Ille Chamier – Werk und Wege

Ille Chamiers Werk bewegt sich zwischen Tanz, Lyrik und bildender Kunst. Geboren 1937 am Niederrhein, begann sie ihr Studium 1956 mit Tanz an der Folkwangschule in Essen – gemeinsam mit Pina Bausch (Tanztheater Wuppertal). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik in München bis 1962 kehrte sie nach Düsseldorf zurück. Dort verbrachte sie Anfang der 70er Jahre auch einige Semester als Gaststudentin an der renommierten Kunstakademie.

Chamier, die verheiratet war und fünf Kinder großzog, arbeitete u.a. als Gymnasiallehrerin. Parallel schrieb und malte sie. Von 1977 bis 1980 Mitwirkung als Dramaturgin am Tanztheater Wuppertal. Ihr Gedicht „Pina“ – mit den Zeilen „sie hat die Hände / in der Luft und lässt Möwen fliegen / das hat sie so an sich“ – erscheint mir ein gutes Beispiel für ihre Verbindung zur Choreografin und Kunst der Bewegung. Generell beeindruckt mich dieses Poem, weil die Autorin wunderbar vielschichtig – wohl auch auch die enge Verbindung zu ihr – ausmalt.

Ab 1980 startete Chamier Soloabende mit szenischen Lesungen eigener Texte, unter anderem in „Die Werkstatt“ Düsseldorf, dem heutigen Tanzhaus NRW. Parallel dazu arbeitete sie bei der Essener Zeitschrift „jeder art“ für Lyrik, Prosa und Grafik mit und war an diversen Ausstellungen beteiligt. Ihr Schaffen umfasst Lyrik und Prosa ebenso wie Malerei. Ab 1983 engagierte sie sich zudem als Dozentin für Deutsch für Migranten und ab 2005 in der Düsseldorfer Sprachwerkstatt „Sage und schreibe“. (Dieser Bildungsanbieter existiert nicht mehr.)

Das literarische Werk:
Trotz dieses reichen Schaffenshorizonts ist Ille Chamiers literarisches Werk öffentlich kaum fassbar. Nur zwei Bücher fanden – nach bisheriger Erkenntnis – den Weg in Verlagsprogramme:

  • „Setz dich hin und lächle“ (1979): Ein poetischer Text in einem frühen Fotoband über Pina Bausch. Texte Ille Chamier – Fotos Ulli Weiss. Wiederaufgelegt 1992.
  • „Tagtexte“ (1980): Ihre bekannteste Textsammlung. – Vergriffen, daher im Antiquariat erworben (aktualisiert: 10-06-2025).
  • Im Zine „DAS ZÜNDBLÄTTCHEN“ – Heft 21 – widmet sich Else Goldeinigen ihrer Gedicht, begleitet von Karen Roßkis Zeichnungen. Aus 2007.

Selbstverlegte Werke
Sie verlegte ihre Texte auch im Eigenverlag, der Handedition Textille und als Privatdruck. Sie schuf aufwändig gestaltete Bücher, oft mit eigenen Grafiken, Zeichnungen und Malereien illustriert, die selbst schon kleine Kunstwerke sind. Eine Liste der Veröffentlichungen, die ich bisher zusammentragen konnte finden Sie hier „Werke von Ille Chamier“

Eine Stimme für feministische Themen:
Ein Fenster zu ihrem Schreiben bietet auch die Erzählung „Am Tag, als ich hinfuhr, zum Treffen schreibender Frauen…“, erschienen 1979 in der „Courage – Berliner Frauenzeitung“ (online einsehbar). Hier setzt sie sich eindringlich mit der Vereinbarkeit von Schreibarbeit und Sorgearbeit auseinander – ein Thema von fortwährender Aktualität. – Die Erzählung habe ich mir hier genauer angeschaut.Und hier habe ich schreibend erkundet, wie dieser Text wohl als Gedicht ausgesehen hätte. (Eine Fingerübung um Ille Chamiers Schreibstil zu ergründen.)
Fundtsück | Ille Chamiers Gedicht „Lied 76“ aus den 1970er Jahren erzählt von einer Frau, die zwischen patriarchalen Erwartungen und eigener Ohnmacht gefangen ist.

Die Sprache – Erdung und Flug:
Chamiers Poesie wird als eine Kunst beschrieben, die „auf den Füßen der Alltagssprache“ daherkommt. Es ist eine geerdete Sprache, die durch ihre ungewöhnlichen Kombinationen und Verdichtungen den Leser zum Stocken, Staunen und Aufhorchen bringt – ein „ähnlicher und doch ungleicher Tanz“ (so die Beschreibung anlässlich einer Lesung mit Norbert Hummelt 2015 beim Onomato Künstlerverein). Ihr einnehmendes Sprachgefühl zeigt sich auch in Fundstücken, wie im Zine „Das ZÜNDBLÄTTCHEN“von Else Gold – Heft 21„Ihre geerdete Sprache und wie sie die Wörter zusammenfügt, ist seit langem mal wieder etwas, was mich umgehend in den Bann gezogen hat.“

Mein Versuch einer Frottage.

Öffentliche Wahrnehmung

2017 wurde Ille Chamier zu ihrem 80. Geburtstag mit einer Ehrenlesung und einer Ausstellung ihrer bildnerischen Arbeiten im Onomato Künstlerverein gewürdigt. Die Veranstaltung würdigte ihr „frappierend vielfältiges kreatives Schaffen“ (WAZ, 2017) – ein Schaffen, das trotz seines Umfangs weitgehend außerhalb der literarischen Öffentlichkeit stattfand.

Chamiers Werk bewegt sich zwischen hochkünstlerischem Anspruch und bewusster Zurückhaltung. Viele ihrer selbstverlegten Bücher – etwa „Gezinktes Licht“ oder „Hu Hu – I can fly and you?“ – sind bisher nicht zugänglich.

Hinweise zu weiteren Texten, Informationen über ihr malerisches Werk oder Leihgaben nehme ich gern entgegen: simon@ersatzgestalt.de. Eine Liste der bisher nachgewiesenen Werke findet sich hier.

Aus der Recherche entstandene Beiträge

Diesen Beitrag teilen:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: Content is protected !!