Von meiner Tochter wurde ich gefragt, warum ich mich auf meinem Literaturblog einer Autorin widme, die der breiten Öffentlichkeit heute kaum noch bekannt ist: Ille Chamier. Eine Frau, die seit Jahrzehnten nicht mehr in Verlagen publiziert hat und deren gedruckte Werke rar sind. Abgesehen von zwei Verlagsbüchern hat Ille Chamier ihre Texte überwiegend im Selbstverlag sowie als aufwendige Privatdrucke veröffentlicht – Werke, die ich selbst noch nie zu Gesicht bekommen habe.
Die Ausgangsfrage bleibt: Warum dieser Aufwand? Warum versuche ich, aus den unterschiedlichsten Quellen Texte zusammenzutragen und eine Künstlerin vorzustellen, über die kaum Informationen existieren und deren Bild zwangsläufig fragmentarisch bleiben wird?
Eine Entdeckung, die das Lesen neu entfacht hat
Die Antwort ist zutiefst persönlich: Ille Chamiers Texte haben mich zum Lesen zurückgebracht – und tun es noch immer. Jahrelang habe ich kaum ein Buch in die Hand genommen. Erst in den letzten Jahren habe ich Autoren und Autorinnen entdeckt, deren Worte mich wirklich berühren, und Ille Chamier ist eine davon. Es ist für mich unbegreiflich und schade, dass ihre Texte kaum bekannt sind und im Grunde kaum noch erhältlich.
Mit diesem privaten Projekt möchte ich dem entgegenwirken. Ich sammle, was ich an Informationen, Texten und Büchern finde, um so Abhilfe zu schaffen. Es ist mir wichtig zu betonen: Dies ist keine literaturwissenschaftlich genormte Arbeit und auch kein Versuch, einen Wikipedia-Eintrag zu erstellen. Der Anspruch auf Vollständigkeit ist schlicht nicht zu erfüllen, da mir die Ressourcen einer akademischen oder journalistischen Institution fehlen.
Mein Engagement entspringt reinem Interesse, ja sogar einem gewissen Frust darüber, dass so viele begabte Schreibende in der schieren Flut der Neuerscheinungen untergehen. Es hat nichts mit „Fansein“ im üblichen Sinne zu tun, sondern ist vielmehr ein Ausdruck von tiefem Respekt und Dankbarkeit. Ich kenne Ille Chamier nicht persönlich und weiß nicht einmal, wie sie aussieht. Mein Fokus liegt einzig und allein auf ihren Texten, ihrer bildhaften Sprache und ihrem Denken. Und auch die wenigen mir bekannten Zeichnungen sprechen mich sehr an.
Mehr als nur Konsum: Inspiration zum eigenen Schaffen
Was mich neben ihrer eindringlichen Sprache besonders an Ille Chamier fasziniert, ist ihre Fähigkeit, mich zu aktivieren. Sie animiert mich zum Recherchieren, zum Ausprobieren. Sie selbst hat ihre Texte illustriert, und das hat mich inspiriert, mich ebenfalls im Illustrieren zu versuchen. Auch wenn die Qualität meiner Versuche noch nicht vorzeigbar ist, finde ich die Idee, eigene Texte zu illustrieren, äußerst reizvoll. Ille Chamier stößt mich mit ihren Fragestellungen und zeitgenössischen Themen an, mich intensiv damit auseinanderzusetzen – eine Anregung, die ich selten finde und für die ich sehr dankbar bin. Das Zusammentragen ihrer Werke ist somit auch ein Ausdruck dieser Dankbarkeit, ohne dies überbewerten zu wollen.
Die Herausforderung der Lyrik auf einem Blog
Es geht mir also primär um ihre Texte und das, was sie darin ausdrückt. Mein Ziel ist es, meine Begeisterung für Ille Chamiers Werk zu teilen und vielleicht auch dazu beizutragen, dass noch mehr ihrer verstreuten Texte – beispielsweise aus Literaturzeitschriften – wiederentdeckt werden. Es ist für mich immer wieder faszinierend, wenn Lektüre nicht nur Konsum bleibt, sondern anregt, selbst aktiv zu werden, zu reflektieren und etwas Neues zu schaffen – einen indirekten Dialog mit dem Gelesenen.
Eine große Herausforderung dabei ist natürlich, wie man über Lyrik spricht und sie präsentiert, ohne die Texte selbst zu veröffentlichen, was urheberrechtlich nicht ohne Weiteres möglich ist. Wie kann ich Neugier wecken, Inhaltliches transportieren und die Essenz ihrer Dichtung vermitteln, ohne das Zitatrecht zu verletzen und vor allem: ohne den komprimierten, rhythmischen und bildhaften Charakter der Lyrik zu „ramponieren“? Eine klassische Rezension finde ich hier oft unzureichend, denn bei Ille Chamier geht es mir gerade um den Aspekt des Aktivwerdens, des Reflektierens und des „Selbermachens“. Ich sehe dies als eine Lernaufgabe für mich, einen Weg zu finden, ihre Poesie so zu vermitteln, dass sie neugierig macht und zum eigenen Nachdenken anregt.
Ich hoffe, diese Einblicke in meine Motivation machen deutlich, dass dieses Projekt eine Herzensangelegenheit ist, die so sorgfältig wie mir unter den gegebenen Umständen möglich umgesetzt wird.
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Werke von Ille Chamier – Eine Bibliografie im Aufbau
Der erste Teil dieser Zusammenstellung bezieht sich auf Ausgaben mit Texten von Ille Chamier, die in meinem Bestand sind. Im zweiten Teil habe ich aufgeführt, welche Ausgaben ich aktiv suche. Ich freue mich über jeden Hinweis, wo weitere Texte, Illustrationen, Bilder zu finden, zu erhalten sind. DAS ZÜNDBLÄTTCHEN – Heft 21 – Text – weiterlesenEDITION…
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Warum ich eine „vergessene“ Literatin & Künstlerin sichtbar machen möchte
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Ille Chamier & Karen Roßki
DAS ZÜNDBLÄTTCHEN – Heft 21 LektüreNotizen | Das Heft beinhaltet acht Gedichte der in Düsseldorf lebenden Autorin Ille Chamier und vier Bleistiftzeichnungen der Dresdner Künstlerin Karen Roßki. Stammabschnitte von Bäumen, die, obwohl blattlos, für mich die Energie der vier Jahreszeiten vermitteln. Details von Ästen, , markante Jungbäume, Totholz(?). Die Zeichnungen erinnern teils an Fabelwesen, so…
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Fünf Teller. / Fünf Hemden. / Fünf Sätze. / Keiner ganz.
Ille Chamiers Stil ist schwer zu imitieren – weil er nicht nur Technik, sondern eine Haltung ist. Ihre Sprache wirkt wie gehämmertes Geröll: kantig, verdichtet, mit plötzlichen Bildsprüngen. Ein Gedicht zum Thema „Sorgearbeit und Schreiben“ hätte bei ihr möglicherweise so geklungen: Mögliche Stilmerkmale (rekonstruiert aus ihren Texten): Lakonische Präzision:Nicht:„Die Last der unendlichen Pflichten drückt mich…
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Ille Chamier – Am Tag, als ich hinfuhr, zum Treffen schreibender Frauen…
3 Minuten—
Von
Die Erzählung „Am Tag, als ich hinfuhr, zum Treffen schreibender Frauen…“ (erschienen in Courage – Berliner Frauenzeitung, Juli 1979) offenbart scharfe gesellschaftskritische und feministische Positionen: Die Last der unsichtbaren Arbeit Ille Chamier beschreibt minutiös, wie Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Haushalt) ihr Schreiben behindert. Bevor sie zum Frauentreffen aufbrechen kann, muss sie ein komplexes Netz aus Versorgungsaufgaben organisieren:…
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Ille Chamier – Eine literarische Annäherung
Informationen über Ille Chamier sind fragmentarisch und schwer zugänglich. Diese Recherche fasst zusammen, was ich bisher über ihre vielseitige künstlerischen Arbeit herausgefunden habe. Ein Leben zwischen Tanz, Wort und Staffelei Ille Chamiers Weg war von Beginn an interdisziplinär geprägt. Geboren 1937 am Niederrhein, begann sie ihr Studium 1956 mit Tanz an der Folkwangschule in Essen…
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