter bei «NZZ Geschichte».


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