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  • In der Begegnung mit dem Anderen

    In der Begegnung mit dem Anderen

    LektüreNotizen zu Günter Abramowskis Lyrikband zu sein/das haus/auf dem weg:

    Manchmal erreichen mich Bücher – einfach so. So geschah es auch mit Günter Abramowskis Gedichtband zu sein das haus auf dem weg, den er mir 2022 unaufgefordert zusandte und mich -zufällig- an meinem Geburtstag erreichte. Die Frage, was ihn zu diesen Gedichten bewegt hat, beantwortete er mit einer persönlichen Rückschau.

    In einer Mail an mich schrieb er: Als ich zu schreiben begann wusste ich, dass meine Texte keine intellektuellen Konstrukte sein sollten sondern „überdachte“ Erfahrungsberichte, die sich in mir selbst auswirken konnten, dass sich mein Innerstes (Haus) erweiterte, dass, was ich in meinem bewussten Leben bergen, auch bewusst ins Leben tragen konnte. (Siehe Porträt)

    Dem titelgebende Gedicht habe ich mich ausführlich gewidmet: Es entfaltet eine Reflexion über Existenz, Zeit und Verbundenheit – Themen, die sich durchaus in einen aktuellen Kontext einbetten lassen, insbesondere in Bezug auf Achtsamkeit, Ökologie und die Suche nach Sinn in einer unbeständigen Welt. Hier meine Lesart.

    „In der Begegnung mit dem Anderen“ – Diese Zeile stammt aus dem Gedicht auf der Rückseite es Bandes.

    Foto: Oliver Simon

  • Günter Abramowski – Lyriker

    Günter Abramowski – Lyriker

    Günter Abramowski wurde im April 1948 in Bochum geboren und wuchs in Wattenscheid auf. Nach dem Realschulabschluss und einer kaufmännischen Ausbildung studierte er Sozialarbeit in Dortmund. Anschließend arbeitete er als Drogenberater und später in verschiedenen Berufen in unterschiedlichen Städten. Mitte der 1970er Jahre zog er aufs Land, um sich intensiver dem Schreiben zu widmen, und studierte später Theaterwissenschaften in Berlin. Seit Mitte der 1980er Jahre lebt und arbeitet er als freier Schriftsteller in Dortmund.

    Mit literarischen Arbeiten trat Abramowski ab 1994 an die Öffentlichkeit. Er veröffentlichte einen Band mit Innenraum-Fiktionen sowie acht Gedichtbände. Seine Gedichte erforschen überwiegend das Verhältnis des Selbst zur Außenwelt und laden ein, über die eigene Herkunft und eine menschenwürdige Zukunft nachzudenken. Auffällig ist seine durchgängige Kleinschreibung sowie die Verwendung des tironischen „&“ anstelle des Wortes „und“.

    Abramowskis Gedichte sind eng mit seiner Lebensgeschichte verbunden. Im Alter von vier Jahren erkrankte er an Polio und verbrachte sechs Wochen auf einer Isolierstation. Körperlich überstand er die Krankheit unversehrt, doch die Erfahrung des Alleinseins prägte ihn tief. In dieser Zeit entwickelte sich ein starkes Wachsein-Wollen – ein Zustand, in dem Innen und Außen ineinander fließen konnten. In der Stille fand er einen Raum der Geborgenheit, in dem sich Fragen klärten und sich eine innere Welt zu formen begann.

    Mit acht Jahren starb seine Mutter im Alter von 36 Jahren. Die vier Geschwister – zwischen drei und zwölf Jahre alt – standen vor einer neuen Realität. Der Vater, Beamter bei der Deutschen Bahn, heiratete erneut, um die Familie zusammenzuhalten. In dieser Zeit wurde es für Abramowski lebensnotwendig, klar zu bleiben, bewusst wahrzunehmen, das Erlebte nicht zu verdrängen, sondern sich damit auseinanderzusetzen.

    Günter Abramowski - Lyriker - ersatzgestalt - Foto: Privat
    Günter Abramowski – Foto: Privat

    Diese frühen Erlebnisse prägten seine Haltung zum Schreiben:
    Als ich zu schreiben begann wusste ich, dass meine Texte keine intellektuellen Konstrukte sein sollten sondern „überdachte“ Erfahrungsberichte, die sich in mir selbst auswirken konnten, dass sich mein Innerstes (Haus) erweiterte, dass, was ich in meinem bewussten Leben bergen, auch bewusst ins Leben tragen konnte.

    Abramowski hat sein Leben so offen, frei und intensiv wie möglich gelebt. Seine Gedichte reflektieren diese Haltung: eine Spurensuche nach der Verbindung zwischen Wahrnehmung und Sein. Die Welt erscheint ihm als Schöpfung unserer irdischen Wahrnehmung – wundervoll und schrecklich zugleich. „Und manchmal denke ich“, schreibt er, „das Bewusstsein prägt das Sein. Kümmert man sich nicht darum, verliert sich das Leben.“

    Diese Reflexion zieht sich wie ein stiller Grundton durch sein Werk. Es sind Gedichte, die nicht nur gelesen, sondern auch nachgehört werden wollen – Worte, die Raum lassen für das eigene Wachsein.

    LektüreNotizen: zu sein das haus auf dem weg
    LektüreNotizen: wer ist wir

  • Überblick über deutschsprachige Naturlyrik nach 1945

    Die Naturlyrik nach 1945 spiegelt die gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Entwicklungen der jeweiligen Zeit wider. Sie bewegt sich zwischen traditioneller Naturbetrachtung, kritischer Reflexion und existenziellen Fragestellungen. Dabei lassen sich verschiedene Schwerpunkte erkennen:

    1. Tradition und Erneuerung: Einige Dichter knüpfen an klassische Formen der Naturlyrik an, wobei Natur als kontemplativer oder metaphorischer Raum dient. Andere entwickeln neue Ansätze und erweitern die Darstellung von Natur um wissenschaftliche, philosophische oder technologische Perspektiven.
    2. Natur und Zerstörung: Umweltzerstörung und Klimawandel sind seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend Thema. Natur erscheint oft als bedrohtes oder entfremdetes Gegenüber.
    3. Subjektive Naturerfahrung: Natur wird nicht nur als eigenständige Größe betrachtet, sondern in ihrer Wechselwirkung mit menschlicher Wahrnehmung, Emotion und Identität untersucht.
    4. Philosophische und sprachkritische Ansätze: Manche Lyriker hinterfragen die Möglichkeiten der Sprache, Natur adäquat zu erfassen. Sie reflektieren über die Grenzen von Sprache und Wahrnehmung.

    Wichtige Autorinnen und Autoren

    • Günter Eich (1907–1972): Seine Naturgedichte reflektieren häufig über Vergänglichkeit und existenzielle Fragestellungen.
    • Ingeborg Bachmann (1926–1973): Verknüpft Naturmotive mit inneren Zuständen und gesellschaftlichen Themen.
    • Peter Huchel (1903–1981): Arbeitet mit einer kargen, präzisen Sprache, die Natur als Ort von Geschichte und Erinnerung zeigt.
    • Nicolas Born (1937–1979): Thematisiert in seinen späteren Gedichten die Zerstörung der Umwelt und die Entfremdung des Menschen von der Natur.
    • Sarah Kirsch (1935–2013): Ihr Werk ist stark von Naturmotiven geprägt, die oft poetische und politische Dimensionen vereinen.
    • Christine Langer (geb. 1966): Verbindet in ihren Gedichten Naturbetrachtungen mit poetologischen und philosophischen Fragestellungen.

    Beispiel: Christine Langer und Lichtrisse

    Christine Langers Lyrikband Lichtrisse (2017) zeigt eine fein nuancierte Naturwahrnehmung, die durch sprachliche Reduktion und atmosphärische Dichte gekennzeichnet ist. Ihre Naturdarstellungen sind oft fragmentarisch und changieren zwischen konkreten Bildern und abstrakter Reflexion.

    Zitat zur Arbeitsweise von Christine Langer:

    Im Gespräch mit Matthias Kußmann | 16.08.2007 im Deutschlandfunk (Am Puls d er Natur) sagt Christine Langer, sie stelle sich beim Schreiben manchmal einen Klumpen Lehm vor, den sie forme und knete, bis sich daraus eine Figur, ein ästhetisch differenziertes Gebilde ergebe.

    Fazit

    Die deutschsprachige Naturlyrik nach 1945 ist vielfältig und reflektiert sich wandelnde gesellschaftliche und philosophische Perspektiven auf Natur. Zwischen poetischer Kontemplation und kritischer Reflexion ergeben sich immer neue Annäherungen an das Thema, die durch Sprache und Form experimentieren und oft ein Bewusstsein für die Gefährdung der Natur schaffen.

  • konzepte – Zeitschrift für Literatur

    konzepte – Zeitschrift für Literatur

    „Konzepte. Zeitschrift für Literatur“ ist seit 1985 ein fester Bestandteil der deutschsprachigen Literaturszene und bietet eine Plattform, auf der sowohl etablierte als auch junge, bislang unbekannte Autoren erstmals ihre Stimme finden können. Die Geschichte des Magazins begann bescheiden: Gegründet von Norbert Kron erschien die erste Ausgabe als ein vierseitiges, in der Mitte gefaltetes DIN‑A3-Blatt, das ausschließlich Nachwuchsautoren präsentierte. Bereits in diesen Anfängen stand das Ziel im Vordergrund, jungen literarischen Talenten den Einstieg in den literarischen Diskurs zu erleichtern.

    Mit der Zeit entwickelte sich „Konzepte“ weiter: Ab der 11. Ausgabe im Jahr 1999 trug das Magazin den Untertitel „Konzepte. Zeitschrift zur Zeit“ und erweiterte sein Angebot um Essays zu aktuellen Kulturthemen. Seit der 24. Ausgabe 2004 erscheint die Zeitschrift nun im Buchformat mit rund 180 Seiten, und bildet einen breiteren Querschnitt der Gegenwartsliteratur abbildet. Dabei wechseln sich Werke namhafter Autoren mit Beiträgen junger Literaturschaffender ab, was ihr Konzept widerspiegelt: Etablierte Stimmen sollen neben neuen, experimentellen Impulsen Platz finden.

    Die Redaktion hat sich im Laufe der Jahre mehrfach gewandelt. Neben der Gründung durch Norbert Kron übernahmen später Stefan Sprang und Markus Orths die Chefredaktion. Seit 2003 steht Christine Langer an der Spitze und prägt die inhaltliche Ausrichtung maßgeblich. Sie betont:
    „Konzepte ist mehr als nur eine Zeitschrift – es ist ein lebendiger Treffpunkt, an dem die Vielfalt der literarischen Stimmen unserer Zeit zusammenkommt und neue Perspektiven eröffnet.“

    Inhaltlich bietet „Konzepte“ bislang unveröffentlichte Beiträge aus den Bereichen Lyrik, Prosa und Essay sowie Gedichtübersetzungen, vorwiegend aus dem Englischen, und fotografische Arbeiten. Besonders hervorzuheben ist eine Sonderausgabe aus dem Jahr 2005, in der vierzehn Autoren das elementare Gedicht „was brauchst du“ von Friederike Mayröcker in verschiedene Sprachen übersetzten – darunter Michael Hamburger ins Englische, Cees Nooteboom ins Niederländische und Fuad Rifka ins Arabische. Diese Ausgabe wurde von der Süddeutschen Zeitung als „literarisches Bonbon“ gelobt. Auch in späteren Ausgaben, wie etwa der Ausgabe 31 (2011), fanden preisgekrönte Erstveröffentlichungen, unter anderem Beiträge der Preisträger des Selma Meerbaum-Eisinger Literaturpreises, ihren Weg in die Öffentlichkeit.

    Die Rezeption der Zeitschrift fällt – soweit ich das überblicke – durchweg positiv aus. Die Schwäbische Post bezeichnete „Konzepte“ als „das Forum für Erstveröffentlichungen aus der Gegenwartsliteratur“ und die Badische Zeitung hob hervor, dass das Magazin „ein wichtiges Fenster ins schriftstellerische Schaffen der Gegenwart“ öffnet. Kritiker schätzen vor allem die Vielfalt und den innovativen Ansatz, den etablierte Autoren und Nachwuchstalente gemeinsam verfolgen.

    Interessierte Autoren können ihre Manuskripte direkt bei „Konzepte“ einreichen – weitere Informationen zu den Einreichungsmodalitäten finden sich auf der offiziellen Website (www.konzepte-zeitschrift.de).

    In den Worten von Christine Langer fasst sich der Geist der Zeitschrift treffend zusammen:
    „Wir verstehen uns als Plattform, auf der die Spannbreite der zeitgenössischen Literatur – von experimentellen Texten bis zu klassisch erzählten Geschichten – ihren Raum findet und sich ständig neu erfindet.“

    In meinem Bestand (Details folgen)

  • Kirsten Boie

    Kirsten Boie ist eine der bedeutendsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Geboren am 19. März 1950 in Hamburg, hat sie mit über 100 veröffentlichten Büchern Generationen von jungen Lesern geprägt. Ihr literarisches Werk zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Vielseitigkeit aus, die von realistischen Alltagsgeschichten bis hin zu historischen und fantastischen Erzählungen reicht.

    Bevor sie ihre schriftstellerische Karriere begann, studierte Kirsten Boie Germanistik und Anglistik und promovierte mit einer Arbeit zur frühen Prosa Bertolt Brechts. Anschließend arbeitete sie als Lehrerin an Hamburger Schulen. Eine prägende Erfahrung war für sie der Wechsel von einem Gymnasium an eine Gesamtschule in einem sozial schwächeren Stadtteil Hamburgs. Die dort erlebten Herausforderungen ihrer Schüler beeinflussten ihre spätere literarische Arbeit maßgeblich.

    Ein einschneidendes Ereignis in Boies Leben war die Adoption ihres ersten Kindes im Jahr 1983. Aufgrund der damaligen gesetzlichen Bestimmungen musste sie ihre Lehrtätigkeit aufgeben, was sie zum Schreiben brachte. Bereits ihr erstes Buch, „Paule ist ein Glücksgriff“ (1985), das die Geschichte eines adoptierten Jungen erzählt, wurde ein großer Erfolg und markierte den Beginn ihrer beeindruckenden Karriere.

    Boies Arbeitsweise ist geprägt von einer intensiven Beobachtungsgabe und dem Bestreben, Kinder und Jugendliche auf Augenhöhe anzusprechen. Sie legt Wert auf authentische Figuren und glaubwürdige Dialoge. In einem Interview sagte sie: „Ich möchte sie abholen auf dem Stand ihrer Erfahrungen und bei dem, was sie verstehen können.“ Besonders in Reihen wie „Der kleine Ritter Trenk“ oder „Skogland“ verbindet sie spannende Geschichten mit gesellschaftlich relevanten Themen. „Ich habe also mit viel Vergnügen Figuren genutzt, um daraus eine spannende Handlung zu konstruieren und darin andere, ernsthaftere Themen quasi zu verstecken“, erklärte sie.

    Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit engagiert sich Kirsten Boie intensiv für die Leseförderung. 2018 initiierte sie die „Hamburger Erklärung“, eine Petition, die von der Politik eine umfassende Maßnahme zur Verbesserung der Lesekompetenz fordert. Sie sagte dazu: „Wir wissen, dass Lesen klüger macht.“

    Ein weiteres Beispiel für ihr soziales Engagement ist die von ihr und ihrem Mann gegründete Möwenweg-Stiftung, die sich für Aids-Waisen in Eswatini (ehemals Swasiland) einsetzt und Tausenden von Kindern den Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung ermöglicht.

    Für ihr literarisches Schaffen und ihr gesellschaftliches Engagement wurde Kirsten Boie mehrfach ausgezeichnet. Sie erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und wurde 2019 mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg geehrt. Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher lobte sie als „herausragende Schriftstellerin, eine aufrechte Bürgerin und Demokratin“.

    Kirsten Boies Werk und Wirken gehen weit über das Schreiben hinaus. Sie setzt sich unermüdlich für die Rechte und Bildung von Kindern ein und bleibt dabei stets nah an den realen Lebenswelten ihrer jungen Leser. Ihre Bücher begeistern nicht nur, sondern sensibilisieren und inspirieren – und das macht sie zu einer der wichtigsten Stimmen in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur.

  • Der Junge, der Gedanken lesen konnte – Kirsten Boie

    „Der Junge, der Gedanken lesen konnte“ ist ein spannender Kinderkrimi der renommierten Autorin Kirsten Boie, der 2012 im Verlag Friedrich Oetinger erschienen ist. Die Geschichte richtet sich an Leser und Leserinnen ab 10 Jahren und verbindet Abenteuer mit Themen wie Freundschaft, Verlust und Trauer.

    Inhalt

    Im Mittelpunkt der Handlung steht der zehnjährige Valentin, der mit seiner Mutter in eine neue Stadt zieht. Auf der Suche nach einem Rückzugsort entdeckt er einen Friedhof, der für ihn zu einem Ort des Nachdenkens über Leben und Tod wird. Dort begegnet er einer Reihe skurriler und liebenswerter Charaktere:

    • Frau Dicke Frau: Eine verwahrloste Frau, die seit dem Verlust ihres Sohnes in ihrer eigenen Welt lebt.
    • Herr Schmidt: Ein älterer Herr, der täglich das Grab seiner verstorbenen Frau besucht und dabei von seinem Foxterrier Jiffel begleitet wird.
    • Die Schilinskys: Ein älteres Ehepaar, das ihre zukünftige Grabstätte bereits zu Lebzeiten als gemütlichen Treffpunkt nutzt.
    • Bronislaw: Der polnische Friedhofsgärtner, der mit seiner geheimnisvollen Art Valentins Neugier weckt.

    Während seiner Besuche auf dem Friedhof entdeckt Valentin, dass er die Fähigkeit besitzt, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Diese Gabe führt ihn und seinen neuen Freund Mesut in ein aufregendes Abenteuer, als sie mysteriösen Ereignissen und Verbrechen auf die Spur kommen, die den Friedhof und seine Besucher betreffen.

    Themen und Stil

    Kirsten Boie gelingt es, in diesem Werk Spannung und Philosophie zu vereinen. Sie behandelt sensible Themen wie den Umgang mit Verlust und Trauer auf eine kindgerechte Weise und zeigt, wie Freundschaft und Zusammenhalt in schwierigen Zeiten Kraft geben können. Die humorvollen und skurrilen Charaktere verleihen der Geschichte eine besondere Tiefe und machen sie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene zu einem fesselnden Leseerlebnis.

    Zitate aus dem Buch

    Ein zentrales Thema des Buches ist die Auseinandersetzung mit dem Tod. In einem Gespräch reflektiert Herr Schmidt über die Endlichkeit des Lebens:

    „Es ist für uns eben unvorstellbar, mein Jung‘“, hat er gesagt. „Dass es einfach zu Ende sein soll. Punkt, Schluss, aus. Eben noch lebendig, jetzt tot. Liegt noch genauso da wie vorher, haargenau so, sieht noch haargenau so aus. Aber atmet nicht mehr. Das ist der einzige, winzige Unterschied. Wie sollen wir da glauben können, dass es nun das ganz Andere ist? Nur so ein winziger Unterschied, atmet nicht mehr. Aber es genügt. Es ist derselbe Mensch, liegt noch so da, aber es gibt ihn nicht mehr.“ Er hat geseufzt. „Schwer zu verstehen, mein Jung. Schwer zu verstehen.“

    Die Endgültigkeit des Todes zu begreifen ist schwierig.

    Illustrationen

    Die Geschichte wird durch die farbenfrohen Illustrationen von Regina Kehn ergänzt, die die poetische Erzählweise visuell untermalen und die Atmosphäre des Friedhofs sowie die Emotionen der Charaktere eindrucksvoll einfangen.

    Fazit

    „Der Junge, der Gedanken lesen konnte“ ist mehr als nur ein Kinderkrimi. Es ist eine tiefgründige Geschichte über das Leben, den Tod und die Bedeutung von Freundschaft. Kirsten Boie schafft es, komplexe Themen mit Leichtigkeit und Humor zu vermitteln, wodurch das Buch zu einem wertvollen Leseerlebnis für Jung und Alt wird.

  • Regina Kehn

    Regina Kehn, geboren 1962 in Hamburg, ist eine deutsche Illustratorin, die sich auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert hat. Sie absolvierte ihr Studium der Illustration an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg und schloss 1989 mit einem Diplom im Bereich Kinderbuch ab. Seit 1990 arbeitet sie freiberuflich und hat seither zahlreiche Bücher illustriert sowie eigene Texte verfasst.

    Ihr erster großer Auftrag war die Illustration von Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“. Diesen Meilenstein beschreibt sie als „ein Riesenglück“. Seitdem hat sie mit einer Vielzahl von Autoren zusammengearbeitet, darunter Michael Ende, Cornelia Funke, Eva Ibbotson, Otfried Preußler und Andreas Steinhöfel.

    Kehns Arbeitsweise zeichnet sich durch Experimentierfreude und die Suche nach neuen Ausdrucksformen aus. Um „weg vom Gewohnten“ zu kommen, begann sie beispielsweise mit der linken Hand zu zeichnen und mit großen Pinseln zu arbeiten. „Ich hab dann angefangen mit der linken Hand und mit großen Pinseln zu schreiben und zu malen. Und das hat mich ungemein beglückt“, sagte sie in einem Interview. Das Zeichnen beschreibt sie als ihre große Leidenschaft: „Zeichnen war und ist die einzige Tätigkeit, bei der ich die Zeit vergesse.“

    Auch ihre Umgebung beeinflusst ihre Arbeit. „Wenn ich mir das Kaleidoskop anschaue, sind ja auch einige in Norddeutschland beheimatete Texte drin. Theodor Storm zum Beispiel, das Meer kommt in mehreren Gedichten vor, das Wasser, der Wind, der Regen, den man ja selber oft genug satt hat, das alles scheint Element von dem Zuhause zu sein.“

    Neben ihrer Tätigkeit als Buchillustratorin hat Kehn auch für Magazine wie „Stern“, „Der Spiegel“ und „Focus“ gearbeitet und Kampagnen in der Werbung gestaltet. 2015 entwarf sie erstmals eine Briefmarke für die Deutsche Post.

    Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, darunter mit der Bronzemedaille des Art Directors Club im Jahr 1996 und dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 für das Buch „Wolf“ von Saša Stanišić.

    In Bezug auf aktuelle Entwicklungen in der Illustration betont Kehn die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Diskussion über neue Technologien: „Wir müssen eine Diskussion über den Umgang mit KI-Gestaltung führen und den Umgang damit regeln.“

    Regina Kehn lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Hamburg. Wenn sie an einem Projekt arbeitet, lässt sie sich gern von Hörbüchern oder Podcasts begleiten: „Ich höre Podcasts oder Hörbücher. Etwas, was nur halb meine Aufmerksamkeit bindet. Und ich nehme mir vor, nur mal so 30 Minuten am Projekt zu arbeiten. Daraus wird oft mehr.“

    Im Buchbestand

    Kirsten Boie – DerJunge, der Gedanken lesen konnte
    Ein Friedhofskrimi

  • Mai Juni Tagebücher – Helmut Krausser

    Helmut Krausser zählt zu den markanten Stimmen der zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturszene. Mit einem facettenreichen Œuvre, das von autobiografischen Tagebüchern über Romane bis hin zu Essays reicht, gelingt es ihm, den Alltag mit einer Mischung aus präziser Beobachtung und emotionaler Offenheit literarisch einzufangen. In seinem Werk Mai Juni Tagebücher dokumentiert er – wie schon in anderen Tagebuchbänden – nicht nur persönliche Erlebnisse, sondern auch subtile Stimmungen und Beobachtungen, die den jeweiligen Moment in den Vordergrund rücken.

    Mai Juni Tagebücher

    Mai Juni Tagebücher umfasst Tagebucheinträge aus zwei Monaten, in denen Krausser seinen alltäglichen Erlebnissen und inneren Reflexionen Raum gibt. Der Autor lässt den Leser an einem Prozess teilhaben, der einerseits spontane Eindrücke festhält und andererseits einer gewissen literarischen Überarbeitung unterzogen wird. So entstehen Texte, die einerseits authentisch und unmittelbar wirken, andererseits aber auch das Ergebnis eines reflektierten Schreibprozesses sind.

    Ein zentraler Aspekt des Buches ist die Verbindung von Beobachtung und Empfindung. So schreibt Krausser etwa:

    „Der Mai war ein Erwachen – leise, aber beständig.“

    Mit dieser knappen Formulierung vermittelt er, wie alltägliche Zeitabschnitte zu bedeutsamen Momenten werden können. Ein weiteres Beispiel für seinen prägnanten Stil lautet:

    „Jeder Tag enthüllt das Unerwartete im Alltäglichen.“

    Diese Zitate veranschaulichen, wie der Autor es versteht, das Banale in ein fast poetisches Licht zu rücken – ohne dabei in sentimentale Überhöhung zu verfallen.


  • Das buch der Zeit 1 – Guillaume Prévost

    „Die steinerne Pforte“ ist der erste Band der Trilogie „Das Buch der Zeit“ des französischen Autors Guillaume Prévost. In diesem Jugendroman wird die Geschichte des 14-jährigen Samuel Faulkner erzählt, der sich auf die Suche nach seinem verschwundenen Vater begibt und dabei die Fähigkeit entdeckt, durch die Zeit zu reisen.

    Handlung

    Nach dem Tod seiner Mutter lebt Sam bei seinen Großeltern, während sein Vater ein Antiquariat betreibt. Als sein Vater spurlos verschwindet, beginnt Sam, Nachforschungen anzustellen. Im Keller des Antiquariats entdeckt er eine versteckte Kammer mit einem mysteriösen Stein, der mit einem Sonnensymbol graviert ist, sowie eine dazu passende Münze. Als Sam die Münze in die Vertiefung des Steins einfügt, wird er plötzlich in eine andere Zeit katapultiert.

    Seine erste Reise führt ihn ins frühe Mittelalter auf die irische Insel Iona, wo Mönche sich auf einen bevorstehenden Wikingerangriff vorbereiten. Durch weitere Münzen gelangt Sam in unterschiedliche Epochen, darunter das Frankreich des Ersten Weltkriegs und das alte Ägypten. Während dieser Reisen sammelt er Hinweise auf den Verbleib seines Vaters und versucht, einen Weg zurück in seine eigene Zeit zu finden.

    Charaktere

    • Samuel Faulkner (Sam): Ein gewöhnlicher 14-jähriger Junge, der Judo, Skateboarding und Computer liebt. Der Verlust seiner Mutter und das Verschwinden seines Vaters belasten ihn schwer. Trotz seiner Unsicherheiten wächst er im Laufe der Geschichte über sich hinaus und stellt sich mutig den Herausforderungen der Zeitreisen.
    • Lilly: Sams Cousine, die bei denselben Großeltern lebt. Sie unterstützt Sam bei seinen Nachforschungen und erweist sich als kluge und einfühlsame Verbündete.

    Der Autor

    Guillaume Prévost wurde 1964 in Tananarive, Madagaskar, geboren. Er ist Professor für Geschichte und unterrichtet in Versailles. Neben seiner akademischen Laufbahn hat er mehrere historische Kriminalromane sowie Kinder- und Jugendbücher verfasst. Seine Expertise als Historiker fließt in seine literarischen Werke ein, indem er historische Ereignisse und Epochen authentisch darstellt und mit fiktiven Elementen verknüpft. In einem Interview betonte Prévost, dass er großen Wert auf gründliche Recherche legt, um den Lesern ein realistisches Bild der jeweiligen Zeit zu vermitteln.

    Stil und Themen

    Prévost kombiniert in „Die steinerne Pforte“ Elemente von Abenteuer, Fantasy und historischem Roman. Durch die Zeitreisen erhält der Leser Einblicke in verschiedene historische Epochen und Kulturen. Der Autor legt dabei Wert darauf, historische Details genau zu recherchieren und authentisch darzustellen. Ein zentrales Thema des Buches ist die Suche nach familiärer Zugehörigkeit und Identität, eingebettet in die Frage, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft sind.

    Rezeption

    „Die steinerne Pforte“ wurde von Lesern und Kritikern positiv aufgenommen. Besonders hervorgehoben werden die spannende Handlung und die gelungene Verknüpfung von historischen Fakten mit fiktiven Elementen. Die Darstellung des Protagonisten als „typischer Normalo“ ermöglicht es den Lesern, sich leicht mit ihm zu identifizieren. Die Gestaltung des Buches mit rot-goldenem Prägedruck und schlüsselförmigen Ornamenten vermittelt den Eindruck, das „Buch der Zeit“ tatsächlich in den Händen zu halten. citeturn0search2

    Fortsetzungen

    „Die steinerne Pforte“ ist der Einstieg in eine Trilogie, die Lust auf Abenteuer, historische Neugier und die Suche nach familiären Wurzeln miteinander verknüpft.

    Sie wird mit den Bänden „Die sieben Münzen“ und „Der magische Reif“ fortgesetzt. In diesen Büchern setzt Sam seine abenteuerliche Reise durch die Zeit fort, um das Rätsel um das Verschwinden seines Vaters endgültig zu lösen.

  • vergänglich und beharrlich

    vergänglich und beharrlich

    Die Schlange glitt davon,
    doch ihre Augen
    blieben im Gras.

    Takahama Kyoshi
    [1874 – 1959] war ein japanischer Dichter und Schriftsteller.

    Haikus arbeiten oft mit präzisen Naturbildern, um eine Stimmung oder einen Augenblick einzufangen. Der „Sinn“ ist dabei meist nicht explizit, sondern entsteht durch die Assoziationen, die die Bilder wecken. Hier eine Annäherung an den Dreizeiler:

    Struktur und Bildsprache

    Das Haiku folgt der klassischen Dreiteilung:
    Erste Zeile: Eine Bewegung („glitt davon“) – die Schlange verschwindet.
    Zweite/Dritte Zeile: Ein Kontrast – etwas bleibt zurück („Augen im Gras“).

    Die Spannung zwischen Vergänglichkeit (die Schlange entzieht sich) und Beharrlichkeit (die Augen bleiben) ist zentral. Das Hintergründige, Unfassbare der Schlange wird durch die zurückgelassenen Augen betont – fast, als ob ihre Präsenz noch spürbar ist, obwohl sie physisch fort ist.


    Mögliche Metaphern

    Die Augen als Symbol: Sie könnten für Wachsamkeit, Bedrohung oder das Unheimliche stehen, das auch nach dem Verschwinden der Schlange „im Gras lauert“.
    Das Gras: Ein Ort des Verbergens, der Natur, aber auch der Vergänglichkeit (es wächst, bewegt sich, verdeckt).
    Die Schlange: Ein archetypisches Symbol für Verwandlung (Häutung), Gefahr oder auch heimliche Schönheit.

    Interessant ist die Trennung von Körper und Blick: Die Augen wirken wie eigenständige Wesen, die den Betrachter*innen weiterhin „beobachten“. Das schafft eine unheimliche, fast surreale Atmosphäre.


    Haiku-typische Offenheit

    Im Haiku geht es selten um eine eindeutige „Botschaft“, sondern um die Evokation von Stimmung und Resonanz. Die zurückbleibenden Augen könnten auch als Einladung gelesen werden, über das Nachwirken von Begegnungen nachzudenken – was bleibt, wenn etwas (oder jemand) verschwindet? Ein Eindruck? Eine Erinnerung? Eine ungelöste Spannung?


    Fragen zur Vertiefung

    – Wie wirkt das Bild auf dich persönlich? Fühlst du dich beobachtet, verunsichert, fasziniert?
    – Was assoziierst du mit Schlangen – ist es Angst, Respekt, Neugier?
    – Könnten die „Augen im Gras“ auch etwas Positives symbolisieren (z.B. Wachsamkeit der Natur)?


    Haikus leben von der Mehrdeutigkeit – gerade das macht sie stark! Es lässt Raum, dass jeder & jede die zurückgelassenen „Augen“ anders deutet: als Bedrohung, als mystisches Naturphänomen oder sogar als Metapher für etwas, das uns „im Leben“ immer wieder verfolgt. Und manchmal reibt man sich die Augen, weil man einen Fremdkörper darin vermutet.

  • Der 27te Buchstabe

    Der 27te Buchstabe

    Fred Capitole ist ein Kind armer Menschen. Er wurde, wir wissen nicht wie und wo, zwischen den beiden Kriegen geboren. Er ist klug und lustig und wird schnell von einem Bordell adoptiert. Alle Prostituierten ernähren ihn abwechselnd, bilden ihn aus, verwöhnen ihn und werden Teilzeitmütter. Doch irgendwann überschwemmen verstörende Plakate die Wände, auf denen ein hässlicher Mann mit Schnurrbart sitzt. Zu den 26 Buchstaben des Alphabets wurde ein neuer Buchstaben in Form eines Hakenkreuzes hinzugefügt. Fred ist definitiv ein kluger Junge, er hat alles verstanden und erklärt es so: „Eines Tages steigt ein Mann auf eine Seifenkiste und spricht die Leute an: Es ist traurig, dass ihr so ​​unglücklich seid, wo ihr doch die Schönste und die Beste seid. Das liegt alles an den anderen, ihr wisst schon, an denen, die eine Hakennase haben und einem das Geld abnehmen. Also folgen die Leute, die nicht wussten, dass sie unglücklich waren, dem hässlichen kleinen Schnurrbart-Typen …“
    Natürlich wird die süße Ruhe des Bordells schnell durch Deportationen und Massaker zerstört und auch Fred endet in der Nacht und im Nebel, ein anonymes Opfer unter so vielen anderen menschlichen Wahnsinns.

  • Bücher setzen einander fort, trotz unserer Gewohnheit, sie getrennt zu beurteilen.

    Virginia Woolfs „A Room of One’s Own“ (1929) ist ein essenzielles Werk der feministischen Literaturkritik, das auf einer Reihe von Vorträgen basiert, die Woolf an Frauenhochschulen gehalten hat. Das Buch verbindet literarische Analyse, Geschichtsschreibung und persönliche Reflexion, um die besonderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hindernisse aufzuzeigen, denen Frauen in der Literatur – und im weiteren kreativen Schaffen – begegneten.

    Zentrale Themen und Aufbau

    • Finanzielle und räumliche Unabhängigkeit: Woolf argumentiert, dass Frauen, um schöpferisch tätig zu sein, finanziell unabhängig sein und einen eigenen Rückzugsort besitzen müssen – sprich, „a room of one’s own“.
    • Geschlechterrollen und literarische Traditionen: Sie zeigt, wie patriarchale Strukturen die literarische Produktion und Rezeption von Frauen beeinträchtigt haben, und fordert dazu auf, diese Traditionen zu hinterfragen und neu zu denken.
    • Erzählerische Eleganz und Ironie: Das Buch besticht durch Woolfs fließende, essayistische Sprache, in der sie mit historischen Fakten, fiktiven Elementen und persönlicher Beobachtung eine neue, kritische Perspektive eröffnet.

    An dieser Stelle hebt Woolf eine zentrale Erkenntnis hervor: Trotz unserer Neigung, literarische Werke isoliert zu betrachten und zu bewerten, stehen sie in einem fortlaufenden Dialog miteinander. Diese Aussage lässt sich wie folgt interpretieren:

    1. Literarische Kontinuität:
      Bücher bauen aufeinander auf, indem sie Ideen, Themen und Stile weiterentwickeln oder kontrastieren. Jeder Text ist Teil eines größeren Diskurses, der sich über Zeit und Genres hinweg spannt. Woolf möchte uns daran erinnern, dass die strikte Trennung einzelner Werke unserer Wahrnehmung nicht gerecht wird, wenn es darum geht, die Entwicklung und Wechselwirkung literarischer Strömungen zu verstehen.
    2. Intertextualität:
      Woolfs Beobachtung unterstreicht den Gedanken, dass Literatur ein Netzwerk ist, in dem Werke miteinander kommunizieren. Ein Buch kann als Antwort, als Fortsetzung oder als Kritik an einem anderen Werk gelesen werden. Diese intertextuellen Bezüge lassen sich oft erst dann vollständig erfassen, wenn man das Gesamtgefüge der Literaturgeschichte betrachtet.
    3. Kritik an isolierten Bewertungen:
      Indem sie darauf hinweist, dass „books continue each other“, kritisiert Woolf auch unsere Tendenz, Werke rein anhand isolierter Kriterien zu bewerten. Sie fordert ein Umdenken hin zu einem Ansatz, der die Verbindung und den Kontext in den Vordergrund stellt – sei es in der Analyse von Stil, Thema oder gesellschaftlicher Wirkung.
    4. Feministische Perspektive:
      Innerhalb ihres feministischen Arguments verdeutlicht dieser Gedanke auch, wie Frauen in der Literatur oft an den Rand gedrängt oder als isolierte Einzelfälle betrachtet wurden, anstatt als Teil einer langen Tradition und eines kontinuierlichen Diskurses. Indem Woolf die Verknüpfung literarischer Werke betont, unterstreicht sie, dass auch „weibliche Literatur“ in diesen Dialog eingebettet ist und ebenso wertvoll zur Gesamtheit der literarischen Entwicklung beiträgt.

    Bedeutung und Relevanz

    Die Aussage ist nicht nur ein Plädoyer für ein ganzheitlicheres Leseverständnis, sondern auch ein Aufruf, die Beziehungen zwischen Texten zu erkennen und die oft künstliche Trennung von Literatur – und dabei auch von Geschlechtern – zu überwinden. Woolf lädt uns ein, über den Tellerrand einzelner Werke hinauszuschauen und zu erkennen, wie alle Bücher miteinander verwoben sind, was besonders in der heutigen, vernetzten Literaturkritik an Aktualität gewonnen hat.

    Zusammengefasst liefert „A Room of One’s Own“ nicht nur eine Analyse der Hindernisse, denen Frauen in der Literatur begegnen, sondern bietet auch eine tiefgründige Reflexion über die Natur von Literatur selbst. Woolf fordert dazu auf, die traditionelle Art der Einzelbewertung zu überdenken und stattdessen die fortlaufende, dialogische Natur literarischer Werke zu würdigen – eine Perspektive, die bis heute in literaturwissenschaftlichen Debatten nachhallt.

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