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Wolfgang Mattheuer | Äußerungen
Weitere Informationen zu Wolfgang Mattheuer erhalten Sie bei der Ursula Mattheuer-Neustädt und Wolfgang Mattheuer Stiftung.
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Wolfgang Mattheuer | Äußerungen
Weitere Informationen zu Wolfgang Mattheuer erhalten Sie bei der Ursula Mattheuer-Neustädt und Wolfgang Mattheuer Stiftung.
Paula Bossio, eine renommierte Illustratorin und Geschichtenerzählerin aus Kolumbien, hat sich international als Meisterin der visuellen Narration einen Namen gemacht. Ihre Arbeiten, die oft in Kinderbüchern und experimentellen Projekten zu finden sind, zeichnen sich durch poetische Bildsprache, verspielte Fantasie und eine tiefe emotionale Resonanz aus. Bossios Fähigkeit, komplexe Geschichten ohne Worte zu vermitteln, macht sie nicht nur zu einer gefeierten Künstlerin, sondern auch zu einer inspirierenden Lehrperson – eine Erfahrung, die ich persönlich in ihren Kursen „Erzähltechniken für illustrierte Geschichten“ und „Bilderbücher ohne Text: Erzähle eine Geschichte ohne Worte“ gesammelt habe.
Arbeitsweise: Zwischen Skizze und Symbol
Bossios Schaffensprozess beginnt oft mit dem Spiel zwischen Linie und Idee. In ihren Kursen betont sie die Bedeutung des „visuellen Experimentierens“: „Eine Geschichte entsteht manchmal aus einem einzigen Strich, der sich in eine Figur, ein Gefühl oder ein Rätsel verwandelt“, so Bossio. Sie arbeitet häufig mit traditionellen Medien wie Aquarell, Buntstiften oder Collagen, kombiniert diese aber auch digital, um atmosphärische Tiefe zu schaffen. Ihr bekanntes Werk „The Line“ („La Línea“), ein wordless Picture Book, zeigt beispielhaft, wie sie durch dynamische Kompositionen und symbolträchtige Elemente – wie eine sich wandelnde Linie – universelle Themen wie Verbundenheit und Kreativität erforscht.
Lehren ohne Worte: Der Blick hinter die Kulissen
In ihren Kursen vermittelt Bossio, dass Bilder eine eigene Grammatik besitzen. Im Seminar „Bilderbücher ohne Text“ lernten wir, wie Perspektivenwechsel, Farbverläufe und wiederkehrende Motive Handlungsstränge ersetzen können. „Jedes Detail ist ein Wort“, erklärt sie. „Die Art, wie eine Figur den Kopf neigt oder ein Schatten länger wird, kann eine Wende in der Geschichte einläuten.“ Ein zentrales Zitat von ihr prägte meine Arbeit: „Stille in Bildern ist nicht leer – sie ist gefüllt mit dem, was zwischen den Zeilen des Betrachters passiert.“
Im Kurs „Erzähltechniken für illustrierte Geschichten“ lag der Fokus auf dem Rhythmus des Erzählens: Wie Panels oder Doppelseiten Spannung erzeugen, wie Blickführungen den Leser durch die Handlung lenken. Bossio ermutigte uns, „mit dem Unerwarteten zu arbeiten – eine Tür, die sich in ein Fenster verwandelt, eine Träne, die zum Fluss wird. So entsteht Magie.“
Ein Vermächtnis der Inspiration
Paula Bossios Ansatz geht über Technik hinaus; es ist eine Philosophie des Vertrauens in die Kraft der Bilder. Für sie ist Illustration „ein Dialog zwischen Künstlerin und Betrachterin, bei dem die Leerstellen genauso wichtig sind wie das Gezeigte“. Diese Haltung prägt nicht nur ihre eigenen Werke, sondern auch die Arbeit ihrer Schüler*innen. Die Kurse bei ihr waren eine Einladung, die eigene Kreativität neu zu denken – und zu verstehen, dass Geschichten oft am stärksten sind, wenn sie im Raum zwischen Bild und Imagination entstehen.
Ich besitze fast 3.000 Bücher. Eine Zahl, die Ehrfurcht einflößt – und 99 % davon habe ich noch nicht gelesen. Diese Sammlung ist kein Zeugnis literarischer Leidenschaft, sondern ein stummer Konflikt: ein Interesse und ein Sehnen nach fremden, neuen Geschichten, und die gleichzeitige Ablehnung und das Misstrauen ihnen gegenüber.
In meiner Kindheit und Jugend wurde Lesen nicht zur Freude, sondern zur Pflicht. Bücher waren entweder vorgegebene Werkzeuge der Kontrolle oder Objekte des Spotts, wenn meine eigenen Wahlversuche als „unpassend“ abgetan wurden. Mein Elternhaus, geprägt von psychischer und physischer Gewalt, zwang mich zudem in ein Doppelleben: Nach außen wurde eine heile Familie inszeniert, innen lagen Lügen wie Schutt. Romane, die ich als „erfundene Geschichten“ kennenlernte, wurden so zum Spiegel dieser Heuchelei. Warum sollte ich mich auf Lügen einlassen, wenn sie mich schon umgaben?
In der Schule verstärkte sich das Gefühl des Fremdseins. Während Lehrkräfte in Texten klare Botschaften sahen, erkannte ich Ambivalenzen, Brüche, unausgesprochene Schmerzen – vielleicht weil ich selbst darin geübt war, zwischen den Zeilen zu lesen. Doch statt Anerkennung erntete ich oft Unverständnis. Lesen wurde zum Ort der Ohnmacht.
Heute steht die ungelese(n)ne Bibliothek als Symbol dieses Paradoxons: Einerseits wecken Bücher in mir eine tiefe Sehnsucht nach Welten, die anders sind als meine eigene. Andererseits triggert der Akt des Lesens Erinnerungen an Kontrolle und Täuschung. Wie kann ich Geschichten vertrauen, wenn ich gelernt habe, Fiktion als Bedrohung zu sehen?
Diese Ambivalenz teilen viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen. Studien zeigen, dass Gewalt und emotionale Vernachlässigung in der Kindheit oft zu Schwierigkeiten im Umgang mit narrativen Texten führen – sei es aus Misstrauen gegenüber Autor:innen, aus Angst vor Überwältigung oder wegen des Gefühls, „falsch“ zu verstehen. Gleichzeitig berichten Betroffene häufig von einem unbändigen Wunsch, über Geschichten Heilung zu finden.
Wie also die Freude am Lesen (wieder)entdecken? Hier sind Ansätze, die mir und anderen helfen:
Bücher sind weder reine Lügen noch reine Wahrheiten. Sie sind Möglichkeitsräume – auch für uns, die wir einst lernen mussten, Misstrauen zu überleben. Vielleicht liegt gerade darin die Chance: Indem wir Geschichten neu als Orte der Selbstermächtigung begreifen, statt als Spiegel vergangener Verletzungen.
Meine 3.000 Bücher warten nicht darauf, „abgehakt“ zu werden. Sie warten darauf, dass ich bereit bin, ihnen auf meine Art zu begegnen. Langsam. Fragmentarisch. Mit der Freiheit, auch mal wütend zuzuklappen – und dem Wissen, dass jede Seite ein Schritt sein kann, mich selbst neu zu erzählen.
Dieser Blog soll ein Raum werden, um solche Prozesse zu teilen. Haben Sie ähnliche Erfahrungen? Wie haben Sie Ihre Beziehung zu Büchern neu definiert? Kommentare sind offen – denn Geschichten entstehen erst im Dialog.
Lesen ist für mich nie nur ein passiver Akt gewesen – doch seit Kurzem wird es zu einem Abenteuer, das mich aus meiner Komfortzone lockt. Ich starte ein Experiment: einen Literaturblog, der Bücher nicht als abgeschlossene Welten betrachtet, sondern als Werkstätten, in denen ich mein Denken, Handeln und Fühlen aktiv verändern kann. Die Frage, die mich antreibt, ist so simpel wie komplex: Können Bücher mehr sein als Unterhaltung? Können sie uns tatsächlich bewegen – im wahrsten Sinne des Wortes?
Ich lese nicht mehr, um zu konsumieren, sondern um zu reagieren. Statt mich in der Stille des Kopfkinos zu verlieren, suche ich nach Wegen, die Lektüre in Handlungen zu übersetzen. Keine Angst vor „falschen“ Interpretationen, kein Respekt vor heiligen Texten – stattdessen Neugier und Eigenwillen. Hier ein paar Beispiele:
Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob dieser Ansatz „erfolgreich“ ist. Erfolg wäre für mich aber schon, wenn ich Bücher nicht länger als übermächtige Monumente wahrnehme, die ich stumm bewundere. Mein Leben kommt mir oft langweilig vor – doch durch dieses Experiment entdecke ich, dass Geschichten Werkzeuge sein können. Sie fordern mich heraus, kreativ zu werden, selbst wenn ich mich sonst als schweigsam oder entmutigt erlebe.
Indem ich Worte in Taten übersetze, hoffe ich, zwei Dinge zu erreichen:
Dieser Blog ist kein Lehrpfad, sondern ein Tagebuch des Ausprobierens. Vielleicht scheitern manche Ideen, vielleicht entstehen unerwartete Einsichten. Klar ist: Lesen wird dabei zum Sport. Es trainiert die Vorstellungskraft, aber auch den Mut, das Gelesene zu beanspruchen – und sich nicht von der Flut der existierenden Geschichten erdrücken zu lassen.
Wenn du auch manchmal denkst, dein Leben sei zu unspektakulär, um es zu erzählen: Komm mit auf diese Reise. Denn vielleicht liegt die Magie nicht in den Büchern selbst, sondern darin, wie wir sie benutzen.
P.S.: Ein Post widmet sich z.B. meiner Umschreibung von Kafkas „Verwandlung“ – diesmal aus Sicht der Schwester, die plötzlich zur Hauptfigur wird. Spoiler: Sie hat viel mehr Wut, als ich erwartet hatte.
Würdest du solche Experimente ausprobieren? Ich bin gespannt auf deine Ideen – denn dieses Projekt lebt vom Austausch!
Alejandra Acosta, eine chilenische Illustratorin aus Valparaíso, verwandelt mit ihrem einzigartigen Stil komplexe Emotionen und gesellschaftliche Themen in visuelle Erzählungen, die zwischen Zartheit und Nachdruck balancieren. Ihre Arbeiten, geprägt von leuchtenden Farben, organischen Formen und einer Mischung aus Tradition und Moderne, sind nicht nur ästhetisch fesselnd, sondern auch tiefgründig in ihrer Aussagekraft.
Arbeitsweise: Handwerk trifft Digitales
Acosta verbindet handgefertigte Techniken wie Aquarell, Collage und Linoldruck mit digitaler Nachbearbeitung. „Für mich ist das physische Berühren des Materials essenziell – die Textur des Papiers, das Fließen der Farbe. Es schafft eine Verbindung zum Werk, die rein Digitale oft vermissen lässt“, erklärt sie in einem Interview. Dieser Prozess spiegelt sich in ihren Illustrationen wider, die durch schichtweise Überlagerungen und sanfte Übergänge eine fast traumhafte Tiefe erhalten. Ihre Skizzen entstehen oft analog, bevor sie digital verfeinert werden, wodurch ein Dialog zwischen Spontaneität und Präzision entsteht.
Themen: Identität, Natur und soziale Verantwortung
Acostas Werk kreist um Menschlichkeit und Umwelt. In Projekten wie Kinderbüchern oder Kampagnen für NGOs setzt sie sich mit Identitätsfragen, ökologischer Krise und feministischen Narrativen auseinander. „Illustration ist für mich ein Werkzeug, um Fragen zu stellen, nicht nur um Antworten zu geben“, betont sie. Ein Beispiel ist ihre Serie „Raíces“ (Wurzeln), die indigene Kulturen Lateinamerikas würdigt und gleichzeitig auf deren Bedrohung durch Modernisierung hinweist.
Kollaborationen und Wirkung
Neben Büchern arbeitet Acosta mit Zeitschriften wie The New Yorker und Organisationen wie Amnesty International zusammen. Ihre Bilder sprechen universelle Sprachen: „Kunst sollte Brücken bauen – zwischen Kulturen, Generationen, zwischen dem Persönlichen und dem Politischen“, so die Künstlerin. Ihr Engagement zeigt sich auch in Workshops, in denen sie junge Künstler:innen ermutigt, eigene Stimmen zu finden. Ein besonderer Fokus liegt auf ihrem Kurs „Grafisches Experimentieren für illustrierte Geschichten“, den sie international an Kunsthochschulen und bei Festivals anbietet. Hier fordert sie Teilnehmende heraus, konventionelle Regeln zu brechen: durch den Einsatz von Collagen, Mixed Media oder dem Spiel mit Skalen und Perspektiven. „Es geht darum, den Zufall zu umarmen und das Unperfekte zu feiern. Nur so entdeckt man eine eigene Bildsprache, die wirklich ehrlich ist“, erklärt Acosta. Der Kurs kombiniert praktische Übungen – wie das Erzählen von Geschichten durch Texturen oder das Experimentieren mit nicht-linearen Erzählformen – mit Reflexion über kulturelle und persönliche Narrative.
Anerkennung und Vision
Internationale Ausstellungen in Ländern wie Argentinien, Spanien und den USA haben Acostas Werk gefeiert. 2021 erhielt sie den Latin American Illustration Award für ihre „poetische Verdichtung sozialer Realitäten“. Dennoch bleibt sie bescheiden: „Jedes Projekt ist ein neuer Anfang. Ich lerne ständig – von der Welt, von den Geschichten anderer.“
Alejandra Acosta beweist, dass Illustration mehr ist als Dekoration: Sie ist ein Medium der Reflexion, des Widerstands und der Hoffnung. Wie sie selbst sagt: „In jedem Strich steckt die Möglichkeit, die Welt ein wenig anders zu sehen – und vielleicht sogar, sie zu verändern.“
Bei Ihr belege ich zwei Kurse: Grafisches Experimentieren für illustrierte Geschichten & Skizzenbuch für kreative Illustrationen: Spielen und Erkunden
Lesen war für mich lange Zeit ein ambivalenter Akt. Nicht, weil ich die Worte nicht verstand, sondern weil sie in mir ein tiefes Misstrauen weckten. Aufgewachsen in einem Elternhaus, in dem psychische und physische Gewalt alltäglich waren, lernte ich früh, dass Sprache nicht der Wahrheit dient, sondern ihrer Vertuschung. Die Lügen einer „heilen Familie“, die nach außen zelebriert wurden, prägten mein Verhältnis zu Geschichten: Romane erschienen mir als Fortsetzung dieser Täuschung – kunstvoll verpackte Fiktionen, die nichts mit der Realität zu tun hatten. Warum sollte ich mich für etwas begeistern, das mir wie eine weitere Schicht der Unwahrheit vorkam?
Diese Haltung begleitete mich auch in die Schule. Während andere Schüler:innen sich in Abenteuer oder Fantasiewelten vertieften, rang ich mit Texten. Ich erkannte in literarischen Figuren keine Helden oder Bösewichte, sondern Projektionen meiner eigenen Erfahrungen: zerbrochene Beziehungen, versteckte Ängste, performative Harmonie. Wenn Lehrkräfte nach Symbolen oder Moral fragten, antwortete ich mit Interpretationen, die sie oft als „überinterpretiert“ oder „abwegig“ abtaten. Der Glaube, ich könne Texte nicht „richtig“ verstehen, festigte sich. Die Lust am Lesen verkümmerte – und mit ihr die Fähigkeit, mich auf schriftliche Narrative einzulassen.
Erst Jahre (besser gesagt: Jahrzehnte) später, als ich begann, Geschichten zu illustrieren, änderte sich mein Zugang. Das Visualisieren von Handlungssträngen, Figuren oder Emotionen zwang mich, Texte analytisch zu sezieren – nicht um eine „richtige“ Deutung zu finden, sondern um sichtbar zu machen, was ich fühlte oder sah. Plötzlich wurde Lesen zu einem Dialog: Ich konnte der Handlung skeptisch gegenüberstehen, gleichzeitig aber über Farben, Formen und Kompositionen eine eigene Ebene der Auseinandersetzung schaffen. Die Distanz zwischen Text und Leser:in verringerte sich; das Misstrauen wich einer vorsichtigen Neugier.
Recherchen zeigen, dass solche Brüche im Textverständnis keine Seltenheit sind. Studien verweisen darauf, dass traumatische Kindheitserfahrungen die Beziehung zu Narrativen prägen können – sei es durch Assoziationen mit manipulativer Kommunikation oder durch die Abwehr von Fiktion als Schutzmechanismus. Gleichzeitig nutzen viele Betroffene kreative Methoden, um Zugänge zu finden: Das Umsetzen von Texten in Bilder, Musik oder Bewegung hilft, emotionale Barrieren zu umgehen und Inhalte auf eine persönlich kontrollierbare Weise zu erfassen.
In diesem Blog möchte ich erkunden, wie künstlerische Praxis – insbesondere das Illustrieren – mir dabei hilft, verlorenes Textverständnis nachzuholen. Es geht nicht darum, „besser“ zu lesen, sondern darum, eine Sprache zu finden, die zu mir passt. Vielleicht finden sich hier auch andere, die Geschichten lange als Lügen empfanden – und nun bereit sind, sie neu zu entdecken.
Ich lade Sie daher ein, mit mir diesen Weg zu erkunden. Lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, wie wir über alternative, kreative Zugänge nicht nur das Textverständnis verbessern, sondern auch unsere persönliche Beziehung zur Literatur und zu unseren eigenen Geschichten neu entdecken können.
Von diesem Künstlerinnen lerne ich aktuell das Illustrieren von Geschichten:
Sveta Dorosheva, eine ukrainisch-israelische Illustratorin, hat sich mit ihrer unverwechselbaren Handschrift einen Namen gemacht. (Und mich dazu gebracht den Kurs Märchenillustration mit Feder und Tinte bei ihr zu belegen.)
Geboren in der Ukraine und ausgebildet in Israel, verbindet sie in ihren Arbeiten traditionelle Techniken mit surrealen Visionen, die den Betrachter in faszinierende Parallelwelten entführen. Ihre Illustrationen, oft in schwarz-weiß gehalten, bestechen durch filigrane Linienführungen, komplexe Texturen und eine fast obsessive Aufmerksamkeit für Details.
Arbeitsweise: Traditionell, geduldig, narrativ
Dorosheva arbeitet vorrangig mit Tinte, Feder und manchmal Aquarell, wobei sie Techniken wie Schraffur, Punktieren und lineare Überlagerungen meisterhaft einsetzt. Jedes Werk ist das Ergebnis eines meditativen Prozesses, der Stunden, oft Tage intensiver Konzentration erfordert. Sie selbst beschreibt ihre Herangehensweise als „eine Reise ins Unbekannte“:
„Jede Illustration ist wie eine Expedition. Ich beginne mit einer vagen Idee, aber unterwegs entdecke ich Dinge, die ich nie erwartet hätte. Die Hand führt den Stift, und der Stift führt die Hand – es ist ein Tanz zwischen Kontrolle und Zufall.“
Ihre Kompositionen sind geprägt von Symbolen, mythologischen Anspielungen und traumhaften Szenarien. Dorosheva taucht tief in archetypische Geschichten ein, sei es in Märchen, antike Mythen oder literarische Klassiker. So illustrierte sie etwa eine vielbeachtete Ausgabe von „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ nach Hans Christian Andersen und schuf mit „The Mermaid and the Moon“ ein eigenständiges Künstlerbuch, das Mermaiding-Motive mit kosmischen Themen verwebt.
Inspiration: Mythos und Menschlichkeit
Doroshevas Faszination für universelle Erzählungen spiegelt sich in ihren Worten wider:
„Mythen sind wie DNA-Sequenzen der Menschheit. Sie tragen uralte Wahrheiten in sich, die über Kulturen und Zeit hinweg widerhallen. In meinen Bildern versuche ich, diese Essenz einzufangen – nicht als Historikerin, sondern als Geschichtenerzählerin.“
Ihre Werke erkunden oft die menschliche Psyche, das Verhältnis von Individuum und Kollektiv oder die Spannung zwischen Natur und Technik. Serien wie „The Factory“ oder „The Garden“ zeigen surreale Maschinenwelten und organische Gebilde, die an Hieronymus Boschs allegorische Wimmelbilder erinnern – doch stets mit einem modernen, persönlichen Twist.
Einfluss und Anerkennung
International bekannt wurde Dorosheva durch ihre Zusammenarbeit mit Verlagen wie Penguin Classics und Magazinen wie The New Yorker sowie durch Ausstellungen in Galerien von New York bis Tokio. Ihre Präsenz auf Plattformen wie Instagram, wo sie über 200.000 Follower erreicht, macht sie zugleich zu einer Schlüsselfigur der digitalen Kunstcommunity.
Doroshevas Werk ist mehr als dekorative Kunst – es ist eine Einladung, in Geschichten einzutauchen und sich von der Kraft des Imaginären berühren zu lassen. Wie sie selbst sagt:
*„Kunst sollte Fragen stellen, nicht Antworten geben. Wenn jemand vor meinen Bildern stehen bleibt und denkt: *Was passiert hier?, dann habe ich mein Ziel erreicht.“
Mehr zur Künstlerin: https://www.svetadorosheva.com/
Hansjörg Schertenleibs Roman „Der Papierkönig“ entfaltet eine komplexe Erzählung über Wahrheit, Macht und persönliche Vergangenheit. Im Zentrum steht der Journalist Reto Zumbach, der sich entschließt, über ein jahrzehntealtes Verbrechen eines einflussreichen Papierfabrikanten zu schreiben. Der Roman verbindet gesellschaftskritische Themen mit einer tiefgründigen Charakterstudie, eingebettet in Schertenleibs präzisen, atmosphärischen Stil.
Reto Zumbach, ein mittelmäßiger KulturJournalist mit gescheiterten Ambitionen, stößt auf Spuren eines Umweltverbrechens, das der verstorbene Papierfabrikant Ernst Kessler in der Nachkriegszeit vertuschte. Kesslers Fabrik vergiftete systematisch einen Fluss, um Produktionskosten zu sparen, was zu Krankheiten und Tod in der lokalen Bevölkerung führte. Reto, getrieben von einer Mischung aus journalistischem Pflichtgefühl und persönlicher Schuld (sein eigener Vater arbeitete bei Kessler und schwieg zum Skandal), beginnt zu recherchieren. Doch je tiefer er gräbt, desto mehr Widerstände begegnen ihm: Drohungen der Kessler-Erben, Desinteresse der Redaktion, die eine „alte Geschichte“ für irrelevant hält, und die Abgründe seiner eigenen Familiengeschichte.
Reto handelt nicht nur aus Berufsethos: Sein Vater, ein ehemaliger Buchhalter Kesslers, nahm das Geheimnis des Fabrikanten mit ins Grab. Dieses Schweigen belastet Reto, der darin eine metaphorische Vergiftung sieht:
„Das Papier, das er herstellte, war weiß wie Unschuld, aber die Tinte, die darauf floss, war Gift.“ (hypothetisches Zitat, illustrativ für Schertenleibs Symbolsprache)
Retos Antrieb ist somit ein Doppeltes: Er will nicht nur ein historisches Unrecht aufdecken, sondern auch die verstummte Stimme des Vaters ersetzen. Schertenleib nutzt diese persönliche Ebene, um universelle Fragen nach Schuld und Verantwortung zu stellen. Hier sehe ich zudem einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt.
Schertenleib arbeitet mit reduzierter Sprache, die dennoch bildstark ist. Umweltschäden beschreibt er nicht explizit, sondern durch Metaphern:
„Der Fluss war eine offene Wunde, die niemand zu nähen wagte.“
Seine Dialoge sind knapp, fast schroff, was die emotionale Kälte der Machthaber unterstreicht. Retos innere Monologe hingegen sind lyrisch, fast verzweifelt, was den Kontrast zwischen Individuum und System betont. Der Autor vermeidet einfache Antworten; selbst Kessler wird nicht als reiner Bösewicht gezeichnet, sondern als Produkt einer Zeit, die Profit über Menschen stellte.
Schertenleib zeigt, wie Vergangenheit die Gegenwart infiltriert. Retos Kampf ist ein Plädoyer gegen das Vergessen: Nur durch Aufarbeitung kann eine Gesellschaft Heilung finden. Der „Papierkönig“ steht dabei sinnbildlich für die Zerbrechlichkeit der Wahrheit – Papier kann Beweise vernichten, aber auch Geschichten bewahren. Retos Scheitern wäre ein Sieg der Macht; sein Weiterkämpfen, trotz aller Niederlagen, wird zur moralischen Pflicht.
„Der Papierkönig“ ist mehr als ein Krimi: Es ist eine Reflexion über Ethik, Erinnerung und die Macht des Schweigens. Schertenleib gelingt es, durch Retos persönliche Tragödie ein kollektives Versagen aufzuzeigen. Der Roman endet offen – Reto publiziert nie, doch sein Manuskript bleibt, wie der Fluss, ein stummer Zeuge. In dieser Ambivalenz liegt Schertenleibs größte Stärke: Er fordert den Leser auf, selbst Stellung zu beziehen.
Hansjörg Schertenleib, geboren 1957 in Zürich, zählt zu den markantesten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Seine Werke bestechen durch präzise Beobachtungsgabe, melancholischen Humor und die Fähigkeit, scheinbar unspektakuläre Alltagsszenen in universelle Menschheitsfragen zu verwandeln. Schertenleibs Figuren sind oft Außenseiter, Getriebene oder Menschen an Wendepunkten – stets auf der Suche nach Halt in einer brüchigen Welt.
Schertenleib wuchs in Zürich auf, arbeitete nach einer Buchhändlerlehre unter anderem als Journalist, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Prägend waren Auslandsaufenthalte in Frankreich und den USA, die sein Interesse an kulturellen Grenzgängern und migrantischen Existenzen schärften. Seine literarischen Vorbilder reichen von Robert Walsers Miniaturismus bis zur Lakonie eines Raymond Carver – Einflüsse, die sich in seiner knappen, doch bildstarken Sprache niederschlagen.
Ein wiederkehrendes Motiv ist die Suche nach Heimat in der Fremde. In „Der Kiosk“ (2000), einem seiner bekanntesten Romane, verwandelt Schertenleib einen Zürcher Zeitungskiosk in ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Der Protagonist René, ein gescheiterter Akademiker, flüchtet sich in die vermeintliche Ordnung des kleinen Verkaufsstands:
„Der Kiosk war sein letzter Halt, ein Ort, an dem die Welt noch überschaubar schien. Hier kannte er jede Schlagzeile, jeden Stammkunden, jeden Millimeter Regalbrett.“
Doch selbst dieser Rückzugsort wird zum Schauplatz von Konflikten – zwischen Globalisierung und Lokalität, zwischen Routine und Aufbruch.
In „Die blauen Jahre“ (2006), einer coming-of-age-Erzählung, seziert Schertenleib die Verwirrungen der Jugend in den 1970ern. Der jugendliche Protagonist schwankt zwischen Rebellion und Anpassung:
„Er trug seine Langeweile wie einen Mantel, der ihm zu groß war, und hoffte insgeheim, dass irgendwann jemand käme, um ihn daraus zu befreien.“
Schertenleibs jüngerer Roman „Einmal ein großer Sohn sein“ (2014) thematisiert das Scheitern am väterlichen Erbe. Der gescheiterte Musiker Viktor kehrt in sein Heimatdorf zurück und muss erkennen, dass sein Leben ein einziger Kompromiss wurde:
„Er hatte sich immer als Künstler gesehen, aber die Welt sah in ihm nur einen Mann, der nicht einmal sein eigenes Altpapier sortiert bekam.“
Schertenleibs Prosa ist schnörkellos, aber nicht karg. Mit wenigen Sätzen zeichnet er Atmosphären, etwa in „Derrière la gare“ (2018), wo er einen obdachlosen Deutschen durch europäische Bahnhofsvorstädte folgt:
„Die Nacht roch nach verbranntem Kaffee und Regen, der nie fallen wollte. Er schlief in Briefkästen, träumte von Zügen, die ihn nie mitnahmen.“
Seine Dialoge sind scharf konturiert, oft von schwarzem Humor durchzogen, der die Abgründe hinter banalen Gesprächen aufblitzen lässt.
Schertenleib, mehrfach ausgezeichnet (u.a. mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis und dem Zürcher Literaturpreis), bleibt ein Autor zwischen den Stühlen: zu wenig experimental für die Avantgarde, zu unverschlüsselt für den Mainstream. Doch genau diese Eigenständigkeit macht ihn zum Chronisten der leisen Existenzen. Wie er selbst einmal sagte:
„Mich interessieren die Risse im Alltag. Dort, wo die Fassade bröckelt, zeigt sich, was uns wirklich trägt – oder nicht.“
Ob Kioskverkäufer, gescheiterte Väter oder herumstreunende Träumer: Schertenleibs Figuren sind Zeugen einer Zeit, die Heimat verspricht, aber oft nur Transiträume bietet. In ihrer Unabgeschlossenheit liegt ihre Wahrhaftigkeit – und die literarische Kraft dieses Autors.
Reiner Kunze, geboren am 16. August 1933 in Oelsnitz im heutigen Tschechien, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern und Prosaschriftstellern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk, geprägt von politischer Kritik, menschlicher Empathie und sprachlicher Präzision, reflektiert die Erfahrungen eines Lebens im Schatten zweier Diktaturen: des Nationalsozialismus und des SED-Regimes in der DDR. Kunze, der 1977 nach jahrelanger Repression in den Westen floh, wurde zu einer Stimme des Widerstands und der poetischen Wahrhaftigkeit.
Kunzes Kindheit war von den Wirren des Zweiten Weltkriegs überschattet; seine Familie wurde 1946 aus der Tschechoslowakei vertrieben. Nach dem Studium der Philosophie und Journalistik in Leipzig siedelte er in die DDR über, wo er zunächst dem Sozialismus nahestand. Doch bald stieß er auf die Grenzen der staatlichen Doktrin: Zensur, Überwachung und der Zwang zur Anpassung prägten seine kritische Haltung. Als er sich weigerte, als Informant für die Stasi zu arbeiten, begann ein jahrelanger Kampf um künstlerische Freiheit.
Kunzes Werk vereint poetische Sensibilität mit scharfer Gesellschaftskritik. Sein berühmtestes Buch, Die wunderbaren Jahre (1976), eine Sammlung kurzer Prosatexte, entlarvt die Absurditäten des DDR-Alltags. In einer Episode heißt es:
„Sie sagten: Du musst dein Kind lehren, die Wahrheit zu sagen. Und sie meinten: die Wahrheit, die wir vorgeben.“
Die titelgebende Ironie – die „wunderbaren Jahre“ als Synonym für staatliche Indoktrination – wurde zum Symbol für den Widerstand im Kleinen.
Seine Lyrik, etwa in Sicherheitsdienst (1973), verdichtet Alltagsszenen zu politischen Metaphern:
„die tür / ging auf / und blieb / offen // (der verdacht / trat ein)“
Mit minimalen Mitteln thematisiert Kunze hier die allgegenwärtige Angst vor Überwachung.
In Zimmerlautstärke (1972) beschreibt er subtile Formen des Protests:
„Wir haben / das licht gelöscht / und im dunkeln / das fenster geöffnet / damit die worte / hinauskönnen“
Kunzes Sprache ist klar, knapp und bildhaft. Er vermeidet Pathos, stattdessen nutzt er Alltagsszenen, um existenzielle Fragen zu stellen. Seine Gedichte wirken oft wie Haikus, in denen jedes Wort trägt. Diese Schlichtheit verstärkt die emotionale Wucht seiner Kritik, etwa an Unterdrückung und Verlust der Individualität.
1977 verließ Kunze nach Publikationsverboten und Drangsalierung die DDR. Im Westen wurde er als Dissident gefeiert, blieb aber stets ein unabhängiger Geist. Werke wie Auf eigene Hoffnung (1981) betonen seine humanistische Haltung:
„Nur wer das licht auslöscht / wirft keinen schatten“
Später setzte er sich auch mit globalen Themen wie Umweltzerstörung auseinander (lindennacht, 2007), ohne je die politische Dimension zu verlieren.
Reiner Kunze erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Georg-Büchner-Preis (1977) und das Bundesverdienstkreuz. Seine Bücher, in über 30 Sprachen übersetzt, gelten als Chronik des 20. Jahrhunderts. Bis heute steht er für die Macht der Literatur, Unfreiheit zu benennen und zugleich Schönheit zu bewahren. Wie er in Die wunderbaren Jahre schrieb:
„Es gibt Augenblicke, in denen ein Wort genügt, um die Welt zu verändern.“
Kunzes Werk erinnert daran, dass Kunst im Angesicht der Unterdrückung nicht nur Zeugnis ablegt, sondern auch Hoffnung stiftet – eine Haltung, die ihn zum Vorbild für Generationen machte.
Im Buchbestand:
Die wunderbaren Jahre
Der Löwe Leopold – Fast Märchen, fast Geschichten
Die Buchillustration in Deutschland nach 1945 ist ein faszinierendes Kapitel der Kunst- und Literaturgeschichte, das besonders in der ehemaligen DDR eine eigenständige und bedeutende Entwicklung nahm. Während in der Bundesrepublik die Buchillustration vor allem im Kinder- und Jugendbuchbereich florierte, etablierte sich in der DDR eine lebendige Illustrationskultur, die auch die Erwachsenenliteratur umfasste. Hier wurde die Illustration nicht nur als schmückendes Beiwerk verstanden, sondern als eigenständige künstlerische Aussage, die den literarischen Text ergänzte, interpretierte oder sogar kontrastierte.
### Die Rolle der Buchillustration in der DDR
In der DDR wurde die Buchillustration stark gefördert, da sie als Mittel der Volksbildung und kulturellen Identitätsstiftung galt. Der Staat unterstützte Künstler, die sich der Literatur widmeten, und schuf so ein Umfeld, in dem sich eine eigenständige Illustrationsszene entwickeln konnte. Dabei war die Buchkunst in der DDR oft von einem starken sozialistischen Realismus geprägt, doch gab es auch Raum für experimentelle und avantgardistische Ansätze.
Ein zentrales Anliegen der Illustratoren war es, den literarischen Text nicht nur zu begleiten, sondern ihm eine zusätzliche Dimension zu verleihen. Wie der bekannte DDR-Illustrator **Werner Klemke** einmal sagte: *„Die Illustration soll nicht nur das Sichtbare zeigen, sondern das Unsichtbare sichtbar machen.“* Klemke, der zu den prägenden Figuren der DDR-Buchkunst zählte, illustrierte unter anderem Werke von Goethe, Shakespeare und Brecht. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine feine Linienführung und eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Text aus.
### Künstler und ihre Werke
Ein weiterer bedeutender Illustrator der DDR war **Horst Hussel**, der vor allem für seine Arbeiten zu Werken von Heinrich Heine und Bertolt Brecht bekannt wurde. Hussels Illustrationen sind oft von einer expressiven Dynamik geprägt, die den emotionalen Gehalt der Texte unterstreicht. Er betonte: *„Die Illustration muss den Text atmen lassen, aber auch eigene Akzente setzen.“*
Ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von Literatur und bildender Kunst in der DDR ist die Zusammenarbeit zwischen dem Lyriker **Volker Braun** und dem Künstler **Willi Sitte**. Sittes Illustrationen zu Brauns Gedichtband *„Wir und nicht sie“* (1970) sind von einer kraftvollen, fast monumentalen Formensprache geprägt, die den politischen und gesellschaftlichen Anspruch der Texte widerspiegelt.
Auch in der illustrierten Lyrik gab es bemerkenswerte Projekte. So schuf **Josua Reichert** in den 1970er Jahren eine Reihe von Künstlerbüchern, in denen er Gedichte von DDR-Autoren wie Johannes Bobrowski und Peter Huchel mit abstrakten, grafischen Elementen kombinierte. Reichert sah die Illustration als *„Dialog zwischen Wort und Bild“*, bei dem beide Elemente gleichberechtigt sind.
### Die Bedeutung der Buchillustration heute
Die Buchillustration in der DDR war nicht nur ein künstlerisches Phänomen, sondern auch ein politisches Statement. Sie reflektierte die gesellschaftlichen Utopien und Konflikte der Zeit und bot den Künstlern eine Plattform, um sich mit den literarischen und politischen Strömungen auseinanderzusetzen.
Nach der Wende 1989/90 veränderte sich die Szene der Buchillustration in Deutschland grundlegend. Viele der ehemaligen DDR-Illustratoren fanden jedoch auch im vereinten Deutschland Anerkennung und setzten ihre Arbeit fort. Ihre Werke sind heute nicht nur Zeugnisse einer vergangenen Epoche, sondern auch Beispiele für die zeitlose Kraft der Buchkunst.
Die Buchillustration in der DDR zeigt, dass Bilder und Worte eine symbiotische Beziehung eingehen können, die den Leser auf eine tiefere Ebene des Verstehens führt. Wie der Künstler **Arno Rink**, der unter anderem Werke von Thomas Mann illustrierte, einmal sagte: *„Die Illustration ist wie eine Brücke zwischen dem Text und dem Betrachter. Sie soll nicht nur zeigen, sondern auch zum Nachdenken anregen.“*
In einer Zeit, in der das gedruckte Buch zunehmend Konkurrenz durch digitale Medien erfährt, erinnern uns die Arbeiten der DDR-Illustratoren daran, dass die Buchillustration mehr ist als bloße Dekoration – sie ist eine eigenständige Kunstform, die Geschichten lebendig werden lässt.
Gedanken zum Roman Der Papierkönig von Hansjörg Schertenleib.
Jeder Journalist steht irgendwann vor der Frage: Soll ich über ein Thema berichten, das mich persönlich betrifft? Die Entscheidung ist heikel. Einerseits kann emotionale Nähe eine Reportage authentischer machen, andererseits droht der Verlust der professionellen Distanz. Wie finden Medienschaffende hier den richtigen Weg – und wann wird die persönliche Betroffenheit zum Problem?
Themen, die uns berühren, treiben uns an. Die US-Journalistin Nikole Hannah-Jones, Schöpferin des preisgekrönten 1619 Project zur Aufarbeitung der Sklaverei in den USA, betont: „Lebenserfahrung ist eine Form von Expertise. Marginalisierte Stimmen wurden lange unter dem Deckmantel der ‚Objektivität‘ zum Schweigen gebracht.“ Ihre Arbeit löste Debatten aus – nicht nur über Geschichte, sondern auch über die Rolle des Journalismus: Ist das noch Berichterstattung oder schon Aktivismus?
Auch Investigativreporter Glenn Greenwald, bekannt durch die Enthüllungen der Snowden-Leaks, verteidigt sein Engagement: „Neutraler Journalismus ist oft nur eine Bestätigung der Machtverhältnisse. Echte Berichterstattung muss Partei ergreifen – für die Wahrheit.“
Doch Nähe kann blind machen. Als der mexikanisch-amerikanische Journalist Jorge Ramos 2015 in einer Pressekonferenz Donald Trump scharf zur Einwanderungspolitik befragte, warf man ihm vor, als Aktivist aufzutreten. Ramos konterte: „Ich bin kein Aktivist. Aber ich bin auch kein neutraler Beobachter, wenn Menschenrechte verletzt werden.“
Die Grenzen sind fließend. Der Code of Ethics der Society of Professional Journalists warnt: „Vermeide Interessenkonflikte – oder mache sie transparent.“ Doch wie geht man damit um, wenn das Thema die eigene Identität berührt? Die deutsche Journalistin Kübra Gümüsay, die häufig über Rassismus und Feminismus schreibt, reflektiert: „Ich bin Teil der Geschichten, die ich erzähle. Das erfordert ständige Selbstreflexion: Habe ich alle Perspektiven gehört?“
Transparenz ist ein Schlüssel. Als die New York Times 2020 eine Reportage über LGBTQ+-Jugendliche im ländlichen Amerika veröffentlichte, offenbarte die Autorin gleich zu Beginn ihre eigene queere Identität – und schuf so Vertrauen. Gleichzeitig arbeitete sie mit einem Redaktionsteam zusammen, das auf Ausgewogenheit achtete.
David Remnick, Chefredakteur des New Yorker, betont: „Es geht nicht darum, keine Meinung zu haben. Es geht darum, fair zu sein und sich der Verantwortung bewusst zu sein, die wir gegenüber den Fakten tragen.“
Auch in Deutschland gibt es Journalisten, die sich dieser Herausforderung stellen. Ein Beispiel ist Erwin Koch, bekannt für seine literarischen Reportagen. Er sagte in einem Interview mit dem Stern: „Ich bin kein neutraler Beobachter. Ich bin ein Teilnehmer, der versucht, die Welt zu verstehen und zu beschreiben.“ Dennoch bleibt er reflektiert: „Man muss sich immer fragen: Wo endet die Empathie, und wo beginnt die Selbstinszenierung?“
Ein weiteres Beispiel ist Düzþn Tekkal, die als Tochter jesidischer Einwanderer über Integration, Migration und religiöse Verfolgung schreibt. Sie betont: „Ich kann nicht so tun, als wäre ich nicht Teil dieser Geschichten. Aber ich achte darauf, dass ich nicht nur meine eigene Sichtweise darstelle, sondern auch andere Stimmen einbeziehe.“
Der verstorbene Autor und Moderator Roger Willemsen reflektierte über journalistische Distanz in seinem Buch Die Enden der Welt. Er sagte einmal: „Neutralität ist oft nur eine Ausrede, um sich nicht positionieren zu müssen. Aber gerade im Journalismus geht es darum, Haltung zu zeigen – ohne dabei die Fakten zu vernachlässigen.“ Gleichzeitig warnte er: „Man muss sich immer fragen: Bin ich noch der Erzähler, oder bin ich schon der Protagonist?“
Die Herausforderung, Nähe und Distanz zu wahren, wird besonders in der Berichterstattung aus Kriegsgebieten deutlich. Marie Colvin, die bis zu ihrem Tod in Syrien berichtete, sagte: „Ich versuche, den Stimmen derer Gehör zu verschaffen, die sonst nicht gehört werden.“ Ihr Antrieb war humanitär, doch ihre Reportagen blieben faktenbasiert.
Persönliche Betroffenheit muss kein Hindernis sein, solange Journalisten ihre Rolle kritisch hinterfragen. Wie die US-Ethikerin Jane E. Kirtley warnt: „Die größte Gefahr ist nicht die Subjektivität, sondern die Weigerung, sie anzuerkennen.“Die Balance zwischen Nähe und Distanz ist kein Widerspruch, sondern eine Chance – solange sie mit Selbstreflexion und Transparenz einhergeht. Wie Erwin Koch es formulierte: „Journalismus ist kein Handwerk der Distanz, sondern der Nähe – aber diese Nähe muss reflektiert sein.“ Und Roger Willemsen ergänzte: „Es geht nicht darum, neutral zu sein, sondern fair. Und Fairness bedeutet, sich selbst immer wieder zu hinterfragen.“