Autor: Oliver Simon
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Die Kunst des Gesprächs mit dem Gedicht
Eine persönliche Annäherung | Das Lesen von Gedichten ist oft eine intime, manchmal sogar mystische Erfahrung. Anders als ein Roman, der uns über hunderte Seiten in eine Welt entführt, begegnet uns ein Gedicht oft als Blitzlicht, als komprimiertes Universum in wenigen Zeilen. Und genau diese Eigenart macht das Gespräch über Lyrik so reizvoll und herausfordernd.…
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O.T. – Geschlossene Bücher
Der Text beschäftigt sich mit geschlossenen Büchern und vergleicht sie mit der Nacht. Er zeigt, dass die Worte in den Büchern – ähnlich wie Dinge in der Dunkelheit – nicht sichtbar sind, bis Licht auf sie fällt. Erst wenn eine Hand das Buch öffnet, die Seiten aufschlägt und Augen die Schrift betrachten, können die Worte…
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morgens früh
Der Text beschreibt eine frühmorgendliche Szene, in der das lyrische Ich zwischen Schlaf und Wachsein, Träumen und Realität oszilliert. Es thematisiert körperliche Empfindungen (Schweiß, Enge), surreale Bilder (Tiere, Tunnel aus Licht) und eine dörfliche Umgebung (Bauernhäuser, Wiesen, Kirchturm). Die Stimmung ist geprägt von Schwere, Unruhe und einer eigenwilligen Wahrnehmung der Umwelt. Was mir beim Lesen…
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Chronik
Die Informationslage zu Ille Chamier (geboren 1937 in Düsseldorf oder, wie es heißt, ‚am linken Niederrhein‘) ist fragmentarisch und gestaltet sich als schwierig. Selbst in Wikipedia findet sich bisher kein Eintrag zu ihrer Person. Diese Recherche versucht, das bisher zusammengetragene Wissen über ihr vielseitiges künstlerisches Werk zu bündeln. Mein Vorhaben ist es, eine aussagekräftige Chronik…
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Ille Chamier – Rosestock Holderblüh
2 Minuten—
Von
Ille Chamiers Gedicht Rosestock Holderblüh verdichtet ihre Kindheitserinnerungen an den Zweiten Weltkrieg zu einer poetischen Collage aus Trauma und Überlebenspoesie. Geboren 1937, erlebte sie die Bombennächte um 1943 – als Sechsjährige – in unmittelbarer existenzieller Bedrohung, wie die Zeilen „horchte ich nach den Bombengeschwadern“ bezeugen. Die Szene der zersplitterten Fenster („Scherben lagen ums Gitterbett“) neben der unverletzten Schwester offenbart…
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margueriten – Norbert Hummelt
Das Gedicht als transgenerationale Übersetzungsarbeit? Eine Annäherung | In „margueriten“ rekonstruiert Norbert Hummelt nicht einfach die Erinnerungen seiner Mutter an den Zweiten Weltkrieg – er macht den Prozess der Rekonstruktion selbst zum Thema. Das lyrische Ich (als nachgeborener Sohn) wird zum Archäologen mütterlicher Erfahrungen, die nur fragmenthaft überliefert sind: in abgebrochenen Sätzen, verweigerten Liedern und weggelegten…
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Bekannt trifft Unbekannt – Ed. 2
LektüreNotizen | Aufmerksam geworden bin ich auf diese Reihe durch meine Recherchen, Texte von Ille Chamier zu finden. Daher stehen ihre Lesung und das Gespräch mit Norbert Hummelt – moderiert von Frauke Tomczak – im Vordergrund. Klappentext: Bei der Edition handelt es sich um einen Tonmitschnitt der vierteiligen Lyrikreihe BEKANNT TRIFFT UNBEKANNT, die vom Dezember…
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Frauke Tomczak – Zwei Ewigkeiten in drei
Annähernd gelesen | Zwei Ewigkeiten in drei schildert, wie das lyrische Ich „in der Ecke“ steht – nicht orientierungslos, sondern gezwungenermaßen im Dreieck von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Dieser symbolische Dreiklang wird zur Falle: eine „Triangel-Ecke“, in der sich das Ich verunsichert, beschämt und fragmentiert fühlt. Es bewegt sich unsicher zwischen Zuspruch und Urteil…
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Zeilen und Klänge
Eine Handreichung zum Finden von Musik zu Gedichten. Für alle, die glauben, dass ein Gedicht klingen kann – auch nach außen hin. 1. Nicht die Playlist, sondern das Echo suchen Ein Gedicht wie „herbrig„ ist keine Liedvorlage und kein Musikvideo. Es ist ein „Echo-Raum“, der nach Resonanz sucht. Wer dazu Musik finden möchte, beginnt am…
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die namen der eisheiligen
Annähernd gelesen | Nathalie Schmids Gedicht „die namen der eisheiligen“ ist eine dichte lyrische Miniatur, die existenzielle Verlusterfahrung in einer poetischen Collage aus Stadt- und Naturbildern verarbeitet. In freier Form, ohne Satzzeichen oder konventionelle Struktur, oszilliert das Gedicht zwischen Bewegung und Erstarrung, zwischen Geräuschkulisse und sprachloser Introspektion. Es thematisiert das Ringen um Orientierung in einem…