Das titelgebende Gedicht „wer ist wir“ von Günter Abramowski erforscht die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen, Identität und existenzieller Unsicherheit durch fragmentarische Sprache und metaphorische Verdichtung. Hier eine strukturelle und thematische Analyse:
Form und Struktur
- Kurzzeilen und Enjambements: Die zerbrochenen, oft hyphenisierten Verse (z. B. „einjagendes / habenwollen“) spiegeln die Fragilität und Zerrissenheit der Beziehung wider.
- Fehlende Interpunktion: Bis auf das „&“ gibt es keine Satzzeichen, was den Lesefluss beschleunigt und eine Atmosphäre der Unabgeschlossenheit schafft.
- Dialektische Bewegung: Das Gedicht oszilliert zwischen Gegensätzen – Bindung („gebundenheit“) und Befreiung („un-gebundene“), Tiefe („tiefe offen“) und Abgrund („un-grund“).
Thematische Schichten
- Beziehungsdynamik
- Asymmetrie: „ich zu dir / du nicht zu mir“ zeigt ein Ungleichgewicht, eine einseitige Zuwendung.
- Konflikt: „verletzt in meine tiefe“ verweist auf emotionale Verletzung, während „einjagendes / habenwollen“ aggressive Begierde oder Machtkämpfe andeutet.
- Bindung als Pfahl: Das Bild des „pfahls der gebundenheit“ evoziert Gewalt (wie ein Marterpfahl) und erzwungene Verbundenheit.
- Transformation und Befreiung
- Die „un-gebundene[n]“ stehen für eine Loslösung von Restriktionen, doch die Befreiung führt nicht in Sicherheit, sondern in den „un-grund“ (Abgrund).
- „tanzen strudel“ symbolisiert ein paradoxes Einswerden mit dem Chaos – Bewegung trotz Orientierungslosigkeit.
- Existenzielle Leere
- „grundlos im un-grund“ kombiniert zwei Negationen: Ohne Grund (grundlos) und im Abgrund (un-grund). Dies unterstreicht eine nihilistische Haltung, die gleichzeitig befreiend und beängstigend wirkt.
Sprachliche Besonderheiten
- Neologismen und Hyphen: Worte wie „habenwollen“ oder „un-gebundene“ brechen grammatikalische Normen auf und verdeutlichen die Unmöglichkeit, Beziehungserfahrungen in konventionelle Sprache zu fassen.
- Paradoxien: „tiefe offen / fürs kommende“ – Offenheit trotz Verletzung; „grundlos“ im „un-grund“ – eine Leere, die zugleich Raum für Neues schafft.
Symbolik
- Pfahl: Ein ambivalentes Symbol – Fixierung, aber auch ein phallisches oder archaisches Ritualobjekt.
- Strudel: Repräsentiert die Unkontrollierbarkeit des Lebens, aber auch eine dynamische, fast tänzerische Akzeptanz des Chaos.
- Abgrund (un-grund): Verweist auf Heideggers Begriff des „Abgrunds“ als Ort ohne metaphysischen Halt, der jedoch Authentizität ermöglicht.
Zusammenfassung
Das Gedicht inszeniert eine existenzielle Krise zwischenmenschlicher Bindung: Die Suche nach Nähe führt zu Verletzung und erzwungener Verbundenheit, doch die Befreiung daraus mündet nicht in Sicherheit, sondern in eine chaotische, „grundlose“ Freiheit. Die Sprache selbst wird zum Ort des Konflikts – fragmentiert, hybrid und paradox – und spiegelt so die Unmöglichkeit, Beziehungserfahrungen eindeutig zu fixieren.
Entnommen: Günter abramowski | wer ist wir
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