Diese Ausgabe des Literaturmagazins WORTSCHAU präsentiert sich als besonders lyrik-fokussierte Publikation mit Thomas Kunst als Hauptautor. Feridun Zaimoglu charakterisierte Kunst in seiner Kleist-Preis-Begründung als den „sprachbesessensten und herzverrücktesten deutschen Dichter unserer Zeit“ – eine durchaus plakative Zuschreibung, die der Leser selbst überprüfen kann.
Kleine Einblicke in Thomas Kunsts Gedankenwelt | Der beigefügte Fragebogen gibt Einblicke in die Persönlichkeit des Hauptautors. Kunsts Fantasie wird von Bildern wie „Frau Holle, das Nilpferd Eolin, die Londoner Schweiz“ angeregt, während er die Welt als „sinnlos vermögend und untergangsverliebt“ beschreibt. Sein Lieblingswort ist „Fürderhin“, während er eine Abneigung gegen „Reisemotto“ äußert.
Auf die Frage nach seinem Schreibmotiv antwortet Kunst: „Weil ich täglich eine Gegenwelt brauche, um nicht müde zu werden.“ Seine Bewunderung gilt dem uruguayischen Ex-Präsidenten Pepe Mujica („Weil ich ihn liebe und seine humanistische Intelligenz verehre“) sowie Tommaso Landolfi, dem er den Literaturnobelpreis zusprechen würde.

Bild und Text in Verbindung
Die Ausgabe verbindet die Gedichte mit den Zeichnungen von Jörn-Peter Budesheim. Dessen Arbeiten bewegen sich zwischen Realismus und Abstraktion und loten das Thema Mensch in verschiedenen Schattierungen von Schwarz aus. Das Zitat „Nur manchmal / Wenn du außer dir bist / Kommst du zu dir“ verdeutlicht die Verbindung zu Kunsts Lyrik.
Die internationale Dimension bringt Wolfgang Schiffer ein, der als Übersetzer aus dem Isländischen Gedichte von Sjón und Eybór Arnason für diese Ausgabe auswählte und ins Deutsche übertrug.
Aus über zweihundert Einreichungen entstand eine Zusammenstellung von Texten folgender Autorinnen und Autoren: Marion Gay, Rumiana Ebert, Jane Wels, Matthias Schramm, Christoph Danne, Ulrich Koch, Frank Milautzcki, Marina Büttner, Kathrin Schadt, Kathrin Niemela, Stefan Hölscher, Elke Engelhardt, Werner Weimar-Mazur, Eline Menke und Annette Hagemann.
Die Herausgeber Johanna Hansen und Wolfgang Allinger beschreiben den „so lustvoll wie differenzierten Umgang mit Sprache“ als das, was sie begeistert und ihr Motor ist weiterzumachen. Der Titel „Es hört nie auf“ erinnert mich dabei an ein Perpetuum Mobile – ein kreativer Kreislauf, in dem eins zum nächsten führt und die Energie der Sprachbeschäftigung kontinuierlich weiterträgt.
Zwei Illustrationen aus der WORTSCHAU 43 – Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers Jörn Peter Budesheim:


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WORTSCHAU 44 – Selbstgespräch
Die 44. Ausgabe 2025 der WORTSCHAU widmet sich dem Thema Selbstgespräch und fragt nach der künstlerischen Darstellung des eigenen inneren Erlebens. Die Herausgeber Johanna Hansen und Wolfgang Allinger haben aus über 200 Einreichungen eine vielstimmige Auswahl getroffen, die das Selbstgespräch in seinen unterschiedlichsten literarischen Formen erkundet – von lyrischen Reflexionen bis zu autofiktionalen Erzählungen. Hauptautorin…
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Bitte versuchen Sie, mich nicht in Begrifflichkeiten zu fassen
Über ein Gedicht von Jane Wels und die Unmöglichkeit, nirgendwo dazuzugehören Bitte versuchen Sie, mich nicht in Begrifflichkeiten zu fassen.“ – Also gut. Nach der Lektüre griff ich nicht zum Füller um mir Notizen zu machen, sondern zum Pinsel. Ich hatte ohnehin gerade mit Acryl gearbeitet und ließ mich treiben, versuchte das Gelesene zu visualisieren,…
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Dialog über Hermetik und Zugänglichkeit in der Lyrik
Ein Nachtrag zur WORTSCHAU Nr. 43 | Mein kritischer Beitrag zur WORTSCHAU Nr. 43 hat auf Facebook eine bemerkenswert konstruktive Diskussion ausgelöst. Dass sich Herausgeber, Autorinnen und Autoren die Zeit genommen haben, auf meine Fragen einzugehen, freut mich sehr – und zeigt, dass die Spannung zwischen Hermetik und Zugänglichkeit keine einseitige Irritation ist, sondern ein…
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Annette Hagemann: ARTIST
Der Künstler als Versuchsanordnung und Schaustück? Auf den ersten Blick scheint Annette Hagemanns Gedicht ARTIST ein feines, fast ehrfürchtiges Porträt eines schöpferischen Menschen zu sein – eines, der sich einen Raum erbittet, um seine Arbeit zu tun: „Du hattest um den Geheimnisraum gebeten, das Innere des Turms ein leuchtender Lichthof …“ Ein Bild der Sammlung,…
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Jane Wels‘ Sandrine
Erinnerungen sind selten linear. Sie flackern, tauchen auf, verschwimmen, brechen ab – und genau dieses Flirren liegt im Text über Sandrine. Ein weibliches Ich spricht, nicht in klaren Linien, sondern in Schichten und Sprüngen. „Ihr Atem ist so leise wie ein Hauch Gänsedaunen.“ Zeit scheint stillzustehen, nur um im nächsten Moment „ein Hüpfspiel“ zu werden.…
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Angelica Seithe – DIE ALTE FRAU
DIE ALTE FRAU Schnee ist gefallenSchon wird es NachtAuf weißer Decke nicht eineSpur, nicht Vogel nicht KatzeEs kommt kein BesuchEs kommt keiner heutees kommt keiner morgenSie kehrt und kehrtimmer gründlicher kehrt sie denStraßenzugang zu ihrem Haus Annähernd gelesen | Das Gedicht ist schlicht gebaut: kurze, prosanahe Zeilen ohne Reim, ohne übermäßige Interpunktion. Es öffnet mit…
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WORTSCHAU Nr. 43
Gedanken zur „WORTSCHAU“ #43 (Es hört nie auf) – oder: Warum ich beim Lesen ins Stolpern kam Beim Lesen dieser Ausgabe drängte sich mir eine Frage auf: Für wen sind diese Texte eigentlich gedacht? Nicht, weil die Sprache unzugänglich wäre – im Gegenteil, Satzbau und Wortwahl sind oft klar –, sondern weil viele Gedichte in…
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BECKENENDLAGE – Kathrin Niemela
Wenn Wasser zur Hinrichtungsstätte wird – Eine Annäherung an das Gedicht „Beckenendlage“ von Kathrin Niemela | Der Titel klingt nach Krankenhaus, nach Ultraschall und besorgten Hebammen: „Beckenendlage“ – ein geburtshilflicher Fachbegriff für eine riskante Position des Kindes im Mutterleib. Doch Kathrin Niemelas Gedicht führt nicht in den Kreißsaal. Es führt ins Wasser. Ins Ertränkungsbecken. Drekkingarhylur:…
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WORTSCHAU 43 – Es hört nie auf
Diese Ausgabe des Literaturmagazins WORTSCHAU präsentiert sich als besonders lyrik-fokussierte Publikation mit Thomas Kunst als Hauptautor. Feridun Zaimoglu charakterisierte Kunst in seiner Kleist-Preis-Begründung als den „sprachbesessensten und herzverrücktesten deutschen Dichter unserer Zeit“ – eine durchaus plakative Zuschreibung, die der Leser selbst überprüfen kann. Kleine Einblicke in Thomas Kunsts Gedankenwelt | Der beigefügte Fragebogen gibt Einblicke…
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Marina Büttner – Jüdischer Friedhof Weißensee
Annähernd gelesen | Gedichtlektüre und Kontext. Das 1-strophige Gedicht von Marina Büttner verdichtet eine Momentaufnahme auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee zu einer Folge von starken, teils naturrohen Bildern, in denen persönliche Erschütterung und historische Schwere ineinanderfließen. Zwischen verwitterten Steinen, Symbolen und Zeichen des Verfalls verhandelt es die Beziehung von Zeit, Wahrheit und Erinnerung. Gelesen habe…
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Jörn Peter Budesheim
In der WORTSCHAU 43 bin ich auf Arbeiten von Jörn Peter Budesheim gestoßen. Besonders auffällig ist dabei, wie er in seinen Zeichnungen mit verschiedenen Ebenen arbeitet. Sie erschließen sich nicht sofort, sondern fordern dazu auf, gelesen zu werden – Schicht für Schicht. Und das passt gut zu diesen Gedichten. 1960 in Marburg geboren, arbeitete Budesheim…
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WORTSCHAU – Magazin für Gegenwartsliteratur
Geschichte und Gründung | Das Literaturmagazin WORTSCHAU wurde 2007 von Wolfgang Allinger und Peter Reuter gegründet. Die Ursprungsidee war ungewöhnlich: Literatur sollte dorthin gebracht werden, wo sie niemand vermutet – in Bäckereien, Blumenhandlungen, Gärtnereien, Einzelhandelsgeschäfte und Confiserien. Zunächst wurden wöchentlich gefaltete DIN-A4-Flyer mit Texten befreundeter Autorinnen und Autoren in diesen Geschäften ausgelegt, die nach einer…

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