WORTSCHAU 31 Menschen:Bilder

WORTSCHAU - Menschen Bilder

Die Ausgabe 31 der WORTSCHAU trägt den Titel „Menschen:Bilder“ und umfasst 66 Seiten. Die Herausgeber Johanna Hansen und Wolfgang Allinger beschreiben sie als ungewöhnlich umfangreich.

Das Konzept: Dichtung trifft Fotografie

Die Ausgabe hebt zwei Hauptakteurinnen besonders hervor: Annette Hagemann als Dichterin und Li Erben als Fotografin. Li Erben lernte Johanna Hansen während des Lindauer Literaturfrühlings im letzten Jahr kennen. Die Herausgeber baten sie, das Heft „Menschen:Bilder“ mit ihren Porträts zu bereichern. Beide Hauptakteurinnen sagten zu, woraus die Konzeption dieser Ausgabe entstand. Annette Hagemanns vielschichtig-narrative Gedichte sind auf der Literaturplattform Fixpoetry bekannt und fließen hier in die visuelle Welt von Li Erbens Fotografien ein.

Die Künstlerin: Li Erben

Li Erben wurde 1939 in Riga geboren und war 1947 Kinderfotomodell bei Modefotografin Walde Huth in Esslingen. Sie arbeitete als Fotomodell für Fotojournalismus in München, danach in der Film-, Star- und Pressefotografie bei Viesa in Paris. Als Bildreporterin arbeitete sie mit dem US-Filmregisseur Victor Vicas in Paris zusammen und schrieb für internationale Zeitschriften.

Ihre fotografische Arbeit umfasst Einzelausstellungen unter anderem in Paris, am Filmmuseum Frankfurt am Main, im Museum Schleswig-Holstein in Zwickau, Leipzig und Bad Dürkheim. Das Foto-Titelblatt zeigt „Li Erben, 1962“.

Erbens Porträts sind durch die gesamte Ausgabe verteilt – historische Schwarz-Weiß-Fotografien, die Menschen in verschiedenen Momenten und Stimmungen zeigen. Die Nummerierung der Fotografien (9, 15, 16, 19, 24, 37 sind im Inhaltsverzeichnis sichtbar) deutet auf ein durchdachtes visuelles Konzept hin, das sich durch das Heft zieht.

Die Dichterin: Annette Hagemann

Annette Hagemann ist mit einer beeindruckenden Anzahl von Texten in dieser Ausgabe vertreten. Ihre Gedichte durchziehen das gesamte Heft und zeigen ihre thematische und stilistische Vielfalt:

  • Artist (Seite 6)
  • Insektenkompetenz (Seite 7)
  • Yorke (Seite 8)
  • Italienisches Kino (Seite 35)
  • Usbekistan (Seite 36)
  • Alibaba (Seite 59)
  • Hexennachwuchs, Northumberland (Seite 59)
  • Meine Erbschaft ist diese (Seite 60)
  • Birdman (Seite 60)

sowie der Beitrag:

  • Fragen tritt (Seite 32)

und die Textpassage über das Land, in dem wir geboren sind (Seite 34), die im Editorial zitiert wird.

Die Herausgeber beschreiben Hagemanns Gedichte als „vielschichtig-narrativ“ und verweisen darauf, dass ihre Arbeit auf der Literaturplattform Fixpoetry bekannt ist.

Weitere beteiligte Autorinnen und Autoren

Die Ausgabe versammelt insgesamt 23 Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichen stilistischen Ansätzen:

  • Judith Wolf – „Er ist“ (Seite 22) und „Seit Tagen hier“ (Seite 22)
  • Marlies Blauth – „Paar (III)“ (Seite 23)
  • Karl Johann Müller – „Stimmbruch“ (Seite 25)
  • Kathrin Niemela – „chocolat poulain goutez & comparez“ (Seite 10), „picasso photographs the metropolitan museum of art“ (Seite 10), „la justice de la révolution ou les révolutions de la justice musée de la conciergerie de paris“ (Seite 11)
  • Oliver Bruskolini – „Der städtische Zoo“ (Seite 12)
  • Philipp Blömeke – „Suchbild.“ (Seite 17)
  • Kathrin Schadt – „der duft der rostroten wüstenstange …“ (Seite 18)
  • Johanna Hansen – „Zugluft der Stille in der Herzgegend“ (Seite 20), gemeinsam mit David Oates: „Briefwechsel zwischen Düsseldorf und Portland/Oregon“ (Seite 38)
  • Bess Dreyer – „und die herkakten“ (Seite 31), „was machen, nun.“ (Seite 30), „das lächeln meiner mutter“ (Seite 31)
  • Peter Pollmann – „Kirschen“ (Seite 52)
  • Johannes Witek – „Ergeben“ (Seite 56)
  • Angelica Seithe – „Die alte Frau“ (Seite 57)
  • Michael Hillen – „foemwind“ (Seite 58)
  • Achim Raven – „Göttinnen“ (Seite 48)
  • Kai Rohlinger – „Sieben“ (Seite 49)
  • Manfred Ach – „Fallweise“ (Seite 50)
  • Christine Rainer – „wie aus marmor gemeißelt denkst se“ (Seite 51)
  • Christa Issinger – mehrere Arbeiten: „blassblau“ (Seite 26), „cut“ (Seite 26), „O.T.“ (Seite 27)
  • Andreas Hutt – „eine frau in einem grauen mantel“ (Seite 28)
  • Sabine Roidl – „1 – Mitten in Cannes“ (Seite 29)
  • Wolfgang Allinger – „Menschen:Bilder“ (Seite 63)

Die Ausgabe schließt mit einer Seite, die mit „Die fast letzte Seite“ (Seite 66) betitelt ist.

Das Editorial: Herausforderung und Einladung

Im Editorial sprechen Johanna Hansen und Wolfgang Allinger die Leserinnen und Leser direkt an und erläutern das Konzept der Ausgabe. Sie beschreiben das Heft als umfangreich und inhaltlich dicht.

Besonders aufschlussreich ist ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Zugänglichkeit. Sie schlagen vor, die Leserinnen und Leser sollten „die Thermik über den Dächern“ nutzen und „in weiten Kreisen“ durch die Texte gleiten.

Das Editorial zitiert exemplarisch aus einigen Gedichten, um die Bandbreite der Stimmen zu illustrieren:

  • Judith Wolfs subtile Porträts
  • Karl Johann Müllers „Sie suchten unsere Stimmen und versteckten sie in Luftballons“
  • Michael Hillens „im Schatten ist niemand hinters Licht zu führen“
  • Peter Pollmanns poetische Reflexion: „Nur dann, wenn du wirklich früh aufbrichst, mein altmodischer Federhut entdeckst du Bücher, ach Bücher, allüberall Bücher: die Wände hinauf und die Wände hinab; kreuz, quer, kaum zu glauben: solch ein Drunter und Drüber; verwirrend, ein Elend; doch fürsorglich schirmend und schützend“

Thematische Ausrichtung: Menschen in Bildern, Bilder von Menschen

Der Titel „Menschen:Bilder“ mit seinem bewusst gesetzten Doppelpunkt lädt zu mehrfachen Lesarten ein:

  1. Bilder von Menschen – im wörtlichen Sinne durch Li Erbens Fotografien
  2. Menschen als Bilder – die literarischen Porträts, die Personen in Sprache formen
  3. Bilder, die Menschen sich machen – von sich selbst, von anderen, von der Welt
  4. Die Bildwerdung des Menschen – in Kunst und Literatur

Die Ausgabe erkundet diese Mehrdeutigkeit durch die Kombination von visueller und literarischer Kunst. Die historischen Schwarz-Weiß-Porträts Li Erbens aus den 1960er Jahren stehen in Beziehung zu zeitgenössischen Gedichten und Prosatexten, die sich mit Identität, Wahrnehmung und menschlicher Existenz auseinandersetzen.

Geografische und kulturelle Vielfalt

Die Texte spannen einen weiten geografischen Bogen: Von Cannes (Sabine Roidl) über Usbekistan (Annette Hagemann) bis nach Düsseldorf und Portland/Oregon (Johanna Hansen und David Oates). Kunsthistorische Bezüge reichen von Picasso (Kathrin Niemela) bis zur Pariser Conciergerie.

Diese Vielfalt der Schauplätze entspricht dem internationalen Ansatz der WORTSCHAU.

Gestaltung und Format

Wie Sabine Roidl in ihrer Beschreibung betont, zeichnet sich die WORTSCHAU durch ihr „zurückhaltendes Layout“, die „klar gesetzte Typographie“ und die „Ausgewogenheit zwischen Bild und Text“ aus. In der Ausgabe 31 wird dieses Gestaltungsprinzip durch Li Erbens Fotografien ergänzt.

Bezug

WORTSCHAU Nr. 31 – Menschen:Bilder
ISBN: 978-3-944286-21-1
Erhältlich über den WORTSCHAU Verlag oder den Buchhandel

Titelfoto: Oliver Simon

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