Wenn wir über das gemeinsame Nackt sein sprechen, meinen wir in der Regel das rein körperliche. Aber wie ist das mit der zwischenmenschlichen Nacktheit? Dieses Nackt sein mit unseren Emotionen, Gedanken, Ängsten und Träumen? Rückblickend auf das eigene Leben und als Zwischenergebnis aus zahlreichen Gesprächen, scheint es schwierig zu sein, Menschen zu finden, die bereit sind, mit Dir nackt zu sein. Und Du mit ihnen.
Versuchen, jemanden zu finden und sich tief emotional zu verlieben bevor die Zweisamkeit physisch wird – das ist eine Herausforderung. Aber was kann ich erwarten, wenn wir in einer Welt leben, wo wir es gewohnt sind, das alles in Einzelportionen verfügbar ist? Wie bei einem Einkauf im Supermarkt; ein Griff ins Regal und das Fleisch liegt im Einkaufswagen. Wir teilen unser Bett mit einem Körper, aber trauen uns nicht zu sagen, das wir Eiswürfel im Müsli mögen, weil wir gerne extra kalte Milch darin haben wollen. Und das nur, weil es uns freakig erscheinen lassen könnte. Wir geben viel uns von preis. Aber darüber zu sprechen, das die Zeit am Tag bevor Sonne und Mond aufgehen unsere liebste ist, weil wir dann die größte innere,sorgenfreie Ruhe verspüren? Lieber nicht. Wer möchte schon fremde Sorgen hören, wenn die eigenen gern möglichst verdrängt werden.
Und das wir davon überzeugt sind, dass der Mond die Sonne in Ehrfurcht vor ihrer Schönheit anstarrt, bevor sie schlafen geht – eine verbotene Romanze. Real und metaphorisch. Einfach weil das keinen Sinn zumachen scheint, und warum sollte das überhaupt jemand kümmern? Wir liegen problemlos nackt neben einer Person, aber weigern uns,jemanden der uns wirklich interessiert (zuerst) anzusprechen, weil wir glauben „Regeln“ befolgen zu müssen, um nicht als“anhänglich“ oder „verzweifelt“ angesehen zu werden. Wir enthüllen unseren Körper, aber unsere ungefilterten Gedanken, unsere Persönlichkeit verbergen wir. Legen Filter über unsere Herzen, spielen Maskerade oder Mimikri.
Aber es ist in Ordnung, weil es eh niemanden kümmert und ich für diese Nacktheit zu alt bin. Zudem dominiert eine neue Generation, in der Gefühl und Verpflichtung kaum eine Rolle spielen. Es geht um das Vergnügen, den Konsum. Ein Konsum, bei dem das Wegwerfen dazu gehört.
Wie wäre es damit, meinem Gehirn neuen Schwung zu geben? Das Selbstmitleid zu entsorgen?
Vielleicht werde ich meine Sonnenuntergänge, mein Herzblut, die Eiswürfel in meinem Müsli, den ehrfürchtigen Mond und all das nehmen – und einen ersten Schritt wagen.
Welche Temperatur hat Dein Herzblut?
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